Editorial: Harter Brexit und EU-Roaming
Im Falle eines "harten Brexits" wird sich vorerst nichts an den Roaming-Tarifen ändern, die bei Besuchen in GB gelten
Bild: picture alliance/dpa/PA Wire | Aaron Chown
Die gute Nachricht: Auch im Falle des immer wahrscheinlicher werdenden
"harten Brexits" wird sich zumindest vorerst
nichts an den Roaming-Tarifen ändern,
die bei Besuchen in Großbritannien gelten. Davon können Smartphone-Nutzer
aber derzeit kaum profitieren, da im Rahmen des ab Mittwoch geltenden
harten Covid-Lockdowns von allen Reisen, also auch solchen nach
Großbritannien, dringend abgeraten wird.
Klar ist aber auch: Die Gewährung der EU-"roam-like-home"-Regelung ist künftig in Großbritannien nicht mehr verpflichtend, sondern freiwillig. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis erste Tarifexperimente starten werden, bei denen Großbritannien dann anders - nämlich teurer - bepreist wird. Die Netzbetreiber werden bei diesen Experimenten aber wie üblich den Providern und Discountern den Vortritt lassen. Erweisen sich die Experimente aber als erfolgreich, werden auch die Netzbetreiber zumindest zum Teil wieder Roaming-Aufschläge für Großbritannien einführen.
Das grundsätzliche Problem der Roaming-Aufschläge ist bis heute ungelöst: Sobald der Mobilfunknutzer das Heimatnetz verlässt, handelt nicht er mit dem Mobilfunkbetreiber vor Ort die Gesprächspreise aus, sondern sein Heimnetzbetreiber. Und da beiden beteiligten Netzbetreibern jetzt der eigene wirtschaftliche Vorteil deutlich näher liegt als der wirtschaftliche Vorteil des Kunden, kommen bei diesen Verhandlungen jetzt nicht unbedingt die besten Preise bei raus. Denn je mehr der Roaming-Netzbetreiber vor Ort für die Roaming-Anrufe und -Datennutzungen kassiert, desto mehr bleibt in Form von Provisionen auch beim Heimnetzbetreiber hängen.
Vertragsfreiheit täte wohl
Im Falle eines "harten Brexits" wird sich vorerst nichts an den Roaming-Tarifen ändern, die bei Besuchen in GB gelten
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Ändern würde sich an dem Problem sofort etwas, wenn die Politiker die
Netzbetreiber zwingen würden, ihren Kunden den jeweiligen Roaming-Tarif
frei wählen zu lassen. Nur: Das schreibt kein Land den nationalen
Netzbetreibern vor, weil sie damit einseitig ebendiesen nationalen
Netzbetreibern schaden würden. Diese würden im Zweifelsfall die Ausfälle
bei den Roaming-Einnahmen durch höhere Inlandstarife kompensieren, was
dann wiederum den Bürgern schadet, was dann wiederum die Chance auf
eine Wiederwahl reduziert.
Als die EU-Kommission den EU-Roaming-Tarif stufenweise immer weiter absenkte, hatte sie über Jahre hinweg die gesamte Netzbetreiber-Lobby gegen sich. Die EU-Politiker wussten aber wahrscheinlich die Bürger dennoch hinter sich, die den Vorteil sahen, beim Urlaub innerhalb der EU nicht mehr so viel fürs Roaming bezahlen zu müssen. Und dann ist bei den vielreisenden EU-Politikern bei der EU-Roaming-Regulierung auch der Eigennutz nicht zu übersehen. Nur: Das Problem der noch höheren Roaming-Gebühren nach dem Verlassen der EU wurde auch durch die Brüsseler Richtlinien nicht angepackt.
Immerhin wird es dank Dual-SIM-Smartphones immer leichter, dem überteuerten Roaming zu entkommen: An vielen Flughäfen kann man im Ankunftsbereich direkt nationale SIM-Karten erwerben. Diese kann man zumindest bei Dual-SIM-Geräten zusätzlich ins Smartphone einlegen und im Reiseland dann für mobile Daten und Anrufe innerhalb des Reiselands verwenden. Internationale Anrufe führt man dank des vor-Ort-Datenpakets (fast) kostenlos über WhatsApp.
Einige ausländische Netzbetreiber bieten auch bereits bezahlbare Daten-Roaming-Optionen: Beim thailändischen Anbieter TrueMove kostet ein zehn Tage gültiges 7-Gigabyte-Paket für das Roaming in den meisten Ländern Asiens und Ozeaniens beispielsweise gerade mal 399 Baht (ca. 11 Euro). Die wichtigsten fehlenden asiatischen Länder in diesem Tarif sind wohl Russland und Neuseeland. Im Welt-Tarif, der neben allen Ländern des Asien-Pakets auch Russland, Neuseeland, die EU, Kanada und die USA enthält, aber in Afrika und Südamerika ziemlich "dünn" bestückt ist, verlangt True für 7 GB mit 899 Baht (ca. 25 Euro) zwar deutlich mehr. Dafür bekommt der Kunde aber auch eine Gültigkeit von 15 Tagen. Ist das Volumen verbraucht, wird in beiden Tarifen für den Rest der Zeit auf 128 kBit/s gedrosselt.
Zum Vergleich: o2 verlangt für internationales Roaming in den Länderzonen 3 und 4 jeweils 4,99 Euro pro Tag. Die Buchungs-SMS zur Aktivierung kostet weitere 0,49 oder 0,59 Euro. Enthalten sind aber gerade mal 0,05 MB. Die vorgenannten 7 GB würden inklusive der Aktivierungs-SMS bei o2 somit 767,20 Euro kosten, ganz abgesehen vom Aufwand, 140 SMS schicken zu müssen, um die Daten immer wieder zu entsperren.