Fernsehen

Editorial: Wer braucht noch Fernsehen?

Welt­weit befindet sich Fern­sehen auf dem Rückzug. Dafür gibt es viel­fäl­tige ökono­mische und poli­tische Gründe, letzt­end­lich entscheidet aber der Zuschauer. Eine lang­fris­tige Tendenz ist zwei­fels­ohne erkennbar.
Ein Kommentar von Björn König

Foto: dpa Die TV-Branche steht vor großen Umbrüchen
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In den vergan­genen Wochen und Monaten berich­tete die Medi­enbranche wieder einmal in eigener Sache. Da ging es zum Beispiel um ein Ende der Rund­funk­gebühr in Frank­reich. Dort steht übri­gens zeit­gleich ein Zusam­men­schluss der beiden Privat­sender M6 und TF1 aus kartell­recht­lichen Gründen auf der Kippe. Sowohl für öffent­lich-recht­liche wie auch Privat­sender sieht die Zukunft im Nach­bar­land alles andere als rosig aus. Dass sich Zuschauer zuneh­mend von den Sendern abwenden und ins Strea­ming flüchten, ist zumin­dest in der poli­tischen Debatte kaum einge­preist.

Deutsch­land vor glei­cher Entwick­lung

Foto: dpa Die TV-Branche steht vor großen Umbrüchen
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Derzei­tige Entwick­lungen in Frank­reichs Medi­enbranche sind selbst­redend kein regional begrenztes Phänomen. Fern­sehen steht viel­mehr welt­weit vor einem Umbruch, so haben große Medi­enkon­zerne wie Disney bereits einen Groß­teil ihrer TV-Akti­vitäten beendet oder planen entspre­chende Maßnahmen zumin­dest mittel­fristig. Zuletzt galt dies unter anderem auch für Warner Bros. Disco­very, dort steht die Zukunft der TNT-Kanäle zur Dispo­sition.

In Deutsch­land ergeben sich für die TV-Branche zwei grund­sätz­liche Probleme: Beim öffent­lich-recht­lichen Fern­sehen geht es vor allem um die Alters­struktur und gesell­schaft­liche Akzep­tanz. Bekann­ter­maßen machen ARD und ZDF vor allem Programm für ein älteres Publikum, und um kaum ein Thema wird öffent­lich noch erbit­terter gestritten, als über den Rund­funk­bei­trag. Während dieser in Frank­reich infla­tions­bedingt abge­schafft wird, disku­tieren die Sende­anstalten in Deutsch­land darüber, wie man aufgrund der Infla­tion sogar mehr Geld vom Beitrags­zahler einnehmen kann. Solche Debatten tragen augen­schein­lich kaum zur Verbes­serung des ohnehin bereits rampo­nierten Image von ARD und ZDF bei.

Privat­sender leiden doppelt

Auch die Probleme der Privat­sender sind zumin­dest teil­weise haus­gemacht, was schon beim Programm beginnt. Sarkas­tisch formu­liert hängen die Privat­sender am Tropf von Holly­wood, wie der deut­sche Ener­gie­sektor an Putins Erdgas-Pipe­line. Versiegt der Content-Strom aus der Traum­fabrik, sieht es für ProSiebenSat.1 und RTL zappen­duster aus. Man muss nun Sende­plätze gezwun­gener­maßen mit lokalen Inhalten füllen - und über deren Qualität lässt sich zwei­fellos streiten.

Die Probleme auf dem Werbe­markt sind glei­cher­maßen hinrei­chend bekannt. So hatten die Sender kürz­lich gehofft, bei Corona wäre die Talsohle endlich durch­schritten. Doch nun drohen Infla­tion und sogar Rezes­sion, viel­leicht sogar eine völlige welt­poli­tische Neuord­nung. Man sollte sich nichts vorma­chen, Zeiten des Wachs­tums sind in Europa auf mitt­lere Sicht vorbei. Und wenn die Wirt­schaft nicht wächst, gilt das glei­cher­maßen für den Werbe­markt.

Falsche Prio­ritäten

Die TV-Branche hat jahre­lang ausschließ­lich von der Substanz gelebt und sich keine Gedanken über die Zukunft gemacht. Nun werden die Sender von einer harten Realität einge­holt, und diese lässt sich nicht verleugnen. RTL sucht sein Glück in länder­über­grei­fenden Zusam­men­schlüssen, denen jedoch das Kartell­recht im Weg steht. ProSiebenSat.1 setzt mit lokalen Inhalten und einem diver­sifi­zierten Geschäfts­modell auf einen Weg aus der Krise. Doch auch mit dieser Stra­tegie muss CEO Beau­jean nicht nur Zuschauer, sondern auch seinen Groß­aktionär Media For Europe über­zeugen. Das ist wohl alles andere als ein leichtes Unter­fangen.

Vor allem die Abschaf­fung des Rund­funk­bei­trags in Frank­reich hat aber auch eine sehr bedau­erliche Konse­quenz, sie stellt die mit Deutsch­land pari­täti­sche Finan­zie­rung von Arte infrage. Dabei ist gerade dieser Sender einer der wenigen Gründe, warum man in der heutigen Zeit über­haupt noch einen Rund­funk­bei­trag recht­fer­tigen kann. Letzt­end­lich sind es nämlich insbe­son­dere Kultur- und Bildungs­ange­bote - neben Arte sowie 3sat noch ARD Alpha und Phoenix - welche diesem eigent­lichen Kern­auf­trag über­haupt gerecht werden.

Alles auf Strea­ming: Umbruch bei Warner Bros. Disco­very

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