Meta

Editorial: Drohen ja, abschalten nein

Face­book und Insta­gram bleiben in Europa verfügbar - Drohungen mit Verla­gerung und Abschal­tung haben weit­gehend formal­juris­tische Gründe.
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Wie so oft, wenn mit "Abschal­tung" gedroht wird, ist es am Ende nicht ernst gemeint. So auch bei Meta. Schließ­lich verdient der Konzern mit seinen Marken Face­book und Insta­gram in Europa so viele Werbe­umsätze, dass es töricht wäre, den "alten Konti­nent" zu verlassen. Zudem würden sich die Nutzer, die in Europa zwangs­aus­geschlossen werden, Alter­nativen zu Face­book und Insta­gram suchen und damit zwangs­läufig einen Konkur­renten von Meta stärken.

Trotzdem wird die Aussage, dass das Daten­schutz­umfeld in Europa schwierig ist und in letzter Konse­quenz den Konzern zu einem Rückzug zwingen könnte, auch künftig in den Geschäfts­berichten von Meta stehen. Denn Daten sind nun mal das "digi­tale Gold", das über Wohl und Wehe von Konzernen und Wirt­schafts­räumen hat. Ländern, die die Daten ihrer Bürger nicht kontrol­lieren und schützen, droht der wirt­schaft­liche Ausver­kauf. Von daher werden nicht nur die EU, sondern künftig auch andere Regionen verstärkt darauf achten, dass Meta (und natür­lich auch Google, Apple, Micro­soft, Tesla und die anderen Tech-Konzerne) nicht zu viele Daten absaugen. Diese Kontrolle belastet aber direkt die Geschäfts­modelle und Gewinn­aus­sichten der Konzerne. Und weil solche Belas­tungen im Geschäfts­bericht erwähnt werden müssen, werden sie da auch künftig stehen. Logo von "Meta" Logo von "Meta"
Bild: picture alliance/dpa/SOPA Images via ZUMA Press Wire | Rafael Henrique
Ande­rer­seits ist Meta in der güns­tigen Posi­tion, dass ein Groß­teil der Daten von den Kunden aktiv zu Meta getragen werden und Meta sogar damit beauf­tragt wird, diese im Internet zu veröf­fent­lichen, was dann implizit immer "welt­weit" heißt. Selbst, wer seine Face­book-Posts auf seinen Freun­des­kreis beschränkt, in diesem Freun­des­kreis aber auch mindes­tens eine Person hat, die in den USA lebt (oder dort zumin­dest vorüber­gehend zu Besuch ist und sich während­dessen von dort aus ins Internet und zu Meta einloggt), der kann später Meta nicht vorwerfen, diesen Post auch auf US-Server über­tragen zu haben.

Sobald aber die US-Server erreicht wurden, unter­liegen die genannten Posts der NSA-Über­wachung. Edward Snowden hat vor knapp einem Jahr­zehnt enthüllt, wie umfang­reich diese ist. Und nein, sie ist seitdem nicht weniger geworden. Und ja, es ist ein offenes Geheimnis, dass die Nach­rich­ten­dienste der EU zumin­dest bei Themen von natio­naler Trag­weite wie der Terror­abwehr, der mili­täri­schen Sicher­heit und der Bünd­nis­politik mit den US-Diensten koope­rieren. Auf diesem Weg fließen dann auch einige der Daten von Meta über den Umweg von Prism & Co. zurück in die EU. Bezie­hungs­weise, man sollte sich das eher nicht als Fluss, sondern als Dupli­kation und Verviel­fäl­tigung vorstellen, denn was die USA an die EU an Geheim­dienst-Dossiers schi­cken, behalten und nutzen sie natür­lich auch selber.

Werbe­restrik­tionen

Schwie­riger ist für Face­book der Umgang mit dem zweiten Daten­strom, den die User nicht selber posten, sondern den Face­book gene­riert, um die Time­line und die Werbe­aus­lie­ferung zu opti­mieren. Welche Themen inter­essieren den User? Schaut er länger auf lustige Hunde- oder Katzen­videos? Was inter­essiert ihn poli­tisch? Was regt ihn auf? Womit lässt er sich fesseln? Diese Daten dürfen nach EU-Daten­schutz­recht nicht über den Atlantik, denn sie sind klar perso­nen­bezogen und eindeutig privat. Ande­rer­seits benö­tigt Face­book sie, um sein Produkt zu opti­mieren und um Geld zu verdienen.

Jedoch hat auch hier die EU ein hohes Inter­esse am rezi­proken Daten­strom: Wer inter­essiert sich nicht nur für Hunde- und Katzen­bilder, sondern scheint auch empfäng­lich für reli­giöse Hass­bot­schaften zu sein? Wer ruft zu Gewalt und Krieg auf? Und welche Gruppe redet nicht nur über ein paar Mari­huana-Pflanzen, sondern über harte und gefähr­liche Drogen?

Meta sitzt also auf so einigen Daten, die die EU inter­essieren. Persön­lich kann ich mir eher nicht vorstellen, dass die EU auf diese Daten voll­umfäng­lich verzichtet. Sicher wird die EU nicht so direkt und so voll­umfäng­lich auf die Daten von Meta zugreifen, wie uns Snowden das von der NSA berichtet hat. Aber sie wird eben auch nicht total verzichten.

Zum Teil findet der genannte Daten­aus­tausch zwischen Meta und EU-Behörden auf klarer gesetz­licher Grund­lage statt. Wenn entspre­chende gericht­liche Durch­suchungs­beschlüsse zu bestimmten Personen vorliegen, dann wird Meta kaum anders können, als das zuge­hörige Face­book- und Insta­gram-Profil auszu­hän­digen. Aber auch die euro­päi­schen Geheim­dienste werden auf dem einen oder anderen Weg direkt mit Meta reden, um weitere Daten zu erlangen. Und das bedeutet am Ende: Auch in der EU hat die Politik kein allzu großes Inter­esse, dass sich am aktu­ellen Ist-Zustand zum (löch­rigen) Daten­schutz bei Meta viel ändert. Denn je härter sie Meta anfassen, desto weniger werden sie zurück­lie­fern. Und sollte Face­book wegen stär­kerer Regu­lie­rung seine User verstärkt an TikTok und Co. verlieren, wird es sicher eben­falls nicht einfa­cher, an die genannten Daten zu kommen.

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