Editorial: Diskussion um UKW-Abschaltung völlig unnötig
Es gibt Meldungen bei teltarif.de, die könnten sowohl aus diesem Jahr als auch von 2003 stammen. Etwa diejenigen zur Abschaltung des analogen UKW-Hörfunks. Immer wieder versuchen einzelne Bundesländer den alten, analog-terrestrischen Hörfunk zu beerdigen. Und immer wieder stoßen sie auf eine breite Front der Ablehnung.
Dabei haben sich die Argumente in 20 Jahren praktisch nicht geändert. Und so wehren sich vor allem die etablierten Privatradios mit guten UKW-Frequenzen gegen das analoge Aus und die Migration hin zum Digitalfunk DAB+. Diesmal ist der Schauplatz Bayern: Mit einem Brandbrief reagieren Privatradios in Bayern gegen eine geplante UKW-Abschaltung. Sie wollen eine Bestandsgarantie bis mindestens 2045.
Wie immer schieben die Privatradios das Argument vor, dass mit einer UKW-Abschaltung Hörerverluste drohen. Das geplante UKW-Aus hätte "die Insolvenz einer größeren Zahl von Lokalradios" zur Folge, heißt es im Brandbrief von über 60 Veranstaltern.
Besitzstandswahrung statt Vielfalt
Wieder einmal gibt es Streit um eine Abschaltung des UKW-Radios
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Hört man diese Argumentation, dann könnte man sich fragen: Sind die Radioveranstalter von ihrem eigenen Produkt tatsächlich so wenig überzeugt, dass sie bei einem Technikumstieg den Verlust der Hörerschaft fürchten? Geht es also letztlich um reine Besitzstandswahrung, denn je länger UKW läuft, umso weniger Anreiz gibt es für Hörer sich neue Empfangsgeräte anzuschaffen? Sprich: Wenn Lieschen Müller keine Kenntnis von neuen, digitalen Konkurrenten hat, die etwa auf DAB+ senden, so lange bleibt sie ihrem alten Sender treu?
Eines verkennen die Veranstalter dabei. Die Audionutzung hat sich in den letzten Jahren bereits gewandelt: Zahlen belegen, dass nicht nur die Nutzung von DAB+ signifikant zugenommen hat, erst recht seitdem jeder Neuwagen mit dem Digitalradio ausgestattet ist. Viele hören auch Radio inzwischen webbasiert, häufig sogar ohne zu wissen, dass das Radio hierbei aus dem Internet kommt. Wenn der Lieblingssender via Smart Speaker aufgerufen wird, denken nicht wenige, dass das Programm einfach wie gehabt über Antenne kommt, nur eben sprachgesteuert. Ähnlich verhält es sich mit der Nutzung von Radio-Apps am Smart-TV.
Letztlich entscheidet doch vielmehr der Content und nicht der technische Verbreitungsweg, ob ein Radioprogramm erfolgreich ist oder nicht. Programmveranstalter, die ein gutes Programm machen, sollten also bei einer UKW-Abschaltung doch eigentlich auch nicht um Hörerverluste fürchten.
Veranstalter ohne UKW-Frequenzen fordern UKW-Abschaltung
Es gibt auch Gegenargumente. Diese kommen - nicht überraschend - aus dem Lager der Veranstalter, die keine oder nur schlechte UKW-Frequenzen haben. Anders als die Mitbewerber fordern diese ein schnelles Aus für den alten, analogen Hörfunk, da ihnen ansonsten die Pleite droht. Sie brauchen maximale Reichweite, um ihre Investitionen zu refinanzieren. Das geht nur, wenn UKW auf die Müllhalde befördert wird. Denn erst, nachdem sich die Bevölkerung neue Empfänger zugelegt hat, haben die neuen Programme eine Chance, auch massenhaft gehört zu werden, was auch für die Werbeeinnahmen Grundvoraussetzung ist.
Auch kleinere Privatradios mit UKW-Frequenzen können sich mit einem analogen Ausstieg anfreunden. Denn sie müssen aktuell viel Geld für zwei terrestrische Verbreitungswege zahlen. So warnt der Geschäftsführer von Radio 8 und Radio Galaxy in Ansbach, Torsten Mieke, eine fast unbegrenzte UKW-Nutzung könne finanziell "existenzgefährdend" werden.
BLM entscheidet bis Jahresende
Der Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) will in seiner Sitzung am 7. Dezember 2023 über das weitere Vorgehen entscheiden. "Die in der Audiostrategie aufbereiteten Zahlen sprechen eine klare Sprache", so Thorsten Schmiege, der Präsident der BLM. "Eine zu frühe oder eine zu späte Migration würde zu Vielfaltsverlusten führen – eine rechtzeitige Migration aber bedeutet, lokale Radiovielfalt gerade auch im ländlichen Raum zu erhalten. Deshalb setzen wir mit der Audiostrategie 2025 auf ein Solidarmodell, das große und kleine Sender mitnimmt. Ich bin überzeugt: Bei Verbreitung und Finanzierung muss die Branche gemeinsam agieren und auf DAB+ setzen."
Manchmal ist es aber auch so, dass, wenn zwei sich streiten, sich dann der dritte freut. Denn kein Mensch weiß, wie die Audionutzung in zehn Jahren aussehen wird, ob Radio dann immer noch vorrangig linear konsumiert wird, oder ob Audiotheken, Personal Audio, Streamingdienste, Podcasts, neue Audio-Dienstleister mit Audio-Clips via TikTok und alles, was bis dahin noch an Social Media folgt, nicht das alte Radio überflügelt haben. Dann spätestens zeigt sich, ob die Diskussion um DAB+ oder UKW nicht völlig unnötig war, da es vielmehr um die Existenz des Mediums Radio generell geht.
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