Radio

Editorial: Diskussion um UKW-Abschaltung völlig unnötig

Wieder einmal versucht ein Bundes­land, UKW abzu­schalten. Und wieder einmal hagelt es Kritik aus dem Lager der Privat­radios. Diese Diskus­sion um UKW oder DAB+ ist aber völlig unnötig, meint unser Autor Michael Fuhr. Denn längst hat sich die Audio­nut­zung gewan­delt.
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Es gibt Meldungen bei teltarif.de, die könnten sowohl aus diesem Jahr als auch von 2003 stammen. Etwa dieje­nigen zur Abschal­tung des analogen UKW-Hörfunks. Immer wieder versu­chen einzelne Bundes­länder den alten, analog-terres­tri­schen Hörfunk zu beer­digen. Und immer wieder stoßen sie auf eine breite Front der Ableh­nung.

Dabei haben sich die Argu­mente in 20 Jahren prak­tisch nicht geän­dert. Und so wehren sich vor allem die etablierten Privat­radios mit guten UKW-Frequenzen gegen das analoge Aus und die Migra­tion hin zum Digi­tal­funk DAB+. Diesmal ist der Schau­platz Bayern: Mit einem Brand­brief reagieren Privat­radios in Bayern gegen eine geplante UKW-Abschal­tung. Sie wollen eine Bestands­garantie bis mindes­tens 2045.

Wie immer schieben die Privat­radios das Argu­ment vor, dass mit einer UKW-Abschal­tung Hörer­ver­luste drohen. Das geplante UKW-Aus hätte "die Insol­venz einer größeren Zahl von Lokal­radios" zur Folge, heißt es im Brand­brief von über 60 Veran­stal­tern.

Besitz­stands­wah­rung statt Viel­falt

Wieder einmal gibt es Streit um eine Abschaltung des UKW-Radios Wieder einmal gibt es Streit um eine Abschaltung des UKW-Radios
picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Hört man diese Argu­men­tation, dann könnte man sich fragen: Sind die Radio­ver­anstalter von ihrem eigenen Produkt tatsäch­lich so wenig über­zeugt, dass sie bei einem Tech­nikum­stieg den Verlust der Hörer­schaft fürchten? Geht es also letzt­lich um reine Besitz­stands­wah­rung, denn je länger UKW läuft, umso weniger Anreiz gibt es für Hörer sich neue Empfangs­geräte anzu­schaffen? Sprich: Wenn Lies­chen Müller keine Kenntnis von neuen, digi­talen Konkur­renten hat, die etwa auf DAB+ senden, so lange bleibt sie ihrem alten Sender treu?

Eines verkennen die Veran­stalter dabei. Die Audio­nut­zung hat sich in den letzten Jahren bereits gewan­delt: Zahlen belegen, dass nicht nur die Nutzung von DAB+ signi­fikant zuge­nommen hat, erst recht seitdem jeder Neuwagen mit dem Digi­tal­radio ausge­stattet ist. Viele hören auch Radio inzwi­schen webba­siert, häufig sogar ohne zu wissen, dass das Radio hierbei aus dem Internet kommt. Wenn der Lieb­lings­sender via Smart Speaker aufge­rufen wird, denken nicht wenige, dass das Programm einfach wie gehabt über Antenne kommt, nur eben sprach­gesteuert. Ähnlich verhält es sich mit der Nutzung von Radio-Apps am Smart-TV.

Letzt­lich entscheidet doch viel­mehr der Content und nicht der tech­nische Verbrei­tungsweg, ob ein Radio­pro­gramm erfolg­reich ist oder nicht. Programm­ver­anstalter, die ein gutes Programm machen, sollten also bei einer UKW-Abschal­tung doch eigent­lich auch nicht um Hörer­ver­luste fürchten.

Veran­stalter ohne UKW-Frequenzen fordern UKW-Abschal­tung

Es gibt auch Gegen­argu­mente. Diese kommen - nicht über­raschend - aus dem Lager der Veran­stalter, die keine oder nur schlechte UKW-Frequenzen haben. Anders als die Mitbe­werber fordern diese ein schnelles Aus für den alten, analogen Hörfunk, da ihnen ansonsten die Pleite droht. Sie brau­chen maxi­male Reich­weite, um ihre Inves­titionen zu refi­nan­zieren. Das geht nur, wenn UKW auf die Müll­halde beför­dert wird. Denn erst, nachdem sich die Bevöl­kerung neue Empfänger zuge­legt hat, haben die neuen Programme eine Chance, auch massen­haft gehört zu werden, was auch für die Werbe­ein­nahmen Grund­vor­aus­set­zung ist.

Auch klei­nere Privat­radios mit UKW-Frequenzen können sich mit einem analogen Ausstieg anfreunden. Denn sie müssen aktuell viel Geld für zwei terres­tri­sche Verbrei­tungs­wege zahlen. So warnt der Geschäfts­führer von Radio 8 und Radio Galaxy in Ansbach, Torsten Mieke, eine fast unbe­grenzte UKW-Nutzung könne finan­ziell "exis­tenz­gefähr­dend" werden.

BLM entscheidet bis Jahres­ende

Der Medi­enrat der Baye­rischen Landes­zen­trale für neue Medien (BLM) will in seiner Sitzung am 7. Dezember 2023 über das weitere Vorgehen entscheiden. "Die in der Audio­stra­tegie aufbe­rei­teten Zahlen spre­chen eine klare Sprache", so Thorsten Schmiege, der Präsi­dent der BLM. "Eine zu frühe oder eine zu späte Migra­tion würde zu Viel­falts­ver­lusten führen – eine recht­zei­tige Migra­tion aber bedeutet, lokale Radio­viel­falt gerade auch im länd­lichen Raum zu erhalten. Deshalb setzen wir mit der Audio­stra­tegie 2025 auf ein Soli­dar­modell, das große und kleine Sender mitnimmt. Ich bin über­zeugt: Bei Verbrei­tung und Finan­zie­rung muss die Branche gemeinsam agieren und auf DAB+ setzen."

Manchmal ist es aber auch so, dass, wenn zwei sich streiten, sich dann der dritte freut. Denn kein Mensch weiß, wie die Audio­nut­zung in zehn Jahren aussehen wird, ob Radio dann immer noch vorrangig linear konsu­miert wird, oder ob Audio­theken, Personal Audio, Strea­ming­dienste, Podcasts, neue Audio-Dienst­leister mit Audio-Clips via TikTok und alles, was bis dahin noch an Social Media folgt, nicht das alte Radio über­flü­gelt haben. Dann spätes­tens zeigt sich, ob die Diskus­sion um DAB+ oder UKW nicht völlig unnötig war, da es viel­mehr um die Exis­tenz des Mediums Radio gene­rell geht.

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