Verstörend

Editorial: Warum findet die BNetzA teure Drossel-Tarife toll?

Die Bundes­netz­agentur sieht eine "posi­tive Auswir­kung" durch die neuen teuren und gedros­selten Handy-Tarife von der Telekom und Voda­fone als Ersatz für die verbo­tenen Strea­ming-Optionen. Können wir sie damit noch ernst nehmen?
Ein Kommentar von

Klaus Müller war - wie hier auf dem Foto - vor kurzem noch beim vzbv. Klaus Müller war - wie hier auf dem Foto - vor kurzem noch beim vzbv.
picture alliance/dpa
Es ging bis vor den EuGH: Zur Umset­zung eines EuGH-Urteils hat die Bundes­netz­agentur wie berichtet die speziell deut­schen Strea­ming-Optionen (Zero Rating) am 28. April unter­sagt.

Nach dieser Verfü­gung hatte zuerst Voda­fone Anfang Mai neue Mobil­funk-Tarife auf den Markt gebracht, die Telekom hat Anfang Juni nach­gezogen. In dieser Woche kommen­tierte die Bundes­netz­agentur dies nun so: Beide Provider würden ihren Kunden nun Tarife "mit höheren Daten­volu­mina" anbieten. Die Einstel­lung der Zero-Rating-Optionen habe "insge­samt eine posi­tive Auswir­kung auf den deut­schen Mobil­funk­markt". Auch die "übrigen Mobil­funk­anbieter", die kein Zero Rating ange­boten hätten, könnten nun "wieder entspre­chend konkur­renz­fähige Ange­bote unter­breiten", so BNetzA-Präsi­dent Klaus Müller.

Eine BNetzA in Wolken­kuckucks­heim?

Klaus Müller war - wie hier auf dem Foto - vor kurzem noch beim vzbv. Klaus Müller war - wie hier auf dem Foto - vor kurzem noch beim vzbv.
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Ich frage mich dabei: Die Bundes­netz­agentur bezeichnet die neuen Tarife von Voda­fone und der Telekom als "posi­tive Auswir­kung auf den deut­schen Mobil­funk­markt"? Kann es sein, dass die BNetzA inzwi­schen weit abge­hoben irgendwo über den Wolken schwebt und nichts von der Kritik von Verbrau­chern und Verbrau­cher­schüt­zern an den neuen, viel zu teuren Tarifen mitbe­kommen hat? Es ist ja noch gar nicht so lange her, dass Klaus Müller noch beim vzbv für die Rechte von Verbrau­chern gekämpft hat. Hat er das denn schon so schnell vergessen?

Und wenn der Herr Müller schon den euro­päi­schen Vergleich bemüht und beim Gremium der euro­päi­schen Regu­lie­rungs­behörden "BEREC" an einer Konkre­tisie­rung und strengen Durch­set­zung der euro­paweit geltenden Netz­neu­tra­litäts-Vorgabe mitar­beitet: Dann sollte er im nächsten Schritt auch mal drin­gend daran arbeiten, dass alle Regu­lie­rungs­behörden in der EU einheit­liche Vorgaben für eine güns­tige Frequenz­ver­gabe mit gleich­zeitig knall­harter Ausbau­ver­pflich­tung in der Fläche (!) verab­schieden und umsetzen. Dann könnten nämlich die deut­schen Netz­betreiber nicht wie bisher behaupten, nur aufgrund der teuren deut­schen Lizenz­kosten für Frequenzen müssten sie so teure Preise machen. Dann müssten sie nämlich ihre Preise den Preisen in anderen EU-Ländern anpassen, in denen es unli­mitierte mobile Daten­flats um die 30 Euro pro Monat gibt.

EU-Konkur­renz zeigt, wie es geht

Bei der Gele­gen­heit könnte man auch gleich mal - initi­iert von der deut­schen BNetzA und EU-weit koor­diniert - die unsäg­liche Fair-Use-Grenze beim EU-Roaming abschaffen, nach der der Provider berech­tigt ist, vom Kunden einen Nach­weis für die zukünf­tige Haupt­nut­zung im Inland zu verlangen, wenn der Tarif vom Kunden inner­halb von vier Monaten den über­wie­genden Teil der Zeit in einem anderen EU-Land genutzt wurde.

Ich meine: Lassen wir es doch mal zu, dass unli­mitierte mobile Daten­flats für 30 Euro pro Monat aus anderen EU-Ländern dauer­haft in Deutsch­land genutzt werden dürfen - da werden die Telekom und Voda­fone vermut­lich eine Kündi­gungs­welle erleben, die sich gewa­schen hat. Oder sie werden ratz­fatz Tarife anbieten, die EU-weit konkur­renz­fähig sind. Die Telekom selbst kann das ja in den Nieder­landen für 35 Euro monat­lich - mit einer unli­mitierten 5G-Daten­flat.

Tarife im Telefónica-Netz: Die deut­sche Konkur­renz

Dass die BNetzA inzwi­schen wohl über­haupt keine Ahnung mehr von der deut­schen Tarif­land­schaft hat, zeigt die Formu­lie­rung, die "übrigen Mobil­funk­anbieter", die kein Zero Rating ange­boten hatten, könnten nun "wieder entspre­chend konkur­renz­fähige Ange­bote unter­breiten". Da frage ich mich: Was haben denn o2 und mehrere im Telefónica-Netz ange­sie­delte Marken seit Jahren bereits gemacht? freenet Funk bietet seit Jahren eine unli­mitierte mobile Daten­flat für knapp 30 Euro pro Monat.

o2 und mobilcom-debitel staf­feln diese je nach Preis und Geschwin­dig­keit. An diesen Preis­modellen haben die Exis­tenz und das Verbot der Zero-Rating-Optionen schlicht und ergrei­fend gar nichts geän­dert - diese gab es schon die ganze Zeit. Die Telekom und Voda­fone waren nur zu geizig dazu, das ihren Kunden zu diesem Preis anzu­bieten (oder dafür eine Discount-Marke zu gründen).

Ich bleibe also bei meiner bereits früher geäu­ßerten Forde­rung: Wir brau­chen eine neue Bundes­netz­agentur.

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