(v)erstritten

Editorial: Koalitionsgespräche: Mehr Freiheit, mehr Wettbewerb!?

Bisherige Vereinbarungen sind noch wenig konkret
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Die meisten Internetnutzer dürften sich darüber freuen, was bei den Koalitionsgesprächen zwischen FDP, CSU und CDU auf Bundesebene bisher vereinbart worden ist: Aussetzung der Internetsperren für mindestens ein Jahr, Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung bis zum für das kommende Frühjahr erwarteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur dagegen gerichteten Massenklage, sowie Richtervorbehalt für Onlinedurchsuchungen.

Aber: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und so könnte es durchaus passieren, dass "Zensursula" in den kommenden Monaten die relevanten FDP-Politiker zum Umfallen bringt. Ähnliches droht auch bezüglich der Vorratsdatenspeicherung, sollte das Bundesverfassungsgericht diese zumindest grundsätzlich erlauben. Und auch mit dem Richtervorbehalt für Onlinedurchsuchungen wird nur eingeführt, was das Bundesverfassungsgericht sowieso auf kurz oder lang eingefordert hätte.

Nüchtern betrachtet, wurde daher mit den genannten Vereinbarungen im Koalitionsvertrag noch nicht allzu viel erreicht. Hinzu kommen die großen Themen "Steuerreform" und "Gesundheitsfonds", wo die Standpunkte der drei Partner in spe sehr weit voneinander entfernt sind. Gut möglich, dass die Gespräche am Ende doch noch abgebrochen werden, und es zu einer Neuauflage von schwarz-rot kommt.

Das meiste, was Union und FDP nämlich bisher verlauten ließen, wäre in ähnlicher Form auch mit der Union und der SPD machbar, etwa größeres Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger oder ein Verbot sittenwidriger Löhne. Die größte Ausnahme hiervon ist die geplante generöse Laufzeitverlängerung für bestehende Atomkraftwerke. Doch dürften nur wenige Unionspolitiker so mit ihrem Herzblut an dieser Sache hängen, als dass diese nicht verhandelbar wäre. Zumal sich auch die SPD vielleicht das eine oder andere Jahr Extra-Laufzeit abringen ließe, wenn sichergestellt ist, dass die daraus erzielten Gewinne in erneuerbare Energien investiert werden.

Zum Jubeln zu früh

Somit ist es trotz der eingangs genannten guten Nachrichten für die Internet-Gemeinschaft zum Jubeln zu früh. Zu stark ist die Gefahr, dass der Kompromiss doch noch unter die Räder kommt.

Zudem fehlen andere für Tk- und Internetnutzer wichtige Themen: So sind von schwarz-gelb zwar kaum Impulse zur Stärkung der Verbraucherrechte, etwa gegen Abofallen, zu erwarten. Aber ein klares Bekenntnis zurück zu einer Regulierung, die diesen Namen auch verdient, wäre auf jeden Fall ein klares Signal für mehr Wettbewerb und somit auch für langfristig weiter fallende Preise und/oder steigende Leistungen im Tk-Sektor. Auch viele mittelständische Tk-Anbieter, die besonders unter den aktuellen Re-Monopolisierungstendenzen leiden, wünschen sich eine solche Politik weg vom aktuellen Kuschelkurs mit den Großkonzernen.

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