Rechtliche Grauzone

Politiker fordern Konsequenzen beim Bundestrojaner

Chaos Computer Club schützt noch seine Informanten
Von mit Material von dpa und dapd

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat beklagt, dass die Sicherheitsbehörden teilweise in einer rechtlichen Grauzone arbeiten. Er reagierte auf Angaben des Chaos Computer Clubs (CCC), wonach Ermittler in Deutschland eine Software zur Überwachung von Telekommunikations-Verbindungen eingesetzt haben, die einen verbotenen "Großen Lauschangriff" ermöglicht. Schaar kündigte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" an, die Überwachungssoftware zu überprüfen. "Es darf nicht sein, dass beim Abfangen verschlüsselter Internet-Kommunikation auf dem Computer durch die Hintertür auch eine Online-Durchsuchung des gesamten Rechners durchgeführt werden kann."

Bundestrojaner in einer rechtlichen Grauzone. Nach Ansicht führender Politiker bewegt sich der Bundestrojaner in einer rechtlichen Grauzone.
Bild: fotolia
Das Bundesinnenministerium teilte am Sonntag mit, dass zumindest das Bundeskriminalamt (BKA) keinen "Bundestrojaner" eingesetzt habe: "Was auch immer der CCC untersucht hat oder zugespielt bekommen haben mag, es handelt sich dabei nicht um einen sogenannten Bundestrojaner." Das Ministerium machte keine Angaben, ob und inwieweit andere deutsche Ermittlungsbehörden die Überwachungssoftware eingesetzt haben könnten: "Im Übrigen sind die zuständigen Justiz- und Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder jeweils eigenständig für die Einhaltung technischer und rechtlicher Vorgaben verantwortlich."

Schaar sagte: "Der Einsatz von Überwachungssoftware ist nur lückenhaft geregelt. Während für das Bundeskriminalamt zur Abwehr schwerster Verbrechen eindeutige gesetzliche Vorgaben bestehen, fehlen vergleichbar klare Auflagen für Polizei und Staatsanwaltschaft im Bereich der Strafverfolgung." Hier sei der Gesetzgeber gefordert. Die Forderung, staatliche Überwachungssoftware grundsätzlich zu verbieten, teilte Schaar nicht.

FDP fordert Aufklärung und notfalls personelle Konsequenzen

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, warf Polizei und Geheimdiensten Schusseligkeit vor und forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" ein konsequentes Durchgreifen: "Sollten sich Behörden im aktuellen Fall verselbstständigt haben, kann das nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben." Ahrendt sagte, der Vorgang stelle die Qualität der Sicherheitsbehörden infrage. Nach dem Verlust der Baupläne für die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes sei der jetzige Vorfall bereits die zweite Panne in wenigen Monaten.

Der FDP-Politiker und frühere Bundesinnenminister Gerhard Baum sagte in HR-Info, jetzt sei der Bundestag gefordert. "Ich möchte gerne wissen, wer hat das gemacht, welche Polizei- oder Sicherheitsbehörde in wie vielen Fällen." Der Chaos Computer Club sei glaubwürdig und habe offenbar klare Beweise vorliegen.

Auch der frühere Bundestagsvizepräsident und FDP-Politiker Burkhard Hirsch sprach von einer atemberaubenden Veröffentlichung und forderte in der "Passauer Neuen Presse" Konsequenzen [Link entfernt] . Hirsch sagte, der Bundestrojaner sei ein bewusster Verstoß gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Einsatz solcher Programme beschränkt hatte. "Ich erwarte, dass die Fraktionen des Deutschen Bundestages jetzt umgehend klären, wer das Programm zu verantworten und davon Gebrauch gemacht hat. Der Bundesinnenminister muss hier Klarheit schaffen und Stellung nehmen. Seit wann weiß er davon? Was hat er gegen diese verfassungswidrige Praxis getan?"

Der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann erklärte, es dürfe nur ausnahmsweise und nur unter höchsten Auflagen möglich sein, einen Rechner auszuspähen. "Es darf aber niemals ein sogenannter Trojaner eingesetzt werden, der eine weitergehende oder beliebige Ausspähung ermöglicht."

Auf der folgenden Seite lesen Sie die Reaktion des Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), der vom Chaos Computer Club weitere Beweise fordert.

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