Filesharing

Unbequeme Wahrheiten: Filmindustrie gewinnt dank Raubkopie

Die Filmindustrie jammert über Filesharing und Raubkopien, tatsächlich geht es ihr aber gar nicht schlecht - schließlich werden durch die virale Werbung im Internet auch neue Zielgruppen erreicht.
Von Marie-Anne Winter

Panzer im Kampf gegen Raubkopien: Hier werden illegale Raubkopien auf CD in China vernichtet. Panzer im Kampf gegen Raubkopien: Hier werden illegale Raubkopien auf CD in China vernichtet.
Bild: dpa
Für die Filmindustrie geht ständig die Welt unter - und zwar nicht nur im Film. Als die Videorekorder ihren Platz im Wohnzimmer eroberten, was das Gejammer groß, weil die Leute nun nicht nur Sendungen aufzeichnen, sondern auch - wie furchtbar! - Videokassetten kopieren konnten - allerdings in vergleichsweise lausiger Qualität. Mit den neuen Möglichkeiten, die Digitalisierung und Internet bieten, ist es noch viel einfacher geworden, Filme ohne Qualitätsverlust zu kopieren und zu verteilen.

Kein Wunder, dass die Filmindustrie seit Jahren heult und mit den Zähnen knirscht, weil durch das ganze Raubkopierunwesen ihr schönes Geschäftsmodell ruiniert würde. Sie malt Schreckenszsenarien menschenverlassenener Multiplexkinos und leerer Produzentenkassen Panzer im Kampf gegen Raubkopien: Hier werden illegale Raubkopien auf CD in China vernichtet. Panzer im Kampf gegen Raubkopien: Hier werden illegale Raubkopien auf CD in China vernichtet.
Bild: dpa
an die Wand. Doch in der Realität sieht es wie so oft ganz anders aus: Durch das ganze File-Sharing gehen die Umsätze Hollywoods nach oben. Das berichtet jedenfalls das Magazin Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

Denn obwohl immer wieder das Gegenteil behauptet wird, hat die Online-Piraterie die Filmindustrie keineswegs ruiniert. Tatsächlich ist es aber so, dass die immer wieder als illegal gegeißelten Download-Seiten als virale Werbeplattformen den Markt vergrößern. "Viele Show-Produzenten und Führungskräfte, die ich kenne, laden nicht nur selbst ständig Sachen illegal herunter. Im privaten Gespräch räumen sie auch ein, dass Raubkopien gut für die Branche sind - eine tolle Art zu werben und unverzichtbar, um ein beständiges Publikum aufzubauen", so die US-amerikanische Drehbuchautorin Julie Bush gegenüber Technology Review.

Die Zahlen bestätigen die Behauptung: Das Jahr 2012 war trotz aller Raubkopien für Hollywood das beste Jahr seiner Geschichte - zumindest in den USA. Die Branche erzielte dort rund 10,8 Milliarden Dollar an Ticketverkäufen, die Zuschauerzahlen stiegen gegenüber 2011 um sechs Prozent.

Dass Verluste durch illegale Kopien mit höheren DVD-Verkäufen und Abonnements ausgeglichen werden, hat auch der Bezahlsender HBO gemerkt. So könnte HBO Log-ins auf jeweils eine IP-Adresse beschränken, tut dies aber nicht und nimmt so die Passwortweitergabe an Freunde hin.

Jammern auf hohem Niveau

Auch die Geschichte der Filmindustrie legt diesen Schluss nahe. Was heute für die Studios das Filesharing ist, waren früher die Videorecorder, später die DVDs. Dabei lieferten beispielsweise DVDs zu ihren Hochzeiten die Hälfte der Gesamtgewinne der Studios - und das obwohl inzwischen fast jeder PC über einen DVD-Brenner verfügte. Das Heimvideo, gestand schon vor Jahren Barry London, einst hochrangiger Manager bei Paramount Pictures, führe Leute, die nicht mehr ins Kino gingen, wieder an Filme heran.

Ähnlich ist das heute auch mit Internet-Foren und Plattformen, in denen Fans über bestimmte Serien diskutieren, die zuvor nur im Verbreitungsgebiet der jeweiligen Fernsehsender oder Kabelanbieter bekannt waren. Inzwischen warten auch Internet-Nutzer in Europa sehnsüchtig auf die neue Staffel bestimmter Serien, die gerade in den USA gezeigt werden und sind durchaus bereit, solche Inhalte über Bezahlplattformen zu kaufen, bevor sie in ihren Ländern im Fernsehen ausgestrahlt werden. Auf diese Weise ist ein neuer Markt entstanden, den es ohne die Verbreitung dieser Inhalte über das Internet nicht gegeben hätte.

Insofern ist die von der Filmindustrie immer wieder verlangte Sperrung von Filesharing-Seiten im besten Fall nutzlos - auch wenn der Europäische Gerichtshof erst gestern in einem Urteil bestätigt hat, dass Internet-Anbieter innerhalb der EU gezwungen werden können, Webseiten zu sperren, auf denen nachweislich urheberrechtlich geschützte Inhalte illegal heruntergeladen werden können.

Mehr zum Thema Internet