gespeichert

Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zur Datenspeicherung

Internet-Wirtschaft sieht Trend zu immer stärkerer Überwachung
Von Marie-Anne Winter

Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Einführung einer umfassenden und verdachtsunabhängigen Pflicht zur Speicherung sämtlicher Verkehrsdaten der Kommunikation aller Bürgerinnen und Bürger - egal ob per Festnetztelefon, Mobiltelefon, Internet, E-Mail oder SMS - wird wie berichtet von der Wirtschaft abgelehnt. Die Unternehmen sehen darin einen bedenklichen Trend zu einer immer stärkeren staatlichen Überwachung, zusammen mit weiteren Vorhaben wie der Online-Durchsuchung, der Nutzung von Mautdaten durch Polizeibehörden oder dem Online-Zugriff auf biometrische Daten.

Dazu Oliver Süme, Vorstand Recht und Regulierung des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft (eco): "Das Novum der Vorratsdatenspeicherung liegt darin, dass unbescholtene Personen unter Generalverdacht gestellt werden, wenn sie per Internet und Telefon kommunizieren. Dabei folgt diese Maßnahme einem allgemeinen Trend, dass Internetprovider und Telekommunikationsunternehmen Daten über Bürgerinnen und Bürger 'im Auftrag' des Staates sammeln müssen und dafür die Kosten zu tragen haben, während gleichzeitig immer mehr Behörden Auskünfte einholen dürfen. Die Unternehmen werden wider Willen zum Hilfssherriff gemacht. Originär staatliche Aufgaben werden in einem Maße auf die Wirtschaft übertragen, das über die Sozialpflichtigkeit der Unternehmen weit hinaus geht, da die enormen Kosten der Vorratsdatenspeicherung bei weitem nicht angemessen erstattet werden."

"eco hat Zweifel, ob die geplante Vorratsdatenspeicherung mit der Verfassung vereinbar ist", so Oliver Süme weiter. "Das gilt ganz besonders, wenn dieser Eingriff in das Fernmeldegeheimnis erfolgt, um eine minderschwere Straftat wie zum Beispiel eine Beleidigung aufzuklären. Denn das wird in der Praxis die Regel sein."

eco fordert ein Moratorium der Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die der Anlass für den Regierungsentwurf war. Gegenwärtig klagt Irland vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, weil für diese die Ermächtigungsgrundlage fehle. eco appelliert an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, wenigstens den Ausgang dieser Klage abzuwarten, der gute Erfolgsaussichten eingeräumt werden. Sollte das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG dennoch verabschiedet werden, dringt der Verband auf eine vollumfängliche Entschädigung aller durch die Einführung der Vorratsdatenspeicherung und durch die Erteilung von Auskünften an die Strafverfolgungsbehörden entstehenden Kosten.

Gefahr für die Pressefreiheit

Auch der Deutsche Fachjournalisten-Verband (DFJV) kritisiert die heutige Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetdaten durch das Bundeskabinett. Der Entwurf sieht unter anderem vor, Telekommunikationsanbieter dazu zu verpflichten, alle elektronischen Verkehrsdaten ihrer Teilnehmer unabhängig von einem konkreten Verdacht für 180 Tage zu speichern. Durch diese Erfassung könnten staatliche Behörden im Bedarfsfall sämtliche elektronischen Kommunikationsdaten von Journalisten auswerten. Einen zuverlässigen Schutz ihrer Informanten könnten Journalisten somit nicht mehr gewährleisten, da Behörden im Zweifelsfall den Informantenschutz aushebeln und auf die gespeicherten Daten zugreifen können. Daher sieht der DFJV in diesem Gesetzentwurf eine eklatante Gefahr für die Pressefreiheit: Mühsam aufgebaute Informantennetzwerke könnten zusammenbrechen.

"Wir können nur hoffen, dass dieses Vorhaben doch noch auf juristischem oder politischem Wege gestoppt werden kann. Die angeblich zu erwartenden Erfolge in der Verbrechensbekämpfung stehen in keinem Verhältnis zu den Konsequenzen für die Pressefreiheit in Deutschland", so Thomas Dreesen, Vorstandssprecher des DFJV. "Wir fordern die Regierung auf, die Rechte von Journalisten endlich wieder zu stärken und nicht ständig zu versuchen, diese weiter zu schwächen", so Dreesen weiter.

Weitere Meldungen zum Thema Vorratsdatenspeicherung