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Editorial: Unklare Gesetzeslage begünstigt Telefonbetrüger

Nur wenige Kunden klagen wegen ein paar Euro
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Gesetzgeberisch könnte man eine Menge gegen Telefonspam machen: Das beginnt damit, dass man auch hier der Bundesnetzagentur die Kompetenzen einräumt, Rufnummern und/oder Anschlüsse fragwürdiger Call-Center abzuschalten. Freilich helfen die genannten Maßnahmen wenig bis gar nicht gegen Spam-Anrufe aus dem Ausland.

Und so dürfte die wichtigste Maßnahme sein, Verbraucher vor Verträgen zu schützen, die sie am Telefon unter Druck geschlossen haben. Zu deren Schutz gibt es ja insbesondere das bekannte gesetzliche Widerrufsrecht, welches ab Zugang der Widerrufsbelehrung mindestens für 14 Tage lang ausgeübt werden kann. Doch lässt sich das Widerrufsrecht allzu leicht aushebeln, insbesondere, wenn im angeblichen oder tatsächlichen Auftrag des Verbrauchers umgehend mit der Erbringung der Dienstleistung begonnen wird. Bei einem Lotto-Vertrag kann das die umgehende Abgabe einer Tipp-Serie sein, bei einem Telefon-Anschluss die Durchführung der (weitgehend automatisierten) Planungen zur Schaltung. In beiden Fällen bekommt der Kunde den Beginn der Umsetzung und folglich den von den Anbietern behaupteten Verlust des Widerrufsrechts gar nicht mit.

"Sofortige Ausführung" nur per separatem Auftrag

Hier würde eine einfache gesetzliche Änderung helfen: Der "sofortige Beginn der Ausführung" sollte an einen zweiten Auftrag des Kunden gekoppelt werden, den dieser erst nach Empfang des kompletten Vertrags einschließlich der AGB und der Widerrufsbelehrung in Schriftform (E-Mail, PDF-Download, Fax, Brief etc.) erteilen kann. Zudem muss dieser Sofort-Ausführen-Auftrag so ausgeführt sein, dass er nur nach Öffnung des Vertragswerkes erteilt werden kann. So kann dem Vertragswerk ein Fax-Formular (ausdrucken, unterschreiben, zurücksenden) beigefügt sein, oder ein spezieller Code angegeben sein, der vom Kunden per Hotline oder Web-Formular an den Anbieter zu übermitteln ist. Klar muss bei diesem Sofort-Ausführen-Auftrag erläutert sein, dass der Kunde diesen freiwillig erteilt, und dass er sich im Gegenzug zur schnellen Auftragsausführung um sein gesetzliches Widerrufsrecht bringt.

Zudem ist zu fordern, dass bei Dienstleistungen, die keine hohen Vorab-Kosten verursachen, der Kunde auch nach Beginn der Auftragsausführung noch während der üblichen Fristen widerrufen kann, natürlich unter Ersatz der bis dahin angefallenen und dem Verbraucher zurechenbaren Kosten. Bei einem SIM-Kartenvertrag wären das etwa das anteilige Monatsentgelt, das Freischaltentgelt (auch, wenn das im Rahmen eines 24-Monats-Vertrags erlassen worden wäre), die Handysubvention (es sei denn, das Endgerät wird ebenfalls mit zurückgegeben) und natürlich die durchgeführten Gespräche und Datenverbindungen. Diese Kostenerstattung ist bei dem Betrag zu deckeln, der ohne Widerruf bei regulärer Vertragsausführung maximal zu zahlen gewesen wäre.

Die beiden vorgenannten Regelungen ("sofortige Ausführung" nur per separatem Auftrag, sowie die Einzelabrechnungen von bis zum Widerruf erbrachten Dienstleistungen) würden keinen großen Eingriff in bestehende Gesetze bedeuten. Und selbst nach diesen Änderungen wäre die Dienstleistungsbranche beim Fernabsatz immer noch gegenüber dem Versandhandel bevorzugt, dem im Fall des Widerrufs auf nicht unerheblichen Kosten sitzen bleibt, etwa den Rücksendekosten (bei ausreichend hohem Bestellwert), den Kosten für die Prüfung der zurückgesendeten Ware und (bei Elektronik, Mode etc.) den Wertverlust aufgrund Zeitfortschritts.

Rückabwicklungsfrist bei Service-Nummern

Den Betrug mit 0900- und anderen Service-Nummern sollte eine gesetzlich vorgeschriebene Inkasso-Verzögerung von zwei bis vier Wochen unterbinden helfen. Während dieser Zeit dürfen nur vorläufige Inkassierungen vorgenommen werden, etwa bei Prepaid-Guthaben der Abzug vom Kontostand, damit Kunden nicht ins Minus telefonieren. Wird aber während dieses Zeitraums festgestellt, dass eine Service-Nummer illegal benutzt wurde und ein entsprechendes Abrechnungs- und Inkasso-Verbot von der Bundesnetzagentur verhängt, dann müssen diese vorläufigen Abbuchungen samt und sonders rückabgewickelt werden.

Ein ähnliches Verfahren stellt die 6-wöchige Frist dar, mit der Kunden unberechtigten Abbuchungen von ihrem Konto widersprechen können, und das sogar ohne Angabe von Gründen. Die oben genannte Gesetzesänderung wäre für die Netzbetreiber dank kürzerer Frist (der Vorschlag lautet auf zwei bis vier Wochen) und zentraler Rückabwicklungsanordnung durch die Bundesnetzagentur (und entsprechend weniger zu erwartenden Rückabwicklungsfällen) viel weniger einschneidend, als die bekannte Abbuchungs-Rückabwicklungs-Frist für die Banken.

Jetzt ist aber erstmal das Bundesjustizministerium unter Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der Pflicht, einen geeigneten Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Denn, dass das Problem existiert, ist nach einer umfangreichen Befragung dort aktenkundig.

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