Themenspezial: Verbraucher & Service Beschluss

"Drücken Sie 1 und 9": Gericht verbietet Abofalle im Festnetz

Wer die Festnetz­nummer eines Abo-Services anrief, sollte nach Drücken der Tasten 1 und 9 exklu­sive und teure Dienste nutzen können - wöchent­lich abge­rechnet über die Telefon-Rech­nung. Doch das wurde verboten.
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Die Gefahr von Abofallen beim Mobil­funk-Vertrag ist vielen Handy-Kunden bewusst: Viele haben dagegen bei ihrem Provider eine Dritt­anbie­ter­sperre setzen lassen. Weniger bekannt war aller­dings bislang, dass Abofallen auch im Fest­netz drohen können.

teltarif.de hat die Masche mit den "Tasten­druck­modellen" bereits ausführ­lich in einem Artikel erklärt und davor gewarnt. Die Bundes­netz­agentur erlässt nach Bekannt­werden dann meist Rech­nungs­legungs- und Inkas­sie­rungs­ver­bote gegen die Betrüger, um die Masche finan­ziell "auszu­trocknen". Doch einer der Betreiber hat sich dagegen vor Gericht gewehrt - erfolglos.

So funk­tio­nierte die Masche

Abofalle im Festnetz gerichtlich verboten Abofalle im Festnetz gerichtlich verboten
Bild: picture alliance / dpa
Die Kanzlei Dr. Bahr berichtet über einen Beschluss des Ober­ver­wal­tungs­gerichts NRW vom Januar, der erst jetzt bekannt wurde. Darin wird fest­gesetzt, dass die Beschwerde eines Dritt­anbie­ters gegen den Beschluss des Verwal­tungs­gerichts Köln vom 21. Januar 2022 zurück­gewiesen wird. Und der jetzige Beschluss ist unan­fechtbar.

Der Dritt­anbieter bot laut dem Beschluss ein Abon­nement an, das zur Bestel­lung eines monat­lich erschei­nenden Ratge­ber­maga­zins, verschie­dener Ratge­ber­bro­schüren sowie zur begrenzt kosten­losen Inan­spruch­nahme tele­foni­scher Bera­tungs- und Auskunfts­dienst­leis­tungen berech­tigen sollte. Dafür nutzte das Unter­nehmen eine "geogra­fische Rufnummer", also eine regu­läre Festnetz­nummer.

Bei einem Test­anruf durch einen Mitar­beiter der Bundes­netz­agentur im Oktober 2020 habe sich nach einer Band­ansage eine Mitar­bei­terin gemeldet und Inhalt und Moda­litäten des Abon­nements erläu­tert. Das Gespräch habe mit folgender Band­ansage geendet: "Die ersten vier Wochen für die Teil­nahme am XY Service sind gratis. Danach betragen die Kosten alle sieben Tage nur 3,49 Euro. Die Kündi­gung ist jeder­zeit möglich. Bitte bestä­tigen Sie die Teil­nahme und drücken Sie die Tasten 1 und 9 nach­ein­ander auf Ihrem Telefon."

Bei entspre­chendem Tasten­druck sei das Abon­nement abge­schlossen worden. Die für das Abon­nement entste­henden Kosten seien über die Tele­fon­rech­nung unter der Bezeich­nung "Grund­gebühr Info­ser­vice" abge­rechnet worden.

Das beinhal­tete der "Service"

Kunden hätten nach der Bestel­lung dann ein "Begrü­ßungs­schreiben" erhalten sowie eine Ausgabe des Service-Maga­zins und eine Ratge­ber­bro­schüre. In dem "Begrü­ßungs­schreiben" seien die Bestand­teile des Abon­nements noch­mals aufge­führt gewesen: Auf Wunsch monat­liches Service Magazin; auf Wunsch monat­liche Ratge­ber­bro­schüre oder alter­nativ während der Coro­nakrise eine Atem­schutz­maske; 10 Euro monat­liches Tele­fon­gut­haben für Anrufe aus und in alle Tele­fon­netze; 10 Frei­minuten monat­lich für eine Anwalts­hot­line zur Klärung recht­licher Fragen; 10 Frei­minuten monat­lich für einen Recherche-Auskunfts­dienst; 10 Frei­minuten monat­lich für eine indi­vidu­elle Lebens­bera­tung; Anzeigen- und Vermitt­lungs­ser­vice für die Suche von Lebens- oder Frei­zeit­part­nern und eine "Gratis-Reise" nach 12 Wochen Mitglied­schaft). Auch der Preis und Kündi­gungs­mög­lich­keiten seien genannt worden.

Mit einem Bescheid vom 1. September 2021 ist das Unter­nehmen dann dazu aufge­for­dert worden, binnen 18 Stunden ab Zugang des Bescheids keine Rech­nungs­legung für das Produkt mehr vorzu­nehmen oder durch einen anderen vornehmen zu lassen. Bei Verstoß wurde ein Zwangs­geld in Höhe von 10.000 Euro ange­droht.

Die Begrün­dung der Bundes­netz­agentur

Die Bundes­netz­agentur konnte für ihr Verbot des Dienstes im Verfahren eine einfache Begrün­dung vorbringen: Das Geschäfts­modell des Unter­neh­mens verstieß gegen den Nummern­plan für Orts­netz­ruf­num­mern, weil die Anwahl der von ihr verwen­deten Orts­netz­ruf­nummer entgegen einer Verfü­gung der Bundes­netz­agentur über die Struktur und Ausge­stal­tung des Nummern­bereichs für Orts­netz­ruf­num­mern "zu einem Vertrags­schluss über zusätz­lich zur Verbin­dungs­leis­tung kosten­pflichtig erbrachte weitere Dienst­leis­tungen" führt.

Das heißt auf Deutsch: Über eine Festnetz­nummer dürfen keine kosten­pflich­tigen Servi­cedienste ange­boten werden, dafür gibt es sepa­rate Vorwahl­bereiche. Außerdem wurden gegen die Vorgaben zur Preis­trans­parenz und auch gegen das Wett­bewerbs­recht verstoßen. Für Abon­nements gibt es nämlich eine verpflich­tende Preis­ansage - und die ist bei einem Tele­fonat zu einer Orts­netz­ruf­nummer nicht vorge­sehen. Durch die Bewer­bung des Abos mit einer Festnetz­nummer konnte der Eindruck entstehen, dass das Angebot kostenlos ist oder ledig­lich den Preis der Anwahl der Fest­netz­ruf­nummer kostet, was nicht der Fall war.

Das Unter­nehmen hatte zwischen­zeit­lich dann zwar noch versucht, den Dienst über eine 0900-Nummer anzu­bieten, doch auch hier lag ein Verstoß gegen das TKG vor. Denn die Preis­gestal­tung des Abos über­schritt die Vorgaben zur Preis­grenze bei 0900-Nummern dras­tisch. Schon nach 18 Wochen waren die Kosten für das von der Firma in Rech­nung gestellte Abon­nement bereits doppelt so hoch wie die gesetz­liche Preis­höchst­grenze. Laut dem Gerichts­beschluss sollte auch für die Zukunft ein entspre­chendes Geschäfts­modell unter­bunden werden.

Auch zum Handy- oder VoIP-Tarif kann der Nutzer eine Festnetz­nummer schalten lassen. Mit der passenden Lösung ist er so überall zu Fest­netz-Kondi­tionen erreichbar. In einem sepa­raten Ratgeber lesen Sie mehr zu Rufnum­mern mit Orts­vor­wahl.

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