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Editorial: Wie weit traut sich die Bundesnetzagentur dieses Mal?

Drastische Senkung der Mobilfunk-IC-Entgelte würde dem Markt helfen
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Es ist die Dauerforderung nicht nur von teltarif.de, sondern auch von anderen Marktbeobachtern: Senkt die Mobilfunk-Terminierungsentgelte deutlich. Nachdem die aktuelle Entgeltgenehmigung durch die Bundesnetzagentur Ende November ausläuft, stellt sich die Frage, wie die nächste Festsetzung aussehen wird. Denn je niedriger die Interconnection-Entgelte (IC-Entgelte) sind, desto geringere Kosten entstehen dem Netzbetreiber des anrufenden Kunden bei Telefonaten in ein deutsches Mobilfunknetz.

Dass die Budesnetzagentur die IC-Entgelte weiter senken wird, ist sehr wahrscheinlich. Denn in den letzten Jahren haben viele Faktoren die Kosten der Netzbetreiber sinken lassen: Verstärkte Nutzung und dadurch höhere Auslastung der Mobilnetze, sinkende Kosten und steigende Kapazitäten von Basisstationen und geringere Subventionen für Neukunden.

Die Frage ist aber, ob die Bundesnetzagentur ihrem bisherigen Absenkungspfad treu bleibt, und die Entgelte abermals um etwa ein Prozent pro Monat der Laufzeit der Entgeltgenehmigung senken wird, oder, ob sie sich einen deutlich größeren Schritt traut. Bei einer Wiederholung des letzten Preisschritts (16 Prozent für die "D"-Netze, 19 Prozent für die "E"-Netze) ergäben sich die neuen Preise zu 5,54 bzw. 5,78 Cent netto pro Minute. Ein größerer Schritt wäre hingegen deie Senkung auf 5, 4 oder gar nur 3 Cent pro Minute.

Internationaler Vergleich

Vorbilder für einen deutlichen Schritt gibt es sogar in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. So hat die RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH) in Österreich am 15.06.2009 eine deutliche Senkung auf 4,5 Cent pro Minute und darüber hinaus in dichter Folge zahlreiche weitere Senkungen um jeweils etwa 0,5 Cent pro Minute angeordnet. Zum 01.07.2009 wurde auf 4,0 Cent pro Minute reduziert. Und ab 01.06.2011 dürfen gar mehr nur 2,01 Cent pro Minute verlangt werden!

In der Schweiz einigten sich diese Woche die drei Netzbetreiber - wohl auf milden Druck der ComCom aber formal ohne Regulierungsanordnung - auf eine drastische Senkung. Der führende Anbieter Swisscom reduziert ab 1. Oktober die Entgelte für die Durchstellung von Mobiltelefonaten in sein Netz von 14 auf 8 Rappen (entsprechend 6,2 Cent) pro Minute. Am 1. Januar 2011 sinken die Gebühren weiter auf 7 Rappen (entsprechend 5,4 Cent) pro Minute. Binnen weniger Monate halbieren sich die IC-Entgelte also glatt! Da die Schweiz ein höheres Lohniveau hat als Deutschland und auch der Netzaufbau durch die vielen Berge und sehr strenge Immisionsgrenzwerte nicht gerade vereinfacht wird, ergibt sich hieraus im Ländervergleich ein IC-Entgelt von deutlich unter 5 Cent pro Minute für Deutschland.

Aber auch das nationale Preisniveau für Mobilfunkgespräche bietet Anlass zur Reduktion der IC-Entgelte. In allen Netzen haben sich Prepaid-Discounter fest etabliert, die nationale Telefonate für 8 bis 9 Cent pro Minute anbieten. Nachdem die IC-Entgelte nur die Kosten für eine der zwei für ein Handy-zu-Handy-Telefonat benötigten Luftschnittstellen enthalten, sollten die IC-Entgelte höchstens die Hälfte des entsprechenden Endkundentarifs betragen. Zudem sollte die Mehrwertsteuer abgezogen werden. Die Vertriebsprovision der Preipaid-Aufladekarten wird hingegen gegen den Taktungsunterschied (meist 60/60 bei den zitierten Preipaid-Tarifen; 1/1 beim Interconnect) aufgerechnet. Aus dem Endkundenpreis von 8 bis 9 Cent pro Minute ergibt sich somit ein Interconnect-Entgelt von 3,36 bis 3,78 Cent pro Minute.

Harter Schritt zahlt sich mittelfristig aus

Für die Netzbetreiber wäre eine Reduktion auf 3 Cent pro Minute natürlich erstmal eine harte Nuss, die nicht unerhebliche Einnahmeausfälle bedeutet. Mittelfristig werden aber dadurch Anrufe zu Handys aus dem Festnetz wieder billiger werden. Entweder, weil die Festnetz-Anbieter den Kostenvorteil direkt weitergeben. Oder weil die Kunden wieder verstärkt Alternativanbieter (Callthrough oder VoIP) nutzen. Dadurch steigt aber die Attraktivität des Handys. Und weniger Kunden werden den Festnetz-Anschluss alleine deswegen behalten, um günstig erreichbar zu sein.

Im Verhältnis zwischen den Festnetz- und Mobilfunkanbietern beendet zudem eine drastische Senkung der mobilen IC-Entgelte die derzeitige Schieflage, bei der die Fest- die Mobilnetze subventionieren. Denn der Festnetz-Interconnect liegt schon seit über einem Jahrzehnt in der günstigsten Tarifzone bei unter einem Cent pro Minute.

Auch für den Wettbewerb unter den Mobilfunknetzen bedeuten deutlich niedrigere IC-Entgelte einen Vorteil: Anbieter können weniger darauf setzen, einfach SIM-Karten zu verteilen und darauf zu hoffen, dass deren Nutzer schon ausreichend oft angerufen werden. Vielmehr sind die Mobilfunk-Anbieter wieder stärker gezwungen, wirklich zahlende Kunden zu akquirieren.

Letzteres ist zugleich eine schlechte Nachricht für die Kunden: Ein stark sinkender Interconnect könnte bedeuten, dass die Prepaid-Anbieter die gesenkten Kosten nicht anteilig an die Kunden weitergeben. Denn zugleich sinken ja auch die Einnahmen durch Telefonate aus Fremdnetzen!

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