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Editorial: Lobbyarbeit gegen den Milliardenpoker

Mobilfunker wollen möglichst viel Bandbreite möglichst billig
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Das mobile Internet boomt: Regelmäßig melden die Mobilfunkanbieter, dass der Traffic sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum vervielfacht hat. Und so ist der Zeitpunkt absehbar, an dem die derzeitige UMTS-Bandbreite (in Deutschland je 2 x 10 MHz pro Anbieter) trotz aller Technik-Verbesserungen (insbesondere HSPA und HSPA+) nicht mehr ausreichen wird.

Diesbezüglich ist positiv, dass schon bald eine Auktion zusätzlicher Frequenzbänder ansteht. Fast 360 MHz sind ausgeschrieben, ein Vielfaches der derzeit für UMTS eingesetzten 80 MHz. Trotzdem gibt es Streit: Im besonders attraktiven 800-MHz-Frequenzbereich der digitalen Dividende stehen nämlich lediglich 2 x 30 MHz zur Verfügung. In diesem Frequenzbereich lassen sich viel leichter flächendeckende Netze aufbauen als mit den anderen auktionierten Bändern, die bei 1800 MHz und höher liegen.

Und so droht ein erbitterter Preiskampf um die digitale Dividende. Nach den vorgeschlagenen Auktionsregeln kann ein einzelner Bieter bis zu 2 x 20 MHz im 800-MHz-Bereich erwerben, was zwei Dritteln des Gesamtangebots von 2 x 30 MHz entspricht. Zum Vergleich: Bei der UMTS-Auktion waren die Gebote auf 2 x 15 MHz beschränkt, obwohl mit 2 x 60 MHz deutlich mehr Bandbreite zur Verfügung stand. Dennoch steigerten sich die nach dem Ausstieg von Debitel verbliebenen sechs Interessenten damals gegenseitig bis auf fast 50 Milliarden Euro hoch, bevor sich jeder mit 2 x 10 MHz zufrieden gab.

Wer darf für wie viel bieten?

Insbesondere E-Plus und o2 fordern nun eine Änderung der Auktionsregeln, die einen solchen Milliardenpoker verhindert (wir berichteten). Offensichtlich stoßen sie damit bei der EU-Kommission auf ein offenes Ohr. Der Grundsatz der Argumentation: Im ähnlich gut geeigneten 900-MHz-Frequenzband ("D-Netz") verfügen T-Mobile und Vodafone über deutlich höhere Bandbreiten als die beiden später hinzu gekommenen Anbieter. Folglich sollten die Bietrechte der bei 900 MHz gut ausgestatteten Anbieter bei 800 MHz limitiert werden.

Dabei sieht der Entwurf der Bundesnetzagentur bereits ein solches Limit vor: Die "D-Netze" dürfen jeweils maximal 2 x 10 MHz erwerben, die E-Netze maximal 2 x 15 MHz. Nur Neueinsteiger dürfen mit 2 x 20 MHz ins Volle gehen. Doch trotz Limitierung ist es einigermaßen wahrscheinlich, dass sich die umsatz- und finanzstärkeren D-Netze zusammen zwei Drittel der digitalen Dividende sichern und damit die technische Benachteiligung der "E-Netze", im Schnitt mit höheren, weniger weit reichenden Frequenzen arbeiten zu müssen, weiter verfestigen.

Eine mögliche Lösung wäre, die Limits auf 2 x 5 MHz für "D-Netze" bzw. 2 x 10 MHz für "E-Netze" festzusetzen. Dann würden die zur Verfügung stehenden 2 x 30 MHz genau für die bestehenden vier Netzbetreiber ausreichen. Bietet kein Neueinsteiger mit, dann geht die digitale Dividende zum Minimalpreis weg. Das ist zwar geldbeutelschonend für die Mobilfunker, aber entspricht keineswegs dem wirtschaftlichen Wert.

Alternative Refarming

Eine weitere Lösung wäre, das immer wieder geforderte Refarming der GSM-Frequenzen durchzuführen, also alle vergebenene Frequenzbänder im 900-MHz-Bereich und 1800-MHz-Bereich einzusammeln und dann neu zu verteilen, wobei alle Anbieter gleich viel erhalten. Da die aktuellen Lizenzen 2016 auslaufen, wäre das ein guter Zeitpunkt dafür.

Andererseits stellt sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die kleineren Anbieter so ein Refarming fordern: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" sagt der Volksmund. Wer zuerst das wirtschaftliche Risiko einer Investition in einen neuen Markt (wie vor gut einem Jahrzehnt GSM) auf sich nimmt, kann davon manchmal auf lange Sicht profitieren. Im Einzelhandel kommt ja auch niemand auf die Idee, eine Neuverteilung aller Ladenflächen zu verlangen, nur, weil einige eine bessere Lage haben als andere.

Zudem stellt sich die Frage, warum ein Refarming sich auf genau vier Anbieter beschränken soll, und nicht auf fünf, sechs oder gar 16? Denn ein Neueinsteiger, der sich bei der kommenden Auktion ein GSM- oder UMTS-Paket sichert, kann mit demselben Recht auf einen Ausgleich seiner Nachteile gegenüber allen etablierten Anbietern pochen, wie aktuell die "E-Netze" gegenüber den "D-Netzen".

Auch GSM mitauktionieren!?

Von daher gibt es nur eine wirklich faire Lösung: Der Regulierer sammelt die 2016 auslaufenden GSM-Lizenzen ein und versteigert diese gleich mit. In Summe darf ein Anbieter maximal 2 x 20 MHz in den Bereichen um 800 bzw. 900 MHz erwerben. Da insgesamt 2 x 65 MHz bereitstehen, bleiben für den kleinsten Anbieter immer noch 2 x 5 MHz, sollten sich die anderen drei jeweils das Maximum von 2 x 20 MHz sichern.

Da in einer solchen Megaauktion inklusive GSM-1800 weit über 500 MHz Bandbreite zur Verfügung stehen, muss auch nicht befürchtet werden, dass es zur allgemeinen Preistreiberei kommt oder Interessenten gar ganz leer ausgehen. Natürlich werden die vorteilhaften, aber raren, niedrigen Frequenzen deutlich teurer werden als die hohen. Doch gleicht das zumindest teilweise die höheren Netzaufbaukosten aus, die die Anbieter mit höheren Frequenzen haben.

Es spricht nichts dagegen, dass die Anbieter am Schluss verschiedene Strategien verfolgen: Wer sich 2 x 20 MHz im niedrigen Frequenzbereich sichern kann, kann damit hervorragend ein überregionales Netz zur Grundversorgung mit mobilem breitbandigen Internet aufbauen. Wer, womöglich zum selben Preis, 2 x 100 MHz in hohen Frequenzbereichen erwirbt, ist damit in verdichteten Innenstadtbereichen allerbestens aufgestellt.

Alle Netze per Frequenz-Regulierung gleich zu machen, behindert den Wettbewerb, denn es zwingt die Anbieter zu gleichlaufenden Investitionen. In einem zunehmend diversifizierenden Mobilfunkmarkt - Sprache, Daten, Dienste - ist das Gift!

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