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Kabel-TV: RTL und die Angst vor Vodafone

Mit dem Wegfall des soge­nannten Neben­kos­ten­pri­vilegs will Voda­fone zahl­reiche soge­nannte "Schwarz­seher" vom Kabel­anschluss abklemmen. RTL fürchtet einen erheb­lichen Zuschau­erver­lust, doch die Schuld liegt nicht beim Netz­betreiber.
Ein Kommentar von Björn König

Foto: Vodafone RTL will die Abschaltung von "Schwarzsehern" im Vodafone-Kabel vermeiden
Foto: Vodafone
Im Rahmen der dies­jäh­rigen ANGACOM war der Wegfall des soge­nannten Neben­kos­ten­pri­vilegs bei Kabel­anschlüssen in Miet­woh­nungen der buch­stäb­liche Elefant im Raum. Direkt Betrof­fene, wie der Netz­betreiber Voda­fone, SES Astra, Zattoo und RTL disku­tierten über konkrete Auswir­kungen für ihr eigenes Geschäft. Doch vor allem die Aussagen von Andre Prahl können nicht verfangen. Der Chief Distri­bution Officer von RTL macht sich Sorgen, dass die Kölner Sender­gruppe viele Zuschauer verliert, wenn Voda­fone soge­nannte "Schwarz­seher" ohne Einzel­nut­zer­ver­trag vom Netz abklemmt.

"Schwarzer Peter" für Voda­fone

Foto: Vodafone RTL will die Abschaltung von "Schwarzsehern" im Vodafone-Kabel vermeiden
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Keine Frage, wenn Voda­fone mit tech­nischen Mitteln gegen Zuschauer vorgeht, die nicht für ihren Kabel­anschluss zahlen, ist das für werbe­finan­zierte TV-Sender zunächst eine unglück­liche Situa­tion. Denn sie finan­zieren sich eben nicht durch Kabel­gebühren, sondern durch Werbe­ein­nahmen. Und um diese Werbe­ein­nahmen ist es schlecht bestellt, wenn insge­samt weniger ehema­lige Kabel­kunden bei Werbung einschalten. Dementspre­chend ist es für RTL zunächst voll­kommen irrele­vant, ob Voda­fone Geld von eben diesen ehema­ligen Kabel­kunden kassiert oder nicht.

Aber unab­hängig davon stellt sich die Frage, warum RTL nun versucht, Voda­fone die Schuld für diese Situa­tion in die Schuhe zu schieben. Denn klar ist auch: Werbe­finan­ziertes Privat­fern­sehen ist in Sachen Zuschau­erzahlen tenden­ziell auf dem Rückzug. Und dieses Problem hat weitaus tiefere Ursa­chen, welche die Sender zu einem nicht uner­heb­lichen Teil selbst verur­sacht haben.

Probleme sind haus­gemacht

Der offen­sicht­lichste Grund, warum RTL einen schweren Stand in den Wohn­zim­mern deut­scher TV-Haus­halte hat, ist und bleibt das Programm. Viel Einheits­ware, prak­tisch keine hoch­wer­tigen Eigen­pro­duk­tionen, wenig Holly­wood. Das Konzept eines Content-Disco­unters setzt RTL gewis­ser­maßen seit Sende­beginn in den 1980er-Jahren konse­quent um. Ein Para­debei­spiel hierfür ist die Endlos-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Beson­ders enttäu­schend ist diese Entwick­lung, da RTL als euro­päi­sche Sender­gruppe im Verbund und gerade auch mit dem Content­port­folio aus dem Verlags­geschäft durchaus viel Poten­zial hätte, mehr hoch­wer­tiges Programm zu liefern.

Aber auch in Sachen Technik sieht es bei den Kölnern nicht besser aus. Seit Jahren serviert man den Zuschauern ein schwam­miges SD-Signal, die HD-Vari­ante gibt es nur gegen Aufpreis. Schlechte Bild­qua­lität bei Sendern, die auf viele Zuschauer und Werbe­kunden ange­wiesen sind? Dies scheint doch eher keine nach­hal­tige Stra­tegie zu sein. Dass Kunden von OTT-Diensten wie waipu.tv für das RTL-Signal im Mobil­funk­netz noch einen zusätz­lichen Aufpreis zahlen müssen, macht die Sache wahr­lich nicht besser.

Gleiche Fehler bei RTL+

Immerhin bietet sich eine Chance, die genannten Fehler im eigenen Strea­ming-Angebot RTL+ nicht zu wieder­holen - sollte man zumin­dest meinen. Doch genau das passiert jetzt: Bei RTL+ gibt es linearen TV-Content wieder nur gegen Aufpreis. Und teil­weise so heftig, dass man selbst über den Preisen der US-Streamer liegt. Disney, Netflix & Co. haben aber inhalt­lich deut­lich bessere Qualität im Reper­toire.

Insge­samt hat man den Eindruck, dass RTL alle Hebel in Bewe­gung setzt, um dem eigenen Kern­geschäft werbe­finan­ziertes Free TV zu schaden. Vor diesem Hinter­grund wirken die Sorgen um immer weniger Zuschauer doch mindes­tens irri­tie­rend. Letzt­end­lich liegt es vor allem in der Hand von RTL selbst, diese Situa­tion grund­legend zu ändern. Voda­fone ist in jedem Falle die letzte Adresse, über die man sich in Köln beschweren sollte.

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