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Editorial: Gefährlicher SIM-Tausch

Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung schießt über's Ziel hinaus
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Angesichts der genannten Gefahren ist es um so kritischer, dass die Tauschbörse noch nicht einmal ihr Ziel, nämlich zuverlässige Anonymität, erreicht: Wenn die Tauschbörse nach dem beschriebenen Prinzip funktioniert - von den Nutzern eingesendete SIM-Karten werden nach dem Zufallsprinzip gemischt und dann wieder an die Nutzer zurückgeschickt - kommt es zwangsläufig zu Zyklen: Nutzer A hat die SIM von Nutzer B, dieser die SIM von C und dieser wiederum von A.

Natürlich können diese Zyklen auch länger sein, um zu verstehen, wie diese die Anonymität brechen, ist aber ein kleiner Zyklus anschaulicher: Begeht A mit seiner von B erhaltenen SIM eine Tat, erhalten die Ermittlungsbehörden durch eine Abfrage die Registrierungsdaten von B, nicht die von A. Doch B hat ja auch eine SIM erhalten, nämlich die von C. Und bei C finden die Ermittlungsbehörden schließlich die Original-SIM und damit auch die Daten von A, dem Täter in diesem Beispiel. Werden wegen einer erheblichen Tat einer der Zyklusmitglieder die Daten aller Mitglieder ermittelt, ist natürlich auch deren Anonymität damit dahin.

Die Zyklen zerbrechen natürlich sofort, wenn komplett anonyme SIMs enthalten sind, die z.B. auf Fantasiedaten registriert wurden. Ebenso verhindern Mehrfachspender die Zyklusbildung, wenn diese trotz mehrerer eingesendeter Karten nur jeweils eine Karte zurück erhalten und die überzähligen SIMs vernichtet werden. Andererseits können zusätzliche, ebenfalls im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung aufgezeichnete Daten, den Ermittlungsbehörden dabei helfen, auch einzelne Lücken in den Zyklen zu überspringen und das Puzzle dennoch zusammenzusetzen. Hierbei ist insbesondere die Zuordnung von IMSI (= Kartennummer) und IMEI (= Handynummer) interessant, wenn Teilnehmer ihre alten Handys weiterbenutzen und/oder SIMs einschicken, die schon einmal in ein Handy eingelegt und eingebucht waren.

Fazit

Somit bleibt festzustellen: Einem geringen Erfolg - nämlich einer allenfalls eingeschränkten Anonymität - stehen hohe Gefahren gegenüber, nämlich die Verwicklung argloser Tauschbörsenteilnehmer in Zivil- und Strafprozesse, wenn die Empfänger die Karten missbrauchen. Und diese Missbrauchsgefahr ist durchaus real, denn schließlich spricht die Tauschbörse ja vor allem Nutzer an, die die Vorratsdatenspeicherung und die damit vorhandene Abfragemöglichkeit durch die Behörden nicht wollen. Je mehr jemand zu verbergen hat, desto eher wird er an so einer Tauschbörse teilnehmen, desto höher aber auch die Gefahr, dass es eben doch zu Datenabfragen und Ermittlungen kommt.

Zwar weist der Arbeitskreis auf seiner Internetseite auch darauf hin, dass man eine neu erworbene und auf einen Fantasienamen registrierte SIM einschicken kann. Er fordert die Teilnehmer aber nicht auf, sich auf jeden Fall auf diesem Weg zu schützen. Vielmehr wiegt er seine Nutzer in der Sicherheit, dass sie im Fall eines Falles nicht wegen Beihilfe belangt werden könnten, und das, obwohl andere Rechtsanwälte widersprechen.

Wenn der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung seine Glaubwürdigkeit behalten will, sollte er diese Form des Vertriebs von anonymen SIM-Karten umgehend beenden, und Interessenten auf andere, weniger gefährliche Wege verweisen. So sind in etlichen Nachbarländern weiterhin SIM-Karten auch ohne Registrierung erhältlich. Deren Nutzung in Deutschland kostet zwar leider hohe Roaminggebühren. Dafür findet hier die Datensammlung dann hauptsächlich im Ausland statt. Entsprechend schwerer werden Anfragen für deutsche Behörden. Auch der Tipp von der Website des Arbeitskreises, bei der Registrierung einer in Deutschland gekauften Karte doch einfach Fantasiedaten anzugeben, ist durchaus sinnvoll.

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