Themenspezial: Verbraucher & Service Berechtigt

Bundesverfassungsgericht: BND-Gesetz verfassungswidrig

Seit 2017 muss sich der Bundes­nach­rich­ten­dienst an verbind­liche Regeln halten, wenn er die welt­weiten Daten­ströme durch­forstet. Jetzt urteilt Karls­ruhe: Diese Vorschriften sind völlig unzu­rei­chend.
Von dpa /

Grundsatzentscheidung zur Arbeit des BND aus Karlsruhe Grundsatzentscheidung zur Arbeit des BND aus Karlsruhe
Bild: dpa
Die anlass­lose Massen­über­wa­chung des Bundes­nach­rich­ten­dienstes (BND) im Ausland verstößt in ihrer jetzigen Ausge­stal­tung gegen Grund­rechte.

Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt gab heute einer Verfas­sungs­be­schwerde der Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­tion Reporter ohne Grenzen und mehrerer auslän­di­scher Jour­na­listen gegen das Ende 2016 refor­mierte BND-Gesetz statt. Es muss nun bis spätes­tens Ende 2021 über­ar­beitet werden. (Az. 1 BvR 2835/17)

Derzei­tige Rege­lung verfas­sungs­widrig

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Die derzei­tige Rege­lung sei aus formalen und inhalt­li­chen Gründen verfas­sungs­widrig, sagte der künf­tige Gerichts­prä­si­dent Stephan Harbarth bei der Verkün­dung. Es sei aber möglich, das Gesetz verfas­sungs­kon­form auszu­ge­stalten. In ihrem Urteil halten die Richter zum ersten Mal fest, dass der deut­sche Staat das Fern­mel­de­ge­heimnis und die Pres­se­frei­heit auch im Ausland wahren muss.

Konkret geht es um die Vorschriften für die soge­nannte stra­te­gi­sche Fern­mel­de­auf­klä­rung im Ausland. Dabei durch­forstet der BND ohne konkreten Verdacht große Daten­ströme auf inter­es­sante Infor­ma­tionen.

Deut­sche Bürger dürfen nicht auf diese Weise über­wacht werden. Der BND versucht deshalb, ihre Kommu­ni­ka­tion vor der inhalt­li­chen Auswer­tung auszu­sor­tieren. Die gewon­nenen Daten werden auch für auslän­di­sche Part­ner­dienste ausge­wertet oder an diese weiter­ge­geben.

Viele Schlupf­lö­cher im Gesetz

Seit Anfang 2017 gibt es im refor­mierten BND-Gesetz dafür zum ersten Mal eine recht­liche Grund­lage. Menschen- und Bürger­rechtler halten diese aber für völlig unzu­rei­chend. Es gebe viele Schlupf­lö­cher, Daten von Deut­schen würden nicht verläss­lich gelöscht. So laufe letzt­lich jeder Gefahr, zu Unrecht ausge­späht zu werden.

Die klagenden Jour­na­listen befürchten, wegen ihrer Arbeit ins Netz der welt­weiten BND-Über­wa­chung zu geraten. Hinter der Verfas­sungs­be­schwerde stehen außerdem die Gesell­schaft für Frei­heits­rechte (GFF) und weitere Medi­en­or­ga­ni­sa­tionen.

Schutz jour­na­lis­ti­scher Kommu­ni­ka­tion gefor­dert

Reporter ohne Grenzen e.V. schrieb in einer ersten Stel­lung­nahme zu dieser Entschei­dung, das Urteil setzte damit "neue Stan­dards im inter­na­tio­nalen Menschen­rechts­schutz und für die Frei­heit der Presse". Chris­tian Mihr, Geschäfts­führer von Reporter ohne Grenzen, kommen­tiert: "Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hat die Bedeu­tung der Pres­se­frei­heit wieder einmal unter­stri­chen. Wir freuen uns, dass Karls­ruhe der ausufernden Über­wa­chungs­praxis des Bundes­nach­rich­ten­dienstes im Ausland einen Riegel vorschiebt."

Die umfas­sende Über­wa­chung durch Nach­rich­ten­dienste könne die Arbeit freier Medien behin­dern, weil Medi­en­schaf­fende und ihre Quellen kaum noch vertrau­lich kommu­ni­zieren können. Das Grund­satz­ur­teil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts sei das erste zur BND-Über­wa­chung seit über 20 Jahren. "Die Bundes­re­gie­rung bekommt mit dem Urteil die Quit­tung für ihre jahre­lange Weige­rung, die digi­tale Massen­über­wa­chung einzu­hegen", sagt Mihr weiter. "Wir fordern, dass bei der nun fälligen Reform der Schutz jour­na­lis­ti­scher Kommu­ni­ka­tion im BND-Gesetz veran­kert wird."

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