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Gutachter: Deutsche Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig

Der Gutachter des Euro­päi­schen Gerichts­hofs hat der in Deutsch­land auf Eis gelegten Vorrats­daten­spei­che­rung einen herben Dämpfer verpasst und die Posi­tion von Bürger­recht­lern gestärkt.
Von mit Material von dpa

Der Gutachter beim EuGH verpasst Vorratsdatenspeicherung einen Dämpfer Der Gutachter beim EuGH verpasst Vorratsdatenspeicherung einen Dämpfer
picture alliance/Thomas Frey/dpa
Ein Gutachter des Euro­päi­schen Gerichts­hofs hat der in Deutsch­land auf Eis gelegten Vorrats­daten­spei­che­rung einen herben Dämpfer verpasst und die Posi­tion von Bürger­recht­lern gestärkt.

Bestehende EuGH-Urteile bekräf­tigt

Der Gutachter beim EuGH verpasst Vorratsdatenspeicherung einen Dämpfer Der Gutachter beim EuGH verpasst Vorratsdatenspeicherung einen Dämpfer
picture alliance/Thomas Frey/dpa
Gene­ral­anwalt Campos Sánchez-Bordona bekräf­tigte in seiner heute veröf­fent­lichten Einschät­zung vorhe­rige EuGH-Urteile, nach denen die allge­meine und unter­schieds­lose Vorrats­daten­spei­che­rung nur bei einer ernsten Bedro­hung für die natio­nale Sicher­heit erlaubt ist.

Poli­tiker: Vorrats­daten­spei­che­rung vs. Vertrau­lich­keit - geset­zes­widrig

Der FDP-Euro­paab­geord­nete Moritz Körner sprach vom "finalen Sarg­nagel für die Vorrats­daten­spei­che­rung" in Deutsch­land. "Die anlass­lose Massen­spei­che­rung der Kommu­nika­tions­daten wird nie mit dem Recht auf Vertrau­lich­keit der elek­tro­nischen Kommu­nika­tion vereinbar sein", sagte Körner.

Sein Kollege im Parla­ment, Bürger­rechtler und Jurist Dr. Patrick Breyer (Pira­ten­partei), der gegen das Gesetz zur Vorrats­daten­spei­che­rung in Karls­ruhe Verfas­sungs­beschwerde erhoben hat, sieht sich vom Gene­ral­anwalt bestä­tigt: "Das Vorrats­daten­gesetz der GroKo ist funda­mental grund­rechts­widrig. Das pauschale Sammeln von Meta­daten aller Menschen macht uns im Grunde genommen nackt im System und verstößt grund­legend gegen EU-Grund­rechte.

Das wahl­lose Anhäufen von sensi­blen Infor­mationen über soziale Kontakte (auch Geschäfts­kon­takte), Bewe­gungen und das Privat­leben (z.B. Kontakte zu Ärzten, Anwälten, Betriebs­räten, Psycho­logen, Bera­tungs­stellen etc.) von Millionen unver­däch­tiger Bürgern ist eine radi­kale Maßnahme der Massen­über­wachung."

Provider wehren sich gegen die Spei­cher­pflicht

Hinter­grund des Gutach­tens ist unter anderem ein Rechts­streit der Bundes­netz­agentur mit dem Inter­net­pro­vider SpaceNet und mit der Telekom, die unter den Akten­zei­chen Rechts­sachen C-793/19 (SpaceNet) und C-794/19 (Telekom Deutsch­land) sowie C-140/20, C-339/20 und C-397/20 laufen.

Die Unter­nehmen wehren sich gegen eine Vorschrift, bestimmte Daten für den Zugriff der Behörden aufzu­bewahren. Das Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz verpflichtet Inter­net­pro­vider und Tele­fon­anbieter dazu, Daten wie IP-Adressen und Rufnum­mern zu erfassen und zu spei­chern. Die Bundes­netz­agentur hatte die deut­sche Rege­lung jedoch 2017 auf Eis gelegt, nachdem das Ober­ver­wal­tungs­gericht Münster entschieden hatte, dass SpaceNet nicht zur Spei­che­rung der Daten verpflichtet werden darf. Das war wenige Tage, bevor die neue Regel eigent­lich in Kraft treten sollte.

Vorrats­daten­spei­che­rung umstritten

Die soge­nannte Vorrats­daten­spei­che­rung ist hoch umstritten: Während Sicher­heits­poli­tiker in ihr ein zentrales Instru­ment im Kampf gegen orga­nisierte Krimi­nalität, Kinder­por­nografie und Terro­rismus sehen, halten Bürger­rechtler und Verbrau­cher­schützer sie für einen unzu­läs­sigen Eingriff in die Privat­sphäre. Die EU-Staaten hielten bei ihrem Gipfel im März hingegen zuletzt fest, dass Straf­ver­fol­gungs- und Justiz­behörden zur Bekämp­fung von schwerer Krimi­nalität die Vorrats­daten­spei­che­rung bräuchten.

EuGH wird deut­lich

Der EuGH wurde in seiner Mittei­lung zum deut­schen Rechts­streit sowie weiteren in Irland und Frank­reich nun unge­wöhn­lich deut­lich: Eigent­lich sei zu erwarten gewesen, dass die Debatte mit einem vorhe­rigen EuGH-Urteil ein Ende gefunden habe. Es sei schließ­lich so, "dass die Antworten auf alle vorge­legten Fragen bereits in der Recht­spre­chung des Gerichts­hofs zu finden seien oder unschwer aus ihr abge­leitet werden könnten".

Mit Blick auf das deut­sche Gesetz betonte der Gene­ral­anwalt, dass die Pflicht zur allge­meinen und unter­schieds­losen Vorrats­spei­che­rung eine große Viel­zahl von Verkehrs- und Stand­ort­daten betreffe. Auch die zeit­liche Begren­zung der Vorrats­daten­spei­che­rung ändere dies nicht, da die Spei­che­rung der Daten grund­sätz­lich selektiv erfolgen müsse.

Mit der allge­meinen Spei­che­rung der Daten sei eine schwere Gefahr verbunden. Der Gene­ral­anwalt erin­nert außerdem daran, dass der Zugang zu den Daten in jedem Fall einen schwer­wie­genden Eingriff in die Grund­rechte auf Fami­lien- und Privat­leben sowie in den Schutz perso­nen­bezo­gener Daten darstelle.

Der EuGH hatte vor dem Hinter­grund anderer Fälle bereits im Oktober vergan­genen Jahres entschieden, dass die Vorrats­daten­spei­che­rung grund­sätz­lich rechts­widrig ist. Doch seien Ausnahmen möglich, wenn es etwa um den konkreten Fall einer Bedro­hung der natio­nalen Sicher­heit gehe. Ähnlich hatte der EuGH schon 2016 geur­teilt.

Das Gutachten von Sánchez-Bordona ist für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig orien­tieren sie sich jedoch daran. Ein klar­stel­lendes Urteil dürfte in einigen Monaten fallen.

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