Ohrfeige

Editorial: Mini-Revanche für Abofallen-Opfer

Marburger Urteil ist nur ein kleiner Nadelstich
Von

Wirtschaftlich ist das Marburger Urteil für die Abofallenbetreiber und deren Anwalt nicht mehr als ein Nadelstich: Ganze 46,41 Euro zuzüglich Zinsen für ein Dreivierteljahr sowie die Anwalts- und Gerichtskosten für dieses Verfahren muss der Mahnanwalt übernehmen. Das ist etwa so viel, wie die Abofallenseite jeweils von den Usern kassiert, die am Ende doch zahlen.

Natürlich könnten auch andere Nutzer, die die Mahnungen erhalten, jeweils auf Rückerstattung ihrer Anwaltskosten klagen. Doch dazu müssten sie überhaupt erstmal einen Anwalt finden, der auf solche Verfahren im zweistelligen Euro-Bereich überhaupt Lust hat. Und dann es gibt keine Garantie dafür, dass ein anderes Gericht oder auch ein anderer Richter am Amtsgericht Marburg, bei den das Verfahren landet, gleichlautend entscheidet. Und selbst, wenn sie gewinnen: Am Schluss sehen die Nutzer von dem Geld keinen Cent, sondern lediglich die Anwälte haben verdient.

Spannender wird es für den Verbraucher bzw. dessen Anwalt möglicherweise, wenn im Mahnschreiben der Abofalle mit einem negativen Schufa-Eintrag gedroht wird. Dieser ist bei Nichtzahlung einer Nichtforderung natürlich unberechtigt. Doch können solche Schufa-Einträge für das Opfer empfindliche Folgen haben bis hin zur Nichtgewährung oder vorzeitigen Fälligstellung eines Immobilienkredits. Für den Betroffenen geht es nun nicht mehr um hundert oder zweihundert Euro Abofallen-Rechnung, sondern um die hunderttausend oder zweihunderttausend Euro, die ein Eigenheim kostet. Entsprechend steigen auch die Anwaltskosten für die Gegen-Abmahnung zur ursprünglichen Abofallen-Mahnung auf das Vielfalsche. Und die Regelungen aus § 824 BGB (Kreditgefährdung) begünstigen den mit falschen Schufa-Eintrag bedrohten Verbraucher.

Wieder mal nicht strafbar?

Die dem Abofallen-Anwalt im Urteilstenor vorgeworfene "Beihilfe zu einem versuchten Betrug" hat hingegen keine Auswirkungen, weil sie im Urteil eines Zivilgerichts steht. Wäre es das Urteil eines Strafgerichts in einem Strafprozess, hätte ein versuchter Betrug in zigtausenden Fällen, nämlich allen vom Anwalt verschickten Mahnschreiben, natürlich eine empfindliche Strafe nach sich gezogen. Es ist aber zu befürchten, dass auch hier die Tätigkeit von Abofallen-Betreiber und deren Anwalt in der recht weiten rechtlichen Grauzone liegt, so dass deren Handlungen zwar zivilrechtlich alles andere als koscher sind, aber dennoch nicht strafrechtlich relevant sind.

vorherige Seite:

Weitere Meldungen zu unseriösen Zahlungsaufforderungen

Weitere Editorials