(K)ein Netz: Regionales Roaming ist kein Allheilmittel
Die Netzausbaudiskussion hat die Politik voll erreicht. Am liebsten sollte die geplante Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft gleich morgen früh überall Sendeantennen aufstellen. Experten melden sich zu Wort, die genau wissen, woran es liegt oder es glauben zu wissen.
Anke Domscheit-Berg, Mitglied des Bundestages und Digital-Expertin, hat im ZDF-Heute Journal das Thema "Regionales Roaming" erneut ins Gespräch gebracht.
Regionales Roaming - wie könnte das gehen?
Regionales Roaming bedeutet: Die Netze schalten sich direkt zusammen, um Kunden konkurrierender deutscher Netze Zugang zu gewähren. Das hat es in Deutschland schon gegeben, das "D1-Roaming" von o2 erlaubte es, in bestimmten Regionen (die später immer kleiner wurden) als o2-Kunde auch das D1-Netz der Telekom zu verwenden. Bei laufenden Verbindungen wurde sogar von o2 auf D1 umgeschaltet, wenn das o2-Netz nicht mehr verfügbar war. Mit etwas Vorlauf wäre eine Wiederaufnahme dieses Roamings technisch durchaus denkbar.
Bedenken gegen regionales Roaming
Große Anbieter, wie die Telekom stehen dem regionalen oder gar nationalen Roaming skeptisch gegenüber, weil ihr nachweisbar besserer Netzausbau, der sich oft in höheren Tarifen/Preisen widerspiegelt, dann auch den Kunden mit wesentlich günstigeren Tarifen automatisch zugutekommen würde. Die Folge: Vielzahler würden schnell den Anbieter wechseln. Besserer Netzausbau würde sich nicht mehr lohnen.
Im Ausland üblich: Netzauswahl beim Roaming. In Deutschland brächte es nur bedingt Vorteile: Regionales oder Nationales Roaming
Bild: Picture Alliance / dpa
Eine mögliche Lösung könnte eine explizite "Roaming-Option" sein, die der Kunde im anderen Netz ganz bewusst und gezielt buchen und dann auch bezahlen müsste. Beispielsweise kostet ein Tarif 20 Euro im Monat (ohne nationales/regionales Roaming) oder 30 Euro inklusive regionalem Roaming. Diese Option wäre mit gewissen Fristen kündbar. Das eingenommene Geld würde dem Netzbetreiber zukommen, der vor Ort wirklich gebaut hat. Nur: Diese Option gibt es derzeit nicht.
Und eine Roaming-SIM-Karte?
Wer optimales Netz will, müsste eine SIM-Karte haben, die "überall" also am besten in allen drei deutschen Netzen roamen kann. Beispielsweise aus dem Ausland. Auch das ist kein Allheilmittel. Der GSM-Standard (auf dem auch 3G und 4G beruhen) sieht im Roaming-Fall kein automatisches Handover zwischen verschiedenen (konkurrierenden) Netz-Anbietern vor. Das bedeutet, wenn das Handy mit einer roamingfähigen Karte in ein Netz X erwischt hat, bleibt es solange dort, bis das gewählte Netz X wirklich nicht mehr da ist. Während einer laufenden Verbindung bleibt das Handy erst Recht im Netz X und wechselt nicht während der laufenden Verbindung zum Netz Y.
Praktisch ausprobiert: Mit Swisscom-Vertrag in Deutschland
Wir haben das "nationale Roaming" mit einer Laufzeitvertrags-Karte des Schweizer Netzbetreibers Swisscom ausprobiert. Diese Karte kann sich in alle drei deutschen Netze einbuchen. Swisscom ist mit Vodafone "befreundet", das Gerät buchte sich also in Deutschland erstmalig bei Vodafone ein. An Testort steht Vodafone nur mit 2G zur Verfügung. Ein Ausbau mit 3G oder 4G ist "dort vorerst nicht geplant". o2 versorgt ebenfalls mit 2G und punktuell auch mit (schwachem) 4G. Telekom liefert 2G, 3G und 4G.
Mit der Zeit passierte folgendes: Das Gerät wechselte selbstständig im Ruhezustand auf Telekom, zunächst nur 2G, dann 3G und nach einem Tag sogar nach 4G. Obwohl wir mit der Swisscom-Karte kreuz und quer durch (Süd-)Deutschland gefahren sind, und überwiegend in dünn besiedelten - gleich schlecht versorgten - Gegenden blieb das Gerät auf Dauer überwiegend bei der Telekom eingebucht. Wurde das Gerät zwischendurch manuell in ein andere Netz (Vodafone oder o2) "gezwungen", schaltete die Automatik bald wieder zu Telekom zurück.
Wenn am eigenen Aufenthaltsort längerfristig kein Netz der Telekom zu empfangen war, hat das Gerät gewechselt, mal zu Vodafone mal zu o2. Ob das Handy im Hintergrund eine Art Netzqualitätsanalyse gemacht hat und sich die Ergebnisse "merkt", wissen wir nicht.
Ausländische Vertragskarten schwer erhältlich, Prepaid teurer
Laufzeitvertragskarten, wie die von Swisscom, können in der Schweiz nur mit einer Schweizer Aufenthaltsbewilligung erworben werden. Alternativ könnte man eine Laufzeit-Karte des Schweizers Anbieters Sunrise verwenden, der seine Laufzeit-Verträge offenbar auch an deutsche Staatsbürger ohne Wohnsitz in der Schweiz verkauft, wenn sie die monatliche Rechnung mit Kreditkarte bezahlen. Die Preise sind inzwischen sogar in bezahlbaren Regionen angekommen.
Prepaid wäre bei Swisscom, Sunrise oder Salt überhaupt kein Problem: Sie muss nur in einem Schweizer Shop gekauft und registriert werden.
Österreich wäre eine Alternative, da dort deutsch gesprochen wird. Wer in Frankreich, Belgien, Niederlande, Dänemark oder Polen bzw. Tschechien eine Karte kaufen möchte, sollte die Landessprache gut beherrschen.
Ausländische Karte: eine Alternative?
Zu beachten ist, dass man nur über eine ausländische Mobilfunkrufnummer unterwegs erreichbar ist. Anrufe dorthin kosten nach der aktuellen EU-Regulierung immer noch wesentlich mehr als zu einer deutschen Mobilfunkrufnummer. Flatrates gelten oft nicht.
Ausländische Karten sind kein Allheilmittel, denn wo gar kein Netz ist, ist dadurch auch weiterhin kein Netz.
Zweitbeste Lösung: Dual-SIM
Eine praktikable Lösung ist die Verwendung eines Dual-SIM-Telefons, wo zwei SIM-Karten eingelegt werden können. Damit die Wahrscheinlichkeit auch in wichtigen Situationen irgendein Netz zu haben schon deutlich besser. Die "Zweitkarte" könnte ein günstiges Angebot sein, das bei Nichtnutzung möglichst wenig Kosten verursacht.