Ericsson: Wir haben in Europa Nachholbedarf auf 3600 MHz
Am Rande des Mobile World Congress hatte teltarif.de Gelegenheit, den neuen "Head of Customer Unit Western Europe" des Netzwerkausrüsters Ericsson kennen zu lernen. Er heißt Daniel Leimbach, ist 43 Jahre jung und seit März 2023 für das Ericsson-Geschäft in Deutschland, in den Niederlanden, der Schweiz und in Liechtenstein verantwortlich.
Master of Business mit Faible für Technik
Leimbach hat einen finanziellen Hintergrund: Er schloss einen Master of Business Administration (MBA) an der University of Oxford ab, besitzt den Titel des Diplom-Betriebswirt (BA) und einen Bachelor der Open University of London.
Daniel Leimbach, Head of Customer Unit Western-Europa sieht in Europa bei vielen Netzen auf 3.600 MHz noch gewaltigen Nachholbedarf für 5G.
Foto: Ericsson
Der kaufmännische Experte betont im Gespräch, Technik habe ihn immer sehr interessiert. Und er kennt die technischen Details der Produkte, die sein Unternehmen im Angebot hat.
Ericsson ist breit aufgestellt
Das sind z.B. Antennen (Ericsson hatte den legendären Antennenhersteller Kathrein übernommen), Richtfunksysteme (Ericsson hat den "Erfinder" der Funktechnik, die Firma Marconi übernommen) und Sendestationen (Radio), Kern-Rechenzentren (Core) und alles was dazu gehört. Beispielsweise das IMS-System (IP Multimedia Subsystem), das einen standardisierten Zugriff auf Dienste aus unterschiedlichen Netzwerken ermöglicht, wo Kunden verschiedene Dienste nutzen und diese steuern können. Etwa das Setzen oder Löschen einer Rufumleitung oder das Übertragen von SMS- oder RCS-Nachrichten und vieles mehr.
Ericsson liefert nicht nur die Komponenten für Mobilfunknetze, sondern designed und projektiert auf Wunsch auch diese Netze vom Reißbrett bis zum Sendestart, auf Wunsch kann Ericsson auch den laufenden Netzbetrieb - je nach Kundenwunsch - organisieren.
Ericsson im Mobilfunk und Festnetz aktiv
Ericsson ist auch seit Jahren im Festnetz-Bereich aktiv. Firmengründer L. M. Ericsson stellte seinerzeit in Schweden die ersten Festnetz-Telefone her, zum an die Wand hängen oder später als Tischmodelle. Von Ericsson gab es auch die ersten Autotelefone mit Wählscheibe (!), wobei das schwedische Nummernsystem von 0-9 reichte, im Gegensatz zum internationalen System von 1-0. Bei internationalen Verbindungen mussten die Nummern dann "übersetzt" werden, um Verwähler zu vermeiden. Lange Zeit galt die 9 in skandinavischen Ländern als Fernverkehrs-"Vorwahl". Für die Deutsche Post der damaligen DDR lieferte Ericsson Vermittlungssysteme mit Strowger-Wählsystem.
Ericsson stellt schon seit vielen Jahren keine Mobiltelefone oder Smartphones mehr her. Eine Spezialabteilung besorgt sich aber alle auf dem Markt verfügbaren Endgeräte und erprobt sie mit ihren Netzwerkkomponenten auf Kompatibilität. Das ist notwendig und sinnvoll, da die ETSI- und 3GPP-Standards nicht jedes Detail festlegen. Die Ergebnisse dieser Tests fließen zum einen in die Weiterentwicklung von Netzwerkkomponenten ein und werden auch mit den Handy-Herstellern geteilt.
Herausfordernd: Hersteller im laufenden Betrieb austauschen
Aktuell hat Herr Leimbach ein spannendes Projekt in den Niederlanden beim Netzbetreiber Odido zu betreuen. Odido ist den meisten Lesern eher als "T-Mobile NL" bekannt, wurde aber an eine Investorengruppe um den Finanzinvestor Warburg Pincus verkauft, wo der ehemalige Telekom-Deutschland-Chef René Obermann mit von der Partie ist, wenn er nicht seinen Posten als Aufsichtsrat bei Airbus wahrnimmt.
Die Besonderheit in den Niederlanden ist nun, dass im laufenden Netzbetrieb alle Komponenten des politisch in Ungnade gefallenen Herstellers Huawei durch neue Komponenten von Ericsson ausgetauscht werden sollen. Die Logistik dafür ist nicht trivial.
Ein Sender oder eine Sendergruppe werden nach und nach in Schritten abgeschaltet, die Nachbarstationen übernehmen teilweise den Verkehr, um weiter eine provisorische Versorgung zu erzielen, während die Komponenten ausgetauscht werden, sodass es nach Möglichkeit keinen Verkehrsausfall gibt.
Ericsson bei Open-RAN aktiv
Ericsson hat sich stark im Bereich Open-RAN engagiert. Die bereits heute lieferbaren Senderkomponenten können wie gewohnt als Single-RAN bestellt und geliefert werden, haben aber schon die "Anschlüsse" für die Open-RAN-Welt an Bord, die von Ericsson auch als "vRAN" (virtuelles Radio Access Network) bezeichnet wird. Dabei werden viele Funktionen in Form von Software abgebildet.
Nachholbedarf in Europa auf 3600 MHz
Leimbach räumt im Gespräch ein, dass viele Netze in Europa in punkto 5G, speziell auf der Frequenz 3600 MHz (n78) noch gewaltigen Nachholbedarf aufweisen. Wenn all die angebotenen breitbandigen Dienste und Angebote auch beim Endnutzer ankommen sollen, ist dafür noch einiges an Netzausbau erforderlich. Auch wenn um 2030 mit dem Start von 6G gerechnet wird, wird 5G dafür die Grundlage liefern.
In Offenbach bei Frankfurt/Main wird o2-Telefónica die Open-RAN-Technik von Ericsson im Wirknetz erproben.