5G im Zug: Erste Testfahrten gestartet
Bahnreisende können darauf hoffen, künftig deutlich bessere Mobilfunk-Internetverbindungen zu bekommen als bisher. Bei einem ambitionierten Bahnprojekt in Mecklenburg-Vorpommern starteten am Dienstag die Messfahrten.
Genutzt wird ein diesel-elektrischer ICE-Zug der Baureihe 605, der zum Laborfahrzeug umgerüstet wurde. Der fährt nun auf einer 10 Kilometer langen Strecke zwischen Karow und Malchow im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte (Bundesland Mecklenburg-Vorpommern) hin und her, um Erkenntnisse über die Qualität der Datenverbindung im Zug und außerhalb des Zuges zu testen. Das Fahrzeug hat Antennen im Inneren und auf dem Dach.
1 GBit/s im Zug
Das db Advanced Train Lab, das sind diesel-elektrische Triebzüge der Baureihe 605 - vollgestopft mit (5G-)Mobilfunktechnik.
Foto: Picture Alliance/dpa
Es geht um Downloadraten von 1000 Megabit pro Sekunde (1 GBit/s).
Zum Vergleich: Derzeit sind die Mobilfunkfirmen an den Bahnstrecken
zu einem Download-Speed von 100 Megabit pro Sekunde verpflichtet.
Das Projekt könnte Impulse für den Ausbau des Handynetzes an Bahnstrecken in ganz Deutschland setzen und auf lange Sicht Verbesserungen bewirken. Ob das wirklich passiert, ist aber noch offen. Erst nach dem bis Ende des Jahres laufenden Projekt wird entschieden, wie es weitergeht.
Bahn lobt schnelles Ausbautempo
Bahn-Vorständin Daniela Gerd tom Markotten zeigte sich mit dem zügigen Bau der Teststrecke zufrieden, die in nur acht Monaten fertiggestellt worden sei. Auf dem Abschnitt zwischen Karow und Malchow wurden 13 neue Mobilfunk-Masten installiert. Das Besondere dabei: Sie funken auf 3,6 Gigahertz und senden 5G-Standard und nicht auf niedrigeren Frequenzen, mit denen Bahnstrecken üblicherweise versorgt werden. Die hohen Frequenzen erlauben größere Bandbreiten und damit höhere Geschwindigkeiten, die Verbindung verbessert sich wesentlich.
Die Frage ist aber, wie viel von diesem sehr guten Netz beim Reisenden ankommt, der in einem schnellen Zug sitzt und dabei etwas abgeschirmt ist.
5G spielt bislang eine Nebenrolle
Bisher spielt 5G in dem hohen Frequenzband bei der Bahnstrecken-Versorgung nur eine Nebenrolle, weil die Reichweite der Antennen nur circa einen Kilometer beträgt. Das ist wesentlich weniger als Mobilfunk in niedrigeren Bändern, auf sogenannten Flächenfrequenzen. Die bieten längst nicht so hohe Geschwindigkeiten.
Fährt der Zug in einen Bahnhof ein, kann es zwar durchaus passieren, dass der Reisende mit dem sehr guten 5G-Netz verbunden wird und dadurch sehr hohe Datenraten bekommt. Fährt der Zug hingegen wieder los, bleibt auf der Strecke zum nächsten Bahnhof in der Regel nur noch eine schlechtere Verbindung - also dann, wenn viele Reisende sich mit dem Smartphone, Laptop oder Tablet Dateien aus dem Netz herunterladen, Filme streamen oder per Video telefonieren wollen.
Testprojekt: Vier Firmen machen mit
Das Projekt heißt "Gigabit Innovation Track" und soll wichtige Erkenntnisse sammeln, wie 5G in Zeiten steigenden Datenbedarfs in den Handyempfang auf Bahnstrecken gut eingebunden werden kann. Neben der Deutschen Bahn machen auch der Mobilfunker o2-Telefónica, das Infrastrukturunternehmen Vantage Towers (von Vodafone gegründet, aber inzwischen durch Finanzinvestoren unabhängiger geworden) und der Netzwerkausrüster Ericsson mit.
Kritische Handover
Kritisch ist die Verbindungsübergabe von einer Funkzelle zur nächsten, wenn sich das Smartphone in einem schnellen Zug befindet. Dazu sollen die Tests Erkenntnisse liefern. Zunächst ist der Laborzug "nur" mit 50 oder mit 80 Kilometern pro Stunde unterwegs. Später soll er im Rahmen des Projekts bis zu 140 Kilometer pro Stunde fahren. Auf das auf manchen ICE-Trassen übliche Tempo von 300 km/h kommt der Testzug zwar nicht. Tempo 140 reicht aber nach Einschätzung der Fachleute bereits aus, um daraus Schlussfolgerungen für Netzverbindungen bei noch höheren Geschwindigkeiten zu ziehen.
5G-Zug der Zukunft
"Mit dem Start der Messungen vor Ort geht das Projekt in eine entscheidende Phase", erklärte o2-Vorstandsmitglied Valentina Daiber das Projekt. "Ob Business-Anwendungen oder Videostreaming - die Anforderungen an die mobile Datennutzung nehmen kontinuierlich zu." Sie versteht das Projekt als Beitrag für die Infrastruktur vom "5G-Zug der Zukunft".
Und weiter: "Die Ergebnisse helfen Bahn, Politik und Telekommunikationsanbietern dabei, ein besseres Verständnis über den künftigen Mobilfunkausbau entlang der Schienen sowie dessen Kosten und Finanzierung zu erlangen."
Ausbau aller Bahnstrecken wäre sehr teuer
Damit spricht Daiber einen Knackpunkt des Themas Gigabit-Mobilfunk an Bahngleisen an: Die Kosten. Denn selbst wenn das Projekt positive Erkenntnisse mit sich bringt, wäre unklar, ob dann im großen Stil 5G-Antennen für 3,6 Gigahertz an (möglichst allen) Bahnstrecken installiert werden können.
Wegen der geringen Reichweite des hohen Frequenzbandes müssten dann viel mehr Masten gebaut werden als bei den Flächenfrequenzen.
Eine teure Sache, die es möglicherweise aber wert wäre, heißt es von Verbraucherschützern. "Wir sind zwar mitten im Digitalzeitalter, aber so fühlt sich das auf Bahnfahrten häufig nicht an - die Datenverbindung wird auf manchen Strecken immer wieder unterbrochen oder sie findet nur im Schneckentempo statt", erklärt Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale NRW. Diesbezüglich erreichten die Verbraucherzentralen auch Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, eine rechtliche Handhabe gebe es hierbei aber nicht. "Die Menschen sind auf die Bahn und die Mobilfunker angewiesen." Sollte die Mobilfunkbranche ihre Anstrengungen wesentlich verstärken, wäre das sehr zu begrüßen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Wenn die Bahn fährt, ist das eine sehr sinnvolle Sache und nutzt der Umwelt. Auf langen Strecken kann die Bahn sogar schneller als das Auto sein. Wer im Zug sitzt, möchte arbeiten, telefonieren, im Internet recherchieren oder sich bei einem Film entspannen. Dafür braucht es durchgehend Netz. Der Versuch in Malchow soll auch zeigen, ob es nicht mit einfacheren und kleineren Antennensystemen als bisher möglich sein könnte, die Züge besser zu versorgen.
Kleine Antennen in Form eines Joghurtbechers, die auf jedem Streckenmast montiert sein könnten (es derzeit aber noch nicht sind), müssten eines Tages eine Netzabdeckung ermöglichen, von der wir heute nur träumen können.
Also ist der Versuch eine gute Sache. Nicht klären ließ sich bislang die Frage, warum die Deutsche Telekom bei diesem wichtigen Projekt nicht mit von der Partie ist.
teltarif.de plant, bei nächster Gelegenheit im Testzug mitzufahren und sich ein eigenes Bild von den Möglichkeiten zu machen.
Bei der Erstattung von Bahntickets sollte man vor Betrügern auf der Hut sein.