EU will Mobilfunk-Terminierungsentgelte drastisch senken
Die Europäische Kommission nimmt erneut hohe Mobilfunkkosten aufs Korn. Die Brüsseler Behörde empfahl heute in Brüssel neue Leitlinien für die sogenannten Zustellungsentgelte. Das sind die Gebühren, die sich Mobilfunk- oder Festnetz-Anbieter gegenseitig berechnen, um die Anrufe ihrer Kunden in andere Netze oder in das Festnetz zuzustellen ("Terminierung"). Die derzeitigen Entgelte lägen in den meisten EU-Staaten bis zu fünfmal über den tatsächlich entstandenen Kosten, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes.
Spitzenreiter bei Mobilfunk-Interconnection-Entgelten ist Bulgarien
Die Terminierungsentgelte werden von den nationalen
Regulierungsbehörden festgelegt, in Deutschland von der
Bundesnetzagentur. Derzeit liegt im Mobilfunk die Spanne in der EU zwischen 2 Cent je Minute auf Zypern und 15 Cent in Bulgarien.
EU-Kommissarin Neelie Kroes
Foto: EU-Kommission
In
Deutschland werden netto 6,95 Cent (T-Mobile, Vodafone) beziehungsweise 7,14 Cent (o2, E-Plus) pro Minute berechnet. Nach Schätzungen der
französischen Regulierungsbehörde ARCEP dürften effiziente
Mobilfunkentgelte zwischen 1 und 2 Cent pro Minute liegen.
Meistens lägen die Gebühren im Festnetz um das Zehnfache unter den Mobilfunkentgelten (in Deutschland zwischen 0,38 und 0,54 Cent pro Minute). Dadurch werde kleineren Mobilfunkanbietern sowie Festnetzanbietern der Wettbewerb mit größeren Konkurrenten erschwert - und diese indirekt subventioniert.
EU-Kommission will "rigorose" Absenkung der Terminierungsentgelte
Die Kommission empfehle "eine einheitliche und rigorose" Absenkung in allen Mitgliedstaaten. Damit könnten Unternehmen und Haushalte bis 2012 insgesamt 2 Milliarden Euro sparen. Die nationalen Behörden sind an die Empfehlung nicht gebunden, müssen sie aber nach den EU- Regeln "weitestgehend berücksichtigen". Spätestens von 2012 an sollten sie angewandt werden. Die EU-Kommission hat bereits einen langen Kampf gegen hohe Roaming-Gebühren hinter sich. Zuletzt wurden in der EU die Kosten für Auslands-SMS gedeckelt.
EU-Komissarin Viviane Reding hatte der deutschen Bundesnetzagentur zuletzt Ende März mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht, weil sie die in Deutschland geltenden Terminierungsentgelte nicht bei der EU-Kommission angemeldet hatte. Ziel sei es, Regulierungsverfügungen künftig nur "nach Konsultation der Kommission und der anderen Regulierungsbehörden" zu erlassen.
Die Industrie kritisierte die Empfehlung. Sie drohe in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit die Investitionskraft der Telekomunternehmen weiter zu behindern, sagte der Direktor des europäischen Dachverbands ETNO, Michael Bartholomew. Es sei das falsche Signal in der Krise für den Breitband-Ausbau in der EU, hieß es bei der Deutschen Telekom.