Markt

Gerpott: Das TV-Kabel ist im Kommen

Kabelnetz-Betreiber können Markt aber nicht von Preisseite her aufrollen
Von Björn Brodersen

Hinsichtlich der Produkte und Preise sieht Peter Charissé, Hauptgeschäftsführer des ANGA Verband Privater Kabelnetzbetreiber e.V., die Kabelnetz-Betreiber auf Augenhöhe mit den DSL-Anbietern. Auch die Vertriebs- und Vermarktungsanstrengungen der Kabelnetz-Betreiber hätten stark zugenommen. Und dem durch die zunehmende Zahl an Diensten steigenden Bedarf an höherer Bandbreite blickten die Kabel-Internet-Anbieter, die mit dem Fernsehen schon den zurzeit Bandbreiten-intensivsten Dienst über ihre Infrastruktur abwickeln, entspannt entgegen. Um aber den Durchbruch auf dem deutschen Breitband-Markt zu schaffen, müssten noch die Telefon- und Internetnutzer überzeugt werden, dass es Telefon (Voice over Cable) und Internet auch aus der Fernsehdose gibt.

Jeder neunte alternative Telefonanschluss ist im Kabel geschaltet

Von den knapp 19 Millionen Kabel-TV-Haushalten in Deutschland sind laut Charissé etwa 70 bis 80 Prozent über ein rückkanalfähiges Kabelnetz erschlossen und können so darüber Internet- und Telefondienste nutzen. Die Zahl der Kabel-Internet-Nutzer liegt jedoch zurzeit noch deutlich darunter, Ende 2007 waren es 1,03 Millionen, wobei 85 Prozent des Kabelmodem-Anteils auf die drei großen Unternehmen Kabel Deutschland (KDG), Unitymedia und Kabel BW entfällt. Damit haben die Kabelnetz-Betreiber aber die Zahl ihrer Internetkunden innerhalb eines Jahres verdoppelt. Ende dieses Jahres rechnen Experten mit 1,7 Millionen Kabelmodem-Nutzern in Deutschland.

Jeder neunte der 7,11 Millionen nicht von der Deutschen Telekom geschalteten Telefonanschlüsse in Deutschland stammt inzwischen von einem Kabelnetz-Betreiber, so eine Analyse des Telekomexperten Torsten Gerpott. 690 000 davon kämen von den drei großen Kabelnetz-Betreibern der Netzebene 3 KDG, Unitymedia und Kabel BW.

Die aktuelle Lage der Kabelnetz-Betreiber

Diese Vermarktungserfolge können laut Gerpott jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Kabelnetz-Betreiber in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befinden. Zwar wiesen die großen drei Betreiber jeweils ein positives EBITDA (Earnings before Interests, Taxes, Depreciation and Amortization) im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich auf, das EBT (Earnings before Taxes) liege jedoch jeweils im Minus-Bereich. Dazu kämen langfristige Verbindlichkeiten und weiterhin hohe Investitionen in den Ausbau der Netze, um den zeitlichen Nachteil gegenüber den boomenden DSL-Angeboten aufzuholen. Umsatzstärkstes Unternehmen 2007 war Kabel Deutschland mit 1,17 Milliarden Euro.

Von der Preisseite her könnten die Kabelnetz-Betreiber den Markt aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht aufrollen, so Gerpott. DSL als beliebteste Breitband-Zugangsart werde auch deshalb durch das TV-Kabel nicht verdrängt.

Nach Ansicht von Gerpott sind bei den Kabelnetz-Betreibern weitere Zusammenschlüsse und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung bzw. Kostensenkung erforderlich, um angemessene Kapitalrenditen zu erwirtschaften. Ein Zusammenschluss von Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW sei wahrscheinlich, wenn das Bundeskartellamt seine Marktsicht ändere und sich Private Equity Investoren nicht gegenseitig blockierten.

Die Kür: Alle Dienste auf dem TV-Bildschirm

Nach Ansicht von ANGA-Hauptgeschäftsführer Charissé müssen die Kabelnetz-Betreiber zunächst die Kunden für die schlichten Dienste Internet, Telefon und auch Digital-TV gewinnen. Erst einmal müssten die Kunden sich beispielsweise an die Set-Top-Box für digitales Kabelfernsehen gewöhnen. Die Kür sei es dann, in einigen Jahren alle Dienste - auch interaktive - auf dem Fernsehbildschirm zusammenzuführen. Zurzeit seien die Verbraucher noch nicht bereit, Internet oder E-Mail auf dem TV-Bildschirm zu nutzen.

Meldungen von und über Torsten J. Gerpott

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