Neue Obergrenze für Vertragslaufzeiten: Unsinnige Gängelei
Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott
Foto: Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott
Am 16. Dezember 2020 hat die Bundesregierung, nach fast zwei Jahren internem Streit zwischen
dem SPD-geführten Verbraucherschutz- und dem CDU-geführten Wirtschaftsministerium, ein „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ auf den parlamentarischen Weg gebracht. Zentrales Element des Gesetzesvorschlags ist die Änderung einer Vorschrift, in der es um
Laufzeiten bei Dauerschuldverhältnissen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verbraucher
geht (§309 Nr. 9 BGB). Beispiele für solche Geschäfte sind Verträge mit Fest-/Mobilfunknetzbetreibern, Video-Plattformen, Zeitungsverlagen oder Fitnesscentern. Die Regierung
will, dass solche Verträge möglichst nicht länger als über ein Jahr statt wie bisher
maximal über zwei Jahre abgeschlossen werden. Auf Drängen des Wirtschaftsministeriums
sollen 2-Jahres-Verträge jedoch erlaubt bleiben, wenn für die gleiche Leistung auch ein Vertrag
mit einer Laufzeit von einem Jahr angeboten wird, dessen Preis den für die Abmachung
mit der längeren Laufzeit von bis zu zwei Jahren nicht um mehr als 25% im Monatsdurchschnitt
übersteigt.
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In Zeiten von Corona-Zwangsauflagen liegt es nahe, zu prüfen, ob der angestrebte Eingriff in
die Preisgestaltungsfreiheit von Unternehmen notwendig, wirksam und verhältnismäßig ist.
Verträge mit einem Jahr Laufzeit
Die Pflicht, Verträge mit einem Jahr Laufzeit anzubieten, besteht bereits heute in vielen Branchen. So ist sie für Handy- und Festnetzverträge seit Mai 2012 im Telekommunikationsgesetz (§43b) verankert. Verbraucher reklamieren nicht erkennbar, dass sie sich – nicht zuletzt aus Bequemlichkeitsgründen – freiwillig aber auch für einen 2-Jahres-Vertrag entscheiden können. Somit ist die Intervention nicht notwendig.
Der Wert für den maximal erlaubten Abstand zwischen den Preisen von Verträgen mit einem Jahr und einer längeren Laufzeit bis zur Obergrenze von zwei Jahren ist willkürlich. Die Regierung macht sich nicht einmal die Mühe, ihn zu begründen. Man hätte ihn ebenso auf 12,5 Prozent oder 50 Prozent setzen können. Die starre Grenze berücksichtigt nicht, dass die Zeitabhängigkeit der im Vertragsverlauf anfallenden Kosten und die Anfangsinvestitionen in einen Kunden branchenspezifisch variieren. Je mehr ein Anbieter für einen Kunden vor Vertragsabschluss investieren muss, desto schädlicher sind die Folgen der 25-Prozent-Klammer. Beispielsweise erschwert sie im Mobilfunk Paketangebote, die einen Anschlussvertrag mit einem Endgerät bündeln, da innerhalb eines Jahres die Amortisation eines subventionierten Endgeräts oft nicht mehr erreicht werden kann. Ebenso verringert sie Anreize zum Bau von Glasfaseranschlüssen, weil hohe Anfangsinvestitionen zum Verknüpfen einer Wohnung mit einem Gigabitnetz außer Betracht bleiben. Die Verpflichtung wird dazu führen, dass viele Unternehmen kundenbezogene Vorabinvestitionen einschränken sowie ihre Preise für 2-Jahres-Verträge und damit indirekt die für Kontrakte mit einem Jahr Laufzeit erhöhen werden, um Gewinneinbußen infolge der 25%-Regel auszugleichen. Außerdem verkleinert sie die Möglichkeiten von Anbietern, sich preis- und leistungspolitisch im Wettbewerb zu unterscheiden. Insgesamt verfehlt die Maßnahme damit ihr Ziel, niedrigere Preise für 1-Jahres-Verträge zu sichern und Verbraucher zum Abschluss solcher Verträge zu motivieren. Sie ist wirkungslos.
Eingriff unverhältnismäßig
Schließlich ist der Eingriff unverhältnismäßig. Ein milderes Mittel mit zumindest ebenbürtiger Wirkung wäre eine Verpflichtung von Anbietern, 1-Jahres-Verträge im Marketing nicht wie heute stiefmütterlich zu behandeln, sondern sie wenigstens ebenso gut sichtbar und zugänglich wie Verträge mit längerer Laufzeit zu positionieren.
Alles in allem ist die Kosten-Nutzen-Bilanz der neuen Höchstlaufzeitvorschrift klar negativ. Anstatt gute Rahmenbedingungen für intensiven Wettbewerb auf den jeweiligen Märkten und damit die Basis für verbraucherfreundliche Angebote zu schaffen, verliert sich die Regierung in Detailhuberei. Aus verschiedenen Sektoren hätte man leicht lernen können, dass staatliche Eingriffe in die freie Preisbildung von Unternehmen von der Politik ignorierte Nebenwirkungen haben, die Verbrauchern schaden. Dies ist derzeit gerade beim „Mietendeckel“ der Berliner Landesregierung zu beobachten, der zu Angebotsverknappung und Investitionskürzungen beiträgt.
Laufzeiten für Dauerschuldverträge werden durch das Gesetzesvorhaben nicht fairer. Die Pläne sind geprägt durch Misstrauen gegenüber der Mündigkeit der Bürger und marktgetriebenen Lösungen zum Verbraucherschutz. Immerhin bleibt als schwacher Trost, dass der Bundestag den Fehlgriff noch korrigieren kann und die Restlaufzeit der Regierung in ihrer jetzigen Zusammensetzung ein Jahr nicht überschreiten dürfte.
Zur Person
Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott leitet den Lehrstuhl für Unternehmens- und Technologieplanung an der Mercator School of Management Duisburg der Universität Duisburg-Essen.