Gigabit-Studie

Gigabit in Deutschland: 29 Mio. Anschlüsse bis Mitte 2021

Rund 29,3 Millionen Gigabit-fähige Anschlüsse wird es Mitte 2021 in Deutsch­land geben. Das haben der VATM und die Dialog-Consult in ihrer 3. Gigabit-Studie heraus­gefunden.
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Rund 29,3 Millionen Gigabit-fähige Anschlüsse wird es Mitte 2021 in Deutsch­land geben. Das hat der Verband der Anbieter von Tele­kom­muni­kations- und Mehr­wert­diensten (VATM) zusammen mit der Bera­tungs­firma Dialog-Consult in seiner 3. Gigabit-Studie heraus­gefunden. Dabei wurden DOCSIS-3.1-Kabel­anschlüsse und Glas­faser­anschlüsse bis zum Haus/Endkunden (FTTB/H) unter­sucht. Berück­sich­tigt wurde aber, dass es Orte in Deutsch­land gibt, wo der Kunde zwischen Glas­faser und HFC (Kabel-TV-Anschlüssen) wählen kann.

Die neuen Zahlen liegen rund 1,4 Millionen und fünf Prozent höher als Ende 2020. Was den VATM natür­lich beson­ders freut: 92 Prozent dieser High­speed-Anschlüsse werden von den Wett­bewer­bern, acht Prozent von der Telekom zur Verfü­gung gestellt.

Im Sommer 62,4 Prozent der Haus­halte erreichbar?

Der Verband VATM und das Beratungsunternehmen Dialog Consult haben ihre Gigabitstudie vorgelegt, die viele interessante Zahlen enthält Der Verband VATM und das Beratungsunternehmen Dialog Consult haben ihre Gigabitstudie vorgelegt, die viele interessante Zahlen enthält
Foto: VATM
Für diesen Sommer sollen schät­zungs­weise 62,4 Prozent der Haus­halte mit Gigabit-taug­lichen Anschlüssen (theo­retisch) versorgbar sein. Als "versorgbar" werden dabei Anschlüsse einge­stuft, bei denen das Kabel (HFC-Koax oder Glas­faser) entweder leicht erreichbar Haus bezogen schon in der Straße liegt oder bereits bis in den Keller des Hauses oder sogar schon bis in die Wohnung reicht.

Das ist unab­hängig davon, ob Anbieter ("Carrier") für diesen Anschluss mit dem Endkunden einen Vertrag abge­schlossen haben (also verfüg­bare aktive Anschlüsse) oder nicht (verfüg­bare nicht aktive Anschlüsse).

Gerpott: Glas­faser­ausbau nimmt Fahrt auf

Die Zahlen hat teltarif.de-Gast­autor Univ.-Prof. Torsten J. Gerpott ausge­wertet: "Die Dynamik des Glas­faser­aus­baus nimmt weiter Fahrt auf. Von Ende 2020 bis Ende Juni 2021 wird die Zahl der FTTB/H-Anschlüsse um 800.000 auf fast sechs Millionen steigen. Der Ausbau der DOCSIS-3.1-Kabel­anschlüsse ist weit­gehend abge­schlossen – die rest­lichen drei Millionen Anschlüsse dürften in den kommenden zwölf Monaten noch aufge­rüstet werden".

Prof. Dr. Torsten J. Gerpott sitzt im wissen­schaft­lichen Beirat der Unter­neh­mens­bera­tung DIALOG CONSULT und ist Inhaber des Lehr­stuhls für TK-Wirt­schaft an der Univer­sität Duis­burg-Essen und ein viel gefragter Experte, wenn es um Wett­bewerbs- und Regu­lie­rungs­fragen im TK-Markt geht.

Die Zahl der verfüg­baren Gigabit-Anschlüsse über Breit­band­kabel (HFC) steigt im ersten Halb­jahr um mehr als 600.000 auf 23,3 Millionen Anschlüsse. "Die meisten neuen Gigabit-Anschlüsse entstehen auf Basis der HFC-Breit­band­kabel-Infra­struktur, meist ohne viel Tiefbau."

Glas­faser erfor­dert höhere Inves­titionen

Anders beim Glas­faser­ausbau: Das bedeutet mit der Verle­gung ganz neuer Kabel höhere Inves­titionen. "Der Ausbau geht voran und dies erfreu­licher­weise insbe­son­dere auf dem Land";, erläu­tert Prof. Gerpott. "Die sehr guten Zahlen belegen eine weiterhin hohe Dynamik beim Netz­ausbau. Die Summe der privat von den Wett­bewer­bern bereit­gestellten Inves­titi­ons­mittel, die in den nächsten Jahren verbaut werden soll, ist auf weit über 20 Milli­arden Euro ange­stiegen und sie wird weiter­wachsen";, betont VATM-Präsi­dent David Zimmer, zuvor Chef des Glas­faser-Netz-Unter­neh­mens Inexio.

Rund 3,7 Millionen der Glas­faser­anschlüsse wurden und werden von den Wett­bewer­bern insge­samt bis Jahres­mitte gebaut. Damit entfallen von den verfüg­baren FTTB/H-Anschlüssen fast zwei Drittel auf die Wett­bewerber und gut ein Drittel auf die Telekom. 2,1 Millionen der insge­samt sechs Millionen Glas­faser­anschlüsse werden von den Endkunden auch genutzt.

70 Prozent buchen bei alter­nativen Anbie­tern?

Dabei fällt auf: Sieben von zehn Endkunden buchen einen solchen Anschluss bei den alter­nativen Anbie­tern. Während die Wett­bewerbs­unter­nehmen der Telekom bei den echten FTTH/FTTB-Glas­faser­anschlüssen eine Take-up-Rate (= tatsäch­liche Buchung des ange­botenen Anschlusses) von knapp 40 Prozent errei­chen, liege diese bei der Telekom bei unter 30 Prozent. Die Telekom werde bis Ende Juni 2,3 Millionen FTTB/H-Anschlüsse gebaut haben, schätzt man beim VATM und kann sich einen kleinen Seiten­hieb nicht verkneifen.

"Nachdem die Telekom die durch die Physik gesetzten Grenzen der eigenen VDSL-Technik nicht mehr als Begren­zung für die eigenen Endkun­den­ange­bote hinnehmen will und der Druck durch den Wett­bewerb gewachsen ist, setzt sie nun endlich deut­lich auf den Bau von FTTB/H. Durch diese Inten­sivie­rung des Wett­bewerbs wird sich der Ausbau insge­samt beschleu­nigen";, ist Prof. Gerpott über­zeugt. Man könne den Ausbau aber nur gemeinsam stemmen, unter­strich VATM-Präsi­dent Zimmer. "Dabei muss die Telekom aber unbe­dingt fair spielen und die Regeln einhalten. Sie darf nicht auf stra­tegi­sche Markt­ver­drän­gung setzen", mahnt er.

Beim Ausbau habe insbe­son­dere der Glas­faser­aufbau im länd­lichen Raum zu einer Verbes­serung der Versor­gungs­quote geführt – die Zahl der ausschließ­lich mit Glas­faser versorgten Gigabit-fähigen Haus­halte sei um über 23 Prozent auf 2,9 Millionen ange­stiegen.

Gleich­zeitig nehme der Infra­struk­tur­wett­bewerb zu. Die Zahl der Haus­halte, die bei Gigabit-fähigen Anschlüssen zwischen HFC-Koax­kabel-Netzen und Glas­faser auswählen können, ist um über neun Prozent auf 3,1 Millionen gewachsen.

Der Markt funk­tio­niert

Daran, dass sich in manchen Orten jetzt schon zwei private Glas­faser-Netz­betreiber um die Kunden schlagen, während anderswo noch "Stein­zeit-DSL" mit maximal 384 kB/s anliegt und kein Ausbau in Sicht ist, stört man sich beim VATM weniger. Das sei ein Zeichen des funk­tio­nie­renden Marktes, am Ende werde nur ein Anbieter bauen und sich mit dem anderen Anbieter irgendwie einigen.

Jegli­cher staat­lichen Aufsicht oder Vorgabe über den Ausbau erteilt der VATM eine deut­liche Absage.

Ziel­marke 2030 - weg von unrea­lis­tischen Ausbau­zielen

Dabei müsse man sich von unrea­lis­tischen Ausbau­zielen verab­schieden. Frühes­tens 2030 sei ganz Deutsch­land realis­tisch mit Glas­faser zu versorgen. Vom gesetz­lich verbrieften Recht auf schnelles Internet hält man logi­scher­weise nichts. Damit würde begonnen, Einzel­kunden auszu­bauen, während der Rest noch länger warten müsste.

Damit die Bewohner der noch nicht optimal versorgten Gebiete schneller ins Netz kommen können, sollten Anbin­dungen über Satellit (z.B. Eutelsat Konnect, Space X oder euro­päi­sche Anbieter) geför­dert werden. Vom Staat ausge­gebene Voucher (Gutscheine) sollen für den Kunden einen als "zu teuer" empfun­denen Erst-Anschluss an ein schnel­leres Netz vergüns­tigen.

"Nur mit dem rich­tigen Ziel gibt es auch die rich­tigen Maßnahmen"

"Die Entwick­lung zeige, dass nicht enorme Förder­mittel, sondern der eigen­wirt­schaft­liche Ausbau der Treiber sind, der auch im länd­lichen Bereich immer besser funk­tio­niert", unter­streicht VATM-Präsi­dent Zimmer.

"Tausende Markt­erkun­dungs- und Förder­ver­fahren im Rahmen der neuen "Graue-Flecken-Förde­rung" würden die schnelle Versor­gung vieler länd­licher Kommunen verlang­samen und verteuern. Die echten weißen Flecken blieben weiter unver­sorgt.

Von der nächsten Bundes­regie­rung wünscht sich der VATM unbe­dingt ein Digi­tal­minis­terium mit Unterbau, zum Beispiel bei der Bundes­netz­agentur. Es müsse viel mehr Büro­kra­tie­abbau geben, doch das sei stel­len­weise ins Gegen­teil verkehrt worden. So führt zum Beispiel die Angabe aller ladungs­fähigen Anschriften von Dritt­anbie­tern zu seiten­langen Tele­fon­rech­nungen, dafür gäbe es digi­tale Lösungen.

Die Politik dürfe trotz Wahl­kampf keine Verspre­chungen machen (schnelles Internet für alle sofort), was dann in der Realität nicht einhaltbar wäre.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

In Zeichen mini­maler Zinsen haben Inves­toren ein neues Betä­tigungs­feld entdeckt: Den Netz­ausbau mit Glas­faser. Nun möchte die Branche möglichst unge­stört in Ruhe bauen können - ohne poli­tische Vorgaben, bestimmte Orte bevor­zugt auszu­bauen oder sich erst einmal intensiv um die dunklen Ecken des Landes, wo nur mit viel Aufwand zu bauen wäre, kümmern zu müssen.

Dann sollte die Telekom, der man nicht mehr so feind­selig wie früher gegen­über­steht, bitte nicht anfangen, da auszu­bauen, wo schon schnelle Leitungen eines Mitglieds liegen. Die Orte, an denen nichts vorwärts­geht, sollen per Satellit "über­brückt" werden. Das Ausbau­ziel "Glas­faser flächen­deckend 2030" ist einer­seits realis­tisch (weil es nicht genü­gend Baufirmen und Bagger gibt), ande­rer­seits unrea­lis­tisch, weil ein großes Thema der kommenden Bundes­tags­wahl der schnelle Internet-Ausbau sein wird - bei allen Parteien.

Wir werden also einen "Markt­platz" von Ange­boten und Verspre­chungen erleben und müssen erdulden, dass an einem Ort zwei Firmen sich gegen­seitig die Gräben ausheben und um Kunden werben, während es anderswo immer noch dauert. Dennoch sollte der Druck auf einen zügigen Ausbau nicht heraus­genommen werden. Und "von selbst" passiert weiterhin nichts, Bürger und Gemeinden müssen sich zu Wort melden und infor­mieren und können auch durch Eigen­inia­tive vor Ort mithelfen, damit es schneller voran­geht.

Die Politik wäre gut beraten, auf möglichst viel Geneh­migungs­büro­kratie zu verzichten und den "ewigen Beden­ken­trä­gern" vor Ort mal Beine zu machen, beispiels­weise durch einheit­liche Ansprech­partner mit echter Entschei­dungs­kom­petenz vor Ort.

Derweilen hat o2 neue 5G-Tarife vorge­stellt und die Weiter­surf-Garantie einge­stampft.

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