Marktaustritte von FTTH-Anbietern: Wie sind sie einzuordnen?
In den letzten Wochen fanden die Marktaustritte von Fiber-To-The-Home [FTTH]-Anbietern in Deutschland öffentliche Beachtung. Der folgende Beitrag ordnet diese „Exits“ vor dem Hintergrund von Theorien zu Industrielebenszyklen ein. Die Einstellung des Geschäftsbetriebs von kleineren Unternehmen, die in Deutschland Netze zur Telekommunikation (TK) betreiben und TK-Dienste vermarkten, findet normalerweise in überregionalen Publikumsmedien keine Aufmerksamkeit. Eine erste Ausnahme davon ist die Insolvenz von Glasfaser Direkt, einem FTTH-Anbieter mit rund 25.000 Privatkunden. Eine zweite Ausnahme bildet die Beendigung des Glasfasernetzausbaus von Liberty Networks Germany.
Univ. Prof. Torsten J. Gerpott
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Sind diese Austritte ein Indiz dafür, dass der FTTH-Ausbau in Deutschland ökonomisch doch weniger attraktiv ist als bislang gemeinhin vermutet wird? Um dieser Vermutung entgegenzutreten, beeilte sich der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) die Position als zwingend zu vertreten, dass dem nicht so sei. Vielmehr sei die Dynamik im deutschen Glasfasermarkt „ungebrochen“. Als Heilmittel gegen Unternehmenszusammenbrüche werden Kooperationen zur Kostensenkung und Regulierungsmaßnahmen gegen den Parallelausbau von mit FTTH durch alternative Carrier versorgte Regionen durch Telekom Deutschland propagiert.
Blick zurück
Blickt man auf die Geschichte des Festnetzmarktes in Deutschland seit Beginn der Liberalisierung im Jahr 1998 zurück, so erkennt man zweierlei:
- Die Häufung von Marktaustritten in engen Zeitfenstern war auch schon in der Vergangenheit zu beobachten. Erinnert sei hier nur an Player wie RWE Telliance oder VEW Telnet.
- Kooperationen und Regulierung sind ungeeignet, um eine Marktkonsolidierung zu verhindern.
Industrielebenszyklus
Der „Shake out“ lässt sich wirtschaftswissenschaftlich sehr gut durch ein Konzept erklären, das sich „Industrielebenszyklus“ nennt und branchenübergreifende Gültigkeit beansprucht. Die unabhängige Variable in dem Konzept ist die Zeit; die abhängige Variable ist die Zahl der Unternehmen, die eine Industrie verlassen. In einem jungen Industriemarkt steigt die Anbieterzahl zunächst rasch an, Austritte gibt es kaum. Danach sinkt die Zahl der Wettbewerber rasch, obwohl die Nachfrage wächst. Schließlich erreicht die Anbieterzahl ein nahezu gleichbleibendes Niveau. Dieses Muster lässt sich historisch etwa in der Automobilindustrie oder in der Solarthermie nachweisen.
Blick nach vorn
Der These des BREKO, dass FTTH-Marktaustritte in Deutschland keine Abnahme der ökonomischen Attraktivität des Angebots auf diesem Markt signalisieren, ist aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive zuzustimmen. Es besteht kein Grund für industriepolitischen Aktionismus, geschweige denn zur Panik.
Zur Person:
Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott leitet den Lehrstuhl für Unternehmens- und Technologieplanung an der Mercator School of Management Duisburg der Universität Duisburg-Essen.