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Editorial: o2 unter Druck

Was passiert nach der Aufgabe von Rudolf Gröger?
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Zuletzt pfiffen es die Spatzen von den Dächern: Die spanische Telefónica ist unzufrieden mit der Entwicklung bei ihrer deutschen Mobilfunktochter o2. Immer öfter und immer deutlicher wurde dieses am aktuellen Chef Rudolf Gröger festgemacht. Und somit war kaum jemand mehr überrascht, als endlich die Bestätigung über den Wechsel eintraf: Gröger wird durch Jaime Smith abgelöst, der bisher dem o2-Telefónica-Konzern in der Tschechischen Republik vorsteht. Gröger bleibt aber als Berater bei o2 Deutschland.

o2 befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation: Trotz erheblicher Preissenkungen (beispielsweise Einführung von Genion S/M/L mit deutlich gesunkenen Minutenpreisen Ende letzten Jahres und von günstigen Datenpaketen zur diesjährigen CeBIT) oder dem wiederholten Verschenken von SIM-Karten konnte o2 die Kundenzahlen zuletzt nur geringfügig ausbauen. Gleichzeitig befindet sich der Umsatz pro Monat und Kunde (ARPU) im massiven Sinkflug. Da kann auch nicht trösten, dass o2 einen im Branchenvergleich sehr hohen Datenanteil am Umsatz von 24,2 Prozent hat.

Aller Detailkritik, die nun folgen wird, muss man Gröger zunächst eine große Leistung anerkennen: Seit seinem Amtsantritt im Oktober 2001 hat er aus dem Mobilfunk-Winzling "Viag Interkom" den ernst zu nehmenden Mobilfunk-Konzern "o2 Germany" gemacht. Umsatzmäßig hat er sogar den mehrere Jahre früher gestarteten Konkurrenten E-Plus überholt. Das ist ein sehr, sehr beachtlicher Erfolg!

Kundenvertrauen schwindet

Doch Erfolg macht manchmal überheblich - und mit überheblichen Menschen macht man nicht gerne Geschäfte. So haben es viele Kunden o2 bis heute nicht verwunden, dass diese auch bei laufenden Verträgen Anrufe zu 01805-Rufnummern erheblich verteuerten und diesen Umstand ihren Kunden noch nicht einmal mitteilten. Zwar gibt es ein erstes Urteil zu Gunsten des Konzerns. Doch selbst, wenn dieses Bestand haben sollte und sich das Vorgehen von o2 als juristisch korrekt herausstellen sollte: Emotional hat der Konzern dennoch bei seinen Kunden verloren.

Auch die jüngst bekannt gewordene Praxis, Verbindungen auf der Rechnung zunächst auf allgemeine Gesprächsguthaben anzurechnen und erst dann auf spezielle Freiminutenkontingente für den jeweiligen Verbindungstyp, trägt nicht gerade zur Steigerung der Glaubwürdigkeit von o2 bei. Denn schließlich kann diese Abrechnungsvariante in Form von vorzeitig erschöpften Gesprächsguthaben oder früheren Rechnungsgutschriften die Kunden ebenfalls viel Geld kosten.

"Premium-Anbieter" sollte auch Premium-Service bieten

Gerade für einen Anbieter, der sich als Premium-Anbieter versteht, sollten solche Aktionen zum Nachteil des Kunden tabu sein. Zwar sind Premium-Kunden in der Regel bereit, auch einen etwas höheren Preis als bei anderen Anbietern zu bezahlen; sie werden also nicht deswegen gleich wieder abspringen, weil jemand anderes seinen Preis um einen halben Cent pro Minute senkt. Aber Premium-Kunden erwarten auch einen Premium-Service, und dazu gehört unbedingt auch die Fairness des eigenen Anbieters. Fehlt diese Fairness, ist der Kunde nämlich ganz schnell woanders. Der neue Chef Smith sollte hier bei diesem zentralen Punkt, der kaufmännisch fairen Vertragsabwicklung, umgehend und nachhaltig korrigierend eingreifen, auch wenn das kurzfristig ein paar Umsatzprozente kostet.

Andere Baustellen sind noch deutlich schwieriger zu lösen. So ist es verständlich und sinnvoll, dass o2 beim Netz insbesondere in dünn besiedelten Gebieten mit T-Mobile kooperiert. Doch muss es irgendwann einmal ein Ende damit haben, dass Telefonate bei jedem Netzwechsel zwischen T-Mobile und o2 einfach abreißen. In Berlin passiert das beispielsweise schon beim Betreten und Verlassen der U-Bahn, auch ICE-Fahrten sind durch dauernde Gesprächsabbrüche gekennzeichnet, selbst im Wagen mit Handyverstärker. Premium sieht anders aus.

Lange Zeit war Genion, bzw. die damit verbundene Homezone-Funktion, das exklusive Markenzeichen von o2. Mittlerweile haben aber zwei der anderen drei Netzbetreiber vergleichbare Funktionen nachgerüstet. o2 wäre gut beraten, sich abermals ein exklusives Zugpferd zuzulegen, auch wenn es nicht einfach werden dürfte, einen geeigneten innovativen und bezahlbaren Dienst zu lokalisieren.

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