Smartphone-Messaging

Editorial: What's up, WhatsApp?

WhatsApp verschlüsselt bald Chats abhörsicher. Konkurrenten haben Grund zur Sorge, die Kunden dennoch Gründe für einen Wechsel. Wir beleuchten den Messenger-Markt und zeigen, warum die alternativen Chat-Dienste nicht den Kopf in den Sand stecken sollten.
Von Hans-Georg Kluge

WhatsApp verschlüsselt Chats, aber Nutzer sollten Alternativen eine Chance geben. WhatsApp verschlüsselt Chats, aber Nutzer sollten Alternativen eine Chance geben.
Screenshot/Montage: teltarif.de
WhatsApp ist eine wohl beispiellose Erfolgsgeschichte. Fast im Alleingang schaufelte WhatsApp dem Umsatzbringer SMS das Grab. Mehr als 600 Millionen aktive Nutzer zählt WhatsApp-Chef Jan Koum.

Jüngst kündigte Textsecure an, WhatsApp bei der Entwicklung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geholfen zu haben. Diese Bekanntmachung hatte es in sich: Offenbar hat WhatsApp das Verschlüsselungsprotokoll schon länger im Einsatz - ohne es zu wissen chatteten viele Nutzer also schon abhörsicher. Ein Frontalangriff, der sich gegen die Konkurrenz richtet, die es mit besseren Sicherheitskonzepten mit WhatsApp aufnehmen wollte.

WhatsApp-Verschlüsselung muss erst noch Überprüfungen standhalten

Zum Mekka der Datenschutz-Freunde wird WhatsApp deswegen aber noch nicht: Immerhin sammelt WhatsApp weiterhin fleißig Daten aus dem Adressbuch der Nutzer. Mit diesen kann der Anbieter ein umfangreiches Netzwerk von Bekanntschaften und Kontakte bilden - ein wertvoller Schatz für Ermittler und Geheimdienste.

WhatsApp verschlüsselt Chats, aber Nutzer sollten Alternativen eine Chance geben. WhatsApp verschlüsselt Chats, aber Nutzer sollten Alternativen eine Chance geben.
Screenshot/Montage: teltarif.de
So lange die Verschlüsselung von WhatsApp noch nicht unabhängig überprüft ist, bleiben außerdem Zweifel. Textsecure hat zwar ein in Sicherheitskreisen anerkanntes Protokoll entwickelt, aber es lauern viele Fallstricke. Bevor WhatsApp als vertrauenswürdig gelten darf, muss die Implementierung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vollständig und unabhängig überprüft werden. Andernfalls ist nicht sichergestellt, dass die Verschlüsselung ordentlich und zuverlässig funktioniert. Auch darf der private Schlüssel des Nutzers niemals das Smart­phone verlassen. Obendrein kann es ohne ein Security Audit des Quellcodes keine Gewähr geben, dass nicht doch irgendwo eine Tür für Geheimdienste offen steht.

Dennoch dürfte dem Messaging-Dienst ein echter Coup gelungen sein. Das Sicherheits-Argument gegen WhatsApp zieht jetzt nicht mehr so richtig. Möglicherweise kommen auch verschreckte Nutzer wieder zurück zu WhatsApp. Denn die geschätzt 600 Millionen aktiven Nutzer stellen eine kritische Masse dar - für Neueinsteiger auf dem Messenger-MArkt ist die schiere Größe der Nutzerbasis ein immenses Problem: Warum sollte ein Nutzer einen anderen Messenger installieren, wenn er die meisten seiner Freunde schon auf WhatsApp erreicht?

WhatsApp-Konkurrenz zittert

Viele WhatsApp-Konkurrenten dürften dementsprechend sehr unglücklich mit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von WhatsApp sein. Immerhin fällt bald ein großes Argument weg, auf einen alternativen Messaging-Dienst zu setzen. Aus der Branche ist zu hören, dass Konkurrenten jetzt auf den Datenschutz als wichtigstes Argument setzen.

Einige Gründe sprechen schließlich dafür, WhatsApp nicht das Feld zu überlassen. Da ist zum Beispiel die Möglichkeit bei vielen Konkurrenten, den Chat-Account nicht mit einer Rufnummer zu verknüpfen. So ist auch eine anonyme Nutzung möglich. Verwaltet der Nutzer seine Kontakte selbst, ohne dass diese gleich bei der App-Installation ausgelesen werden, ist es nicht mehr so leicht, ganze Beziehungs­geflechte zu speichern und zu analysieren. Einige Messenger erlauben wiederum, Kontakte manuell zu verifizieren (über einen QR-Code). Das geht derzeit bei WhatsApp nicht. Beide Features sind besonders dann wertvoll, wenn nicht erwünscht ist, dass Messaging-Dienste viele Informationen über das (Kommunikations-)Verhalten ihrer Kunden erfahren sollen.

Vielfalt ist die einzige Möglichkeit, einer einzelnen Firma nicht einen ganzen Markt zu überlassen. Solange aber keine Kommunikation über Plattform­grenzen hinweg möglich ist, bleibt Vielfalt kompliziert für den Nutzer. Er muss mehrere Messenger verwalten, aktualisieren und entscheiden, welcher wann zum Einsatz kommt. Aber das kann sich lohnen.

Mehr Auswahl gegen Monopole

WhatsApp-Gründer Jan Koum und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg haben schon ihre Pläne klargestellt: WhatsApp soll zunächst alle Konkurrenten aus dem Markt fegen und danach hübsch die Marktmacht ausnutzen. Aus einer Position der Stärke heraus sei die Monetarisierung des Dienstes erheblich einfacher. Kurios erscheint da allerdings der große Zuspruch der Nutzer zum Facebook Messenger. Dennoch: Ist sich WhatsApp seiner Sache sicher, dürften die Abo-Gebühren schnell steigen.

Viele Internet-Theoretiker sagen, im Internet neigen Märkte zu Monopol-Strukturen. Google, Facebook und Amazon sind gute Beispiele dafür. Facebook und WhatsApp gehen eben diesen Weg. Für uns Verbraucher sind das keine guten Nachrichten. Monopole machen Firmen träge und für Nutzer wird es teuer. Deswegen sollten Nutzer offen bleiben für Alternativen und den Platzhirschen zu erkennen geben: "Ohne euch geht es auch". Denn letztlich entscheiden die Kunden, wem sie das Vertrauen schenken und bei wem sie ihre Daten hinterlassen möchten.

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