Meinung

Editorial: KI als Retter des Smartphones?

Die Handy-Modelle, die sich auf dem Markt tummeln, sehen alle gleich aus. Die Hard­ware ist nur noch Hülle für das nächste große Ding: die Soft­ware.
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Ich komme gerade vom Mobile World Congress in Barce­lona. Für jemanden wie mich, der sich in der Technik-Welt wohl fühlt, ist die Messe immer wieder ein Para­dies, um den Produkten so nah wie möglich zu kommen, an denen die Hersteller aktuell arbeiten. Der Smart­phone-Sektor hat es mir beson­ders angetan, also halte ich auch dort beson­ders Ausschau. Und auch in diesem Jahr habe ich wieder fest­gestellt: Alle Modelle sehen gleich aus, schmale Display­ränder, in der Mitte ein kleines Loch für die Front­kamera. Darüber habe ich schon vor genau zwei Jahren zum MWC 2022 im Edito­rial: Wann kommt das nächste große Ding? gespro­chen. Das nächste große Ding ist nun da, aber das ist kein neues Smart­phone-Design. Denn diese Geschichte ist erst einmal auser­zählt.

Von gleich zu gleich

Ein Smartphone Ein Smartphone
Bild: Image licensed by Ingram Image

Datenblätter

Beob­achtet man den Smart­phone-Markt, nehmen viele Hersteller aktuell Design-Ände­rungen vor. Aller­dings ist das nur eine Verschie­bung von glei­chem Design zu glei­chem Design. Alle bauen jetzt Handys, die so ähnlich aussehen, wie das erfolg­reiche iPhone mit dem flachen Gehäu­serahmen, beispiels­weise Samsung Galaxy S24 und Xiaomi 14, und auch Google könnte mit dem Pixel 9 Pro die iPhone-15-Optik-Ausfahrt nehmen.

Beim Display wird es mit großer Wahr­schein­lich­keit noch beim bewährten Design bleiben, nur bei der Gehäuse-Rück­seite geht noch was, um sich gezwun­gener­maßen von zig Modellen auf dem Markt abzu­heben. Oftmals kann man die Geräte nur anhand des Kamera-Designs unter­scheiden oder am "veganen Leder", wie man einen gerif­feltes, modisch ausse­hendes Cover so schön nennt.

Das "Beson­dere" soll mit spezi­ellen Koope­rationen mit namhaften Kamera-Herstel­lern erreicht werden. Oder man tut so, als hätte man den aller­stärksten Prozessor auf dem Markt, weil dieser als Exklusiv-Version ein biss­chen höher taktet. Am Ende sorgt das auf Dauer aber nicht für den einen Wow-Effekt. Die vermeint­lichen Neue­rungen - egal, ob optisch oder im Inneren - sind vergli­chen mit der Vorgänger-Gene­ration oftmals nur Nuancen.

In Sachen Updates soll es nun möglichst nach­haltig sein. Google mit der Pixel-8-Serie und Samsung mit der Galaxy-S24-Serie wollen sieben Jahre Android- und Sicher­heits­updates liefern. Aber auch ein solches Update-Verspre­chen ist nur bedingt nach­haltig. Statt den Smart­phone-Markt mit immer glei­chen Modellen zu über­schwemmen, sollten die Hersteller nur dann Modelle auf den Markt bringen, wenn es auch tatsäch­lich signi­fikante Verbes­serungen gibt. Aber das bezieht sich eher auf den Hard­ware-Bereich. Denn Soft­ware ist Geräte-Gene­rationen über­grei­fend.

Künst­liche Intel­ligenz

Das nächste große Ding ist Künst­liche Intel­ligenz (KI). Die Hersteller machen es einem nicht leicht, dem aus dem Weg zu gehen. Der Nutzer und sein entspanntes Leben stehen im Vorder­grund. Er soll am besten gar nichts mehr selbst machen müssen, alles soll von der KI abge­nommen werden. Die aktu­ellsten Beispiele sind Galaxy AI von Samsung bezie­hungs­weise der Android-Soft­ware von Google: Mit dem Finger etwas einkreisen und dann im Internet danach suchen lassen oder die Live-Über­set­zung von Anrufen in eine andere Sprache, um die Barriere zu elimi­nieren. Xiaomi-Auto, Xiaomi 14 Ultra, Galaxy S24, Galaxy Ring und Google Pixel 8 Pro Xiaomi-Auto, Xiaomi 14 Ultra, Galaxy S24, Galaxy Ring und Google Pixel 8 Pro
Fotos: teltarif.de/Xiaomi, Montage: teltarif.de
Bei der Telekom soll es ganz ohne Apps funk­tio­nieren. Per Sprach­ein­gabe soll der Nutzer Reisen buchen oder in einem Online-Shop etwas bestellen können. Hier gibt es aber noch große Baustellen, vor allem beim Thema Daten­schutz, wenn einer AI-App eine Art Gene­ral­voll­macht über andere Apps erteilt werden muss - weil es ganz ohne Apps dann doch nicht geht.

Das Handy als Teil eines Ganzen

Die Hersteller haben gemerkt, dass sie Kunden nur noch an sich binden können, wenn sie mehrere Geräte haben, die geschickt mitein­ander kommu­nizieren. Im Rahmen des Mobile World Congress hat Xiaomi seine neue Ökosystem-Stra­tegie vorge­stellt und neben der Xiaomi-14-Serie und Gadgets gleich ein ganzes Auto in den Kreis­lauf inte­griert.

Das Handy an sich hat damit als Allein­stel­lungs­merkmal der modernen mobilen Technik ausge­dient. Es wird mehr und mehr nur noch der Wirt der KI und Teil eines Ganzen. Das muss nichts Schlechtes sein, aber es zeigt, dass Hard­ware und Design nicht mehr oberste Geige spielen. Und genau deswegen sollte man bitte nicht mehr so tun, als sei ein rand­loses 6,7- oder 6,8-Zoll-Display die Krone der Smart­phone-Schöp­fung, für die weit über 1000 Euro gezahlt werden muss. Denn viel Power hat auch die güns­tige Mittel­klasse, wie das Beispiel Poco X6 Pro zeigt. Und offenbar sind auch ältere Geräte, wie das Galaxy S23, noch ausrei­chend für die aktu­elle Samsung-KI gerüstet.

In einer Bilder­strecke haben wir für Sie unsere High­lights vom Mobile World Congress 2024 vereint.

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