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Editorial: Wie gleich ist zu gleich?

Der Markenrechtsstreit zwischen Apple und Samsung
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Editorial: Wie gleich ist zu gleich? Editorial: Wie gleich ist zu gleich?
Bild: Samsung, Apple, Montage:teltarif.de
Über die merkwürdigen Blüten, die der Patent-Krieg zwischen Handy-Herstellern, Software-Anbietern und weiteren Technologie-Trägern hervorbringt, habe ich bereits geschrieben. Nun hat Apple vor den Gerichten dieser Welt eine weitere Front eröffnet: das Marken- und Warenzeichenrecht, und das äußerst erfolgreich. Das Landgericht Düsseldorf hat Samsung vorerst verboten, sein Galaxy Tab 10.1 in den meisten Ländern der EU zu vertreiben. Das bedeutet eine milliardenschwere Schlappe für die Koreaner!

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Bild: Samsung, Apple, Montage:teltarif.de
Anders als beim Patentrecht geht es beim Marken- und Warenzeichenrecht nicht um das Kopieren von Technologien, sondern um das Kopieren von Produktkennzeichen, Bauformen und Designs. Eine Markenverletzung kann man nicht nur begehen, indem man Buchstabenfolge und Schriftzug einer Marke nachahmt, sondern auch, indem man ein Produkt identisch oder ähnlich nachbaut. Der Luxus-Uhrenhersteller "Rolex" lässt beispielsweise regelmäßig den Vertrieb von Billignachbauten verbieten, egal, ob auf diesen "Rolex" draufsteht oder nicht.

Dass im konkreten Fall sich zwei etablierte Markenhersteller, von denen der eine (Samsung) sogar Zulieferer von wesentlichen Komponenten (Displays, Prozessoren) des anderen ist, streiten, ändert nichts an der Anwendbarkeit des Markenrechts. Der vom Gericht bestätigte Vorwurf Apples: Das Galaxy Tab 10.1 sieht dem iPad zu ähnlich. Nicht nur die Geräte können vom flüchtigen Betrachter verwechselt werden, sondern auch die Verpackung oder die Startbildschirme nach dem Einschalten. Details dazu stehen in einem eigenen Artikel von uns. Vermutlich wäre die Verfügung nicht vom Gericht sofort durchgewunken worden, sogar ohne Anhörung Samsung, wenn Samsung das Galaxy Tab mit einem blauen (statt schwarzen) Rahmen rund um das Display und ohne abgerundete Ecken herstellen würde, und die Verpackung grün statt weiß wäre.

Was ist schon Markenkennzeichen und was ist einfach Usus?

Wahrscheinlich würden aber die Nutzer ein blaues Tablet weniger edel empfinden. Samsung würde nur eine kleinere Stückzahl davon verkaufen und/oder müsste einen Preisabschlag hinnehmen. Deswegen ist das Galaxy Tab schwarz. Die Gretchenfrage, die die Richter am Landgericht Stuttgart im nun anstehenden Einspruchsverfahren, und vermutlich auch in den kommenden Monaten und Jahren die Richter am Oberlandesgericht Stuttgart und auch am Bundesgerichtshof entscheiden werden müssen: Empfinden wir Nutzer alle deswegen schwarz als so edel, weil Apple mit dem Apple iPad nunmal den Maßstab gesetzt hat, und jede Abweichung von diesem Maßstab als Verschlechterung empfunden wird? Falls ja, hätte Apple mit dem Antrag recht. Oder geht es Samsung nur einfach darum, das Display möglichst neutral einzufassen, damit der Rahmen nicht vom angezeigten Inhalt ablenkt? Fernseher, Laptops und Handys haben ja ebenfalls überwiegend ein schwarzes Gehäuse. Letzteres spricht stark gegen die Monopolisierung dieser Farbe durch Apple!

Die Anwälte werden sich vor Gericht um lauter Allgemeinplätze dieser Art streiten, und jeder der beiden Kontrahenten wird versuchen, seine Sichtweise durch Studien oder Marktvergleiche zu belegen. Denn in den einschlägigen Gesetzen zum Markenrecht stehen nur wenige allgemeine Leitsätze. Deren Anwendung auf die einzelnen Industrie-Branchen und deren Produkte unterscheidet sich stark und ist zumeist historisch gewachsen. Während in der Telekommunikation viel Wert auf Einzelfarben gelegt wird (siehe diverse erfolgreiche Abmahnungen der Telekom wegen ihrer Farbe "Magenta") oder im Bereich der Körperpflege in Bezug auf die runde blaue Metalldose der "Nivea"-Creme bis heute alle Nachahmer vom Markt geklagt werden konnten, werden Farben in anderen Branchen oft als Allgemeingut angesehen: So werden hierzulande praktisch alle Paprikachips in roten Tüten verpackt, und Cola-Getränke haben meist eine rote Banderole um die Flasche. Ebenso etabliert sich bei Tafelwasser, getrieben von den Discountern, zunehmend ein Farbcode, mit dem nicht die Marke, sondern der Kohlensäuregehalt (blau für "Sprudel", grün für "Medium", rosa für "ohne Sprudel") gekennzeichnet wird.

In diesem Spannungsfeld ist den Richtern viel Fingerspitzengefühl zu wünschen, um zwischen nötigen Ähnlichkeiten - Tablets sind nunmal flach, mit einem Touchscreen als dominierendem Bauteil, und mit runden Ecken, damit man sich nicht dran piekst -, weniger nötigen Ähnlichkeiten und bereits heute vorhandenen klaren Unterscheidungsmerkmalen zu trennen. Vielleicht reicht es ja am Ende bereits, wenn Samsung Farbe und Aufbau der Packung variiert.

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