Editorial: Das Entsperrpatent weggewischt
iPhone-Sperrbildschirm
Foto: teltarif.de
Gut acht Jahre ist es her, dass
Apple mit der
Auslieferung des ersten
iPhone in den USA begonnen hat.
(Fast) seit damals tobt auch der Apple-Patentkrieg, in dem sich
Apple auf der einen und zahlreiche Pioniere des Mobilfunks auf der
anderen Seite medienwirksam um Anerkennung und Aufmerksamkeit, um
Unterlassung und Lieferstopps, aber letztendlich vor allem um Geld
streiten. Vor dem BGH hat Motorola nun
einen wichtigen Sieg errungen: Apples Europa-Patent zur Entsperrgeste,
mit der sich ein gesperrtes Gerät mit nur einer Wischbewegung
entsperren lässt, ist zumindest in Deutschland
nichtig.
Die Begründung des Gerichts: Touchscreen-Geräte, die sich per
Wischbewegung entsperren ließen, gab es schon vor der Patentanmeldung
Apples, insbesondere das Neonode N1. Einzige Ergänzung Apples:
Während der Nutzer die Entsperrbewegung durchführt, zeigt das Gerät
einen Verschieberegler ("Slider") an, der dem Nutzer signalisiert, wo
das Gerät gerade die Eingaben des Nutzers erkennt. Doch in diesem
kleinen zusätzlichen Schritt, einen virtuellen Schieberegler anzuzeigen,
mochte der BGH keine ausreichende Erfindungshöhe erkennen, um einen
eigenen Patentanspruch zu rechtfertigen. Vielmehr sei
"eine solche benutzerfreundlichere Anzeige dem Fachmann durch den
Stand der Technik nahegelegt" urteilte der Bundesgerichtshof.
iPhone-Sperrbildschirm
Foto: teltarif.de
Andere Länder - andere Entscheidungen?
In anderen Ländern kann der Streit anders ausgehen. Da zudem die Android- und Windows-Phone-Konkurrenz inzwischen auf zwar ähnliche, im Detail aber ausreichend abweichende, Entsperrgesten umgestellt hat, ist die Bedeutung des Entsperr-Patents eh stark gesunken. Es ist aber - neben abgerundeten Ecken - eines der Symbole für den iPhone-Patentkrieg geworden. Viele Kommentatoren haben sich immer gefragt, ob sich so was einfaches wie ein virtueller Schieberegler auf einem Touchscreen patentieren lässt. Der BGH hat dazu jetzt ein klares "Nein" formuliert und ein Urteil des Bundespatentgerichts von vor zwei Jahren bestätigt.
Wäre Apple besser beraten gewesen, auf den Streit zu verzichten? Nun, wohl nicht. Die öffentliche Diskussion über Entsperrgesten, Touchscreen, abgerundete Ecken und Co. war auf jeden Fall viel wert für Apple. Am Ende gewannen viele Nutzer den Eindruck, Apple hätte das alles erfunden. Selbst, wenn die Wahrheit ist, dass Nischenanbieter wie Neonode schneller waren. Doch die sind in der Diskussion vollkommen untergegangen.
Ist mit der Entscheidung der Patentstreit beendet? Wohl kaum. Die Frage, welches Patent wie viel wert ist, und insbesondere, wer wie viel Beitrag zu den Mobilfunkstandards geleistet hat, wird auch künftig die Rechtsabteilungen der Unternehmen und ggfls. die Gerichte beschäftigen. Dazu ist es zu viel Geld, das hier verteilt wird, als dass Unternehmen einfach darauf verzichten würden.