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Editorial: Der Patent-K(r)ampf

Die juristischen Folgen der Umwälzungen im Handy-Markt
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Die letzte Woche war wieder voll von Meldungen zum Patent-Krieg zwischen den Mobilfunkfirmen: Nokia vs. Apple endete mit einer überraschenden Einigung zu Gunsten Nokias. Im Streit Nokia vs. IPcom (ehemals Boschy) entschied ein Gericht in London hingegen zu Ungunsten Nokias.

Die juristischen Folgen der Umwälzungen im Handy-Markt: Die alten, etablierten Hersteller verklagen munter die neuen. Die juristischen Folgen der Umwälzungen im Handy-Markt: Die alten, etablierten Hersteller verklagen munter die neuen.
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Oracle hat Sun mitsamt der Java-Programmiersprache übernommen und klagt gegen Google, die eine eigens entwickelte Java-Kopie für Android einsetzen, um Lizenzzahlungen zu umgehen. Unterdessen ist ein unerwarteter Bieterwettstreit um die Patente des insolventen Telekom-Ausrüsters Nortel entstanden. Insbesondere Google hätte diese gerne, um Patent-Klagen der älteren Mobilfunk- und/oder Betriebssystem-Hersteller etwas entgegenzusetzen zu haben.

Einigung zwischen Konkurrenten

Auffällig ist beim Patent-Krieg, dass in den Fällen, in denen beide Konfliktparteien in derselben Branche tätig sind, sich meist nach einiger Zeit einigen. Zwar reichen zunächste beide Seiten jeweils Klage ein, um ihren jeweiligen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Doch ist eine fortgesetzte Eskalation vor Gericht für beide Seiten mit so vielen Nachteilen verbunden, dass sie ihre jeweiligen Forderungen auf ein für die Gegenseite akzeptables Maß zurechtstutzen. Denn von wechselseitigen richterlich verfügten Herstellungsverboten profitiert allenfalls der sprichwörtliche lachende Dritte.

So geschehen zwischen Apple und Nokia: Der Hersteller des neuen Smartphones Nummer 1 zahlt an den bisherigen Smartphone-Hersteller Nummer 1 für die Nutzung von zahlreichen Innovationen, die Nokia in der Vergangenheit unzweifelhaft in den Markt eingeführt hat. Schließlich war es kein neuer Dienst, der das iPhone so einzigartig gemacht hat, sondern die Integration bestehender und von Nokia-Smartphones bereits bekannter Dienste (Telefonie, Browser, E-Mail, Medien-Abspieler, Software-Nachinstallation etc. pp.,) unter einer innovativen neuen Oberfläche.

Harte Fronten bei branchenfremden Klägern

Verhärteter sind die Fronten bei Patentstreits zwischen reinen Rechteverwertern - böse Zungen nennen diese auch "Patent-Trolle" - oder in anderen Branchen tätigen Unternehmen auf der einen und Mobilfunk-Unternehmen auf der anderen Seite. Beispiel IPcom, die die Patente von Bosch übernommen hatten, nachdem diese die Handy-Produktion vor über einem Jahrzehnt aufgegeben hatten: IPcom kann im Patentstreit gegen Nokia notfalls auch ein Jahrzehnt auf ein Milliarden-Urteil zu ihren Gunsten warten, und danach dann in aller Ruhe die weiteren Handy-Hersteller (Samsung, LG, htc, Sony-Ericsson, Apple usw.) in Ruhe abarbeiten.

IPcom läuft mangels eigener Handy-Produktion keine Gefahr, dass die verklagten Handy-Hersteller mit eigenen Patenten kontern und noch mehr Geld erfolgreich zurückklagen. Ebenso kann eine Unterlassungsverfügung zur weiteren Herstellung nur die aktiven Hersteller treffen, nicht die reinen Rechteverwerter.

Konkret war Nokia mit dem Versuch gescheitert, ein Patent von IPcom vor dem Londoner Gericht für ungültig erklären zu lassen. Das Patent soll den Aufbau von Notrufen auch bei ansonstem überlasteten Netz ermöglichen. Ältere Nokia-Modelle, wohl auch solche, die weiterhin ausgeliefert werden, verwenden laut dem Urteil die Technologie aus dem IPcom-Patent, die neuesten Nokia-Handys hingegen nicht mehr.

Das gesamte Streitvolumen zwischen IPcom und Nokia soll bis zu 12 Milliarden Euro umfassen, das Notruf-Patent ist nur eines der umstrittenen Patente, und es wurde auch nur in einem Land (Großbritannien) bestätigt. Nokia hat bereits angekündigt Berufung einzulegen.

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