Themenspezial: Verbraucher & Service Urteil

o2-Inkasso: Kein Druck mit irreführenden Hinweisen

Dürfen Handy-Provider und ihre Inkasso-Unter­nehmen dadurch Druck aufbauen, dass sie irre­füh­rend auf Urteile und Gesetze hinweisen? Nein, urteilte das Land­gericht Hamburg zu einer Geschichte mit o2.
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Urteil zu Inkasso bei o2 Urteil zu Inkasso bei o2
Quelle: o2.de, Screenshot: teltarif.de
Wenn man Kindern ein Handy mit SIM-Karte in die Hand gibt, sollte man schauen, was beim Vertrag oder der Prepaid­karte alles frei­geschaltet ist. Wenn beispiels­weise mobiles Bezahlen per Handy-Rech­nung akti­viert ist, kann der Nach­wuchs mit dem Handy Apps kaufen und In-App-Käufe tätigen. Ob diese Geschäfte dann rechts­kräftig sind, steht auf einem anderen Blatt.

Und wenn dann noch Provider mit Hilfe eines Inkas­soun­ter­neh­mens versu­chen, die Beträge einzu­treiben, wird in den Schreiben manchmal ein gewisser Druck aufge­baut. In einem Fall vor dem Land­gericht Hamburg wurde das als unrecht­mäßig erachtet.

Sohn erzeugt Umsätze auf Handy-Rech­nung

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Quelle: o2.de, Screenshot: teltarif.de
Die Verbrau­cher­zen­trale Hamburg warnt davor, sich von der manchmal martia­lischen Sprache in den Schreiben von Inkas­soun­ter­nehmen einschüch­tern zu lassen.

Ein Vater hatte seinem Sohn offenbar das Smart­phone mit o2-Vertrag über­lassen. Eine Dritt­anbie­ter­sperre scheint bei dem Vertrag nicht gesetzt gewesen zu sein, auf jeden Fall war mobiles Bezahlen per Handy-Rech­nung akti­viert. Der Sohn hat laut dem Bericht dann wohl In-App-Käufe für die Online-Spiele "Brawl Stars" und "FIFA Fußball" getä­tigt.

Der Vater bemerkte dies erst bei der nächsten Rech­nung und soll aus allen Wolken gefallen sein. Unter der Posi­tion „Zahlen per Handy­rech­nung“ war auf der Rech­nung ein Betrag von 442,14 Euro aufge­führt. Der Vater wusste nichts von den Käufen und war mit diesen auch nicht einver­standen. Er legte Einspruch gegen die Rech­nung ein und bezahlte den Betrag nicht.

Die Begrün­dung des Urteils

Die Kanzlei KSP Rechts­anwälte erle­digte in diesem Fall das Inkasso für Telefónica. Im Brief an den Vater erklärte das Inkas­sobüro diesem, dass er als Anschluss­inhaber und Vertrags­partner von Telefónica für jede zure­chen­bare Nutzung der SIM-Karte seines Tele­fons hafte. Auf die Minder­jäh­rig­keit des tatsäch­lichen Nutzers käme es für die Haftung des Anschluss­inha­bers nicht an. Gemäß § 45 i Abs. 4 des Tele­kom­muni­kati­ons­gesetzes würde eine "Regel­haf­tung für den Inhaber eines Tele­kom­muni­kati­ons­anschlusses“ bestehen. Um die Aussage zu unter­mauern, verwies die Kanzlei zudem auf ein Urteil des Bundes­gerichts­hofs (BGH) aus dem Jahr 2006.

Die Verbrau­cher­zen­trale Hamburg ließ das gericht­lich klären. Das Land­gericht Hamburg schloss sich der Sicht­weise der Verbrau­cher­schützer an und wertete in seinem Urteil die Aussagen der Kanzlei KSP als irre­füh­rende Behaup­tung einer eindeu­tigen, aber tatsäch­lich nicht bestehenden Rechts­lage. Der Vater muss keine 442,14 Euro für die In-App-Käufe seines Sohnes bezahlen. Eine Kanzlei müsse irre­füh­rende Verweise auf Urteile und Gesetze in Inkas­soschreiben zum Verfolgen angeb­licher Forde­rungen unter­lassen.

Aus dem Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz ergibt sich laut den Juristen weder eine Regel­haf­tung des Anschluss­inha­bers, noch hat der BGH diese in dem zitierten Urteil ange­nommen. In Wahr­heit haben die obersten Richter im Jahr 2017 in ihrer Entschei­dung hervor­gehoben, dass die Vorschrift des Tele­kom­muni­kati­ons­gesetzes bei der Nutzung von über die Tele­fon­rech­nung abge­rech­neten Zahlungs­diensten eben gerade nicht zum Tragen kommt.

Außerdem haften Erzie­hungs­berech­tigte laut der Verbrau­cher­zen­trale als Anschluss­inhaber einer Rufnummer nicht auto­matisch, wenn die minder­jäh­rigen Kinder über die Funk­tion "Bezahlen per Handy­rech­nung" Einkäufe tätigen.

Wer bei Handy, Internet und Fest­netz unge­recht behan­delt wird, steht nicht alleine da. Wir erläu­tern nicht nur, wie man bei der BNetzA, der Verbrau­cher­zen­trale oder einem Anwalt Hilfe bekommt, sondern geben auch Tipps zur Selbst­hilfe.

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