Themenspezial: Verbraucher & Service Zahlung verhindert

Editorial: Wahl der Waffen

Der Bundesgerichtshof bestätigt: In Ausnahmefällen darf die Verbraucherzentrale auch Konten sperren lassen. Lesen Sie, warum dieses Mittel besonders gegen Massenbetrüger besonders hilfreich sein kann.
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Verbraucherzentrale darf auch Konten sperren lassen Verbraucherzentrale darf auch Konten sperren lassen
Bild: teltarif.de
Allein die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben fast 30 000 Verbraucher wegen Abofallen auf Onlineseiten beraten. Entsprechend verständlich ist, dass sie nach Mitteln und Wegen gegen die Abofallen-Betreiber gesucht hat, die über das übliche Schreiben von Abmahnungen und deren Durchsetzung von Gericht hinausgehen. Zwar stehen die Chancen der Verbraucherzentralen vor Gericht in solchen Fällen recht gut. Doch kann es Jahre dauern, bis in solchen Fällen ein endgültiges Urteil gesprochen wird, zumal, wenn die Betreiber der Abofalle es darauf anlegen, den Prozess zu verzögern.

In einem konkreten Fall kam dann noch verschärfend hinzu, dass das vom Abofallenbetreiber beauftragte Inkassobüro selbst dann weiter Mahnungen an den vermeintlichen Kunden schickt, als die Verbraucherzentrale bereits längst im Namen des Nutzers den Vertrag widerrufen und Einwände gegen die Rechnung angemeldet hatte, auch direkt gegenüber dem Inkassounternehmen. In diesem Fall ist es nicht mehr zulässig, blindlings Mahnungen zu schicken. Vielmehr müsste das Inkassounternehmen Klage erheben, um die Einwände gegen die Rechnung gerichtlich prüfen zu lassen, oder auf weitere Maßnahmen zur Durchsetzung der Forderung verzichten.

In der Folge forderte die Verbraucherzentrale die Sparkasse Heidelberg auf, das Konto des Inkassounternehmens zu kündigen. Diese kam dem Ansinnen offenbar nach, und in der Folge lief das Spiel vor Gericht einmal andersherum: Nicht die Verbraucherzentrale klagte auf Unterlassung gegen einen Unternehmer, der sich ihrer Meinung nach nicht an die Spielregeln hält, sondern der Unternehmer klagte auf Unterlassung gegen die Verbraucherzentrale. Diese solle ihm bitteschön nicht mehr die Konten wegnehmen.

In den Vorinstanzen verlor der Unternehmer zunächst vor dem Landgericht Frankfurt und gewann dann vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Der BGH hat das Urteil nun abermals umgedreht - am Schluss obsiegte also die Verbraucherzentrale. Demnach sei die "Meinungsäußerung" der Verbraucherzentrale gegenüber der Bank sehr wohl zulässig, weil sich das Inkassounternehmen "bewusst an der Durchsetzung eines auf systematische Täuschung von Verbrauchern angelegten Geschäftsmodells der W. GmbH [des Abofallenbetreibers] beteiligt hatte".

Schwierige Abwägung von Interessen

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Man muss sich bewusst sein, dass die Kündigung eines Kontos eines Inkassounternehmens ein schwerer Eingriff in dessen Betrieb ist. Das ist etwa vergleichbar damit, einem Fuhrunternehmer den Lkw oder einem Händler das Ladenlokal wegzunehmen. Zwar kostet die Neueröffnung eines Kontos weniger als die Anschaffung eines neuen Lastwagens oder die Einrichtung eines neuen Ladens. Doch wird ein Inkassounternehmen im Regelfall tausende offene Mahnschreiben haben, und diese müssen alle wiederholt werden, um den säumigen Zahlern die neue Kontoverbindung mitzuteilen. Hinzu kommt die zeitaufwändige Klärung all jener Fälle, in denen Zahlung eines Schuldners und Mitteilung der neuen Kontodaten sich überschnitten haben.

Entsprechend kann die Aufforderung zur Kontokündigung nicht der Regelfall sein, nur, weil sich ein Sachbearbeiter eines Unternehmens in einem Einzelfall falsch verhalten hat, selbst dann, wenn er diesen Fehler hartnäckig weiterverfolgt hat. Ebensowenig ist eine Kontokündigung angemessen, nur, weil sich Verbraucherzentrale und Unternehmer über ein paar periphere AGB-Regeln streiten. Sie muss ultima ratio bleiben, um ein Unternehmen zumindest kurzfristig zu stoppen, wenn dessen Geschäftsmodell nachhaltig auf Täuschung und Betrug der Allgemeinheit angelegt ist. Genau so schreibt es auch der Bundesgerichtshof - zu Recht.

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