Debatte

"Freiheitsgefährdende Nebenwirkungen" durch Internet-Sperren

Diskussion um Bürgerrechte im Internet auf dem Internet Governance Forum
Aus Berlin berichtet Marc Kessler

Diskussion um Vorratsdatenspeicherung Diskussion um Vorratsdatenspeicherung
Bild: © Tomasz Trojanowski - Fotolia.com
Vorratsdatenspeicherung und Internet-Sperren - diese gesellschaftlich relevanten Themen werden aktuell auf dem dritten Internet Governance Forum (IGF) in Berlin diskutiert. Dabei sprachen sich sowohl Rosemarie Will von der Humanistischen Union als auch die Vertreterin des Bundesjustizministeriums, Dr. Birgit Grundmann, gegen eine pauschale und anlasslose Speicherung von Vorratsdaten aus.

Diskussion um Vorratsdatenspeicherung Diskussion um Vorratsdatenspeicherung
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Will wies in ihrem Eröffnungsvortrag allerdings darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil wie berichtet die Vorratsdatenspeicherung nicht grundsätzlich ausgeschlossen habe, sondern diese unter Beachtung bestimmter Prinzipien durchaus möglich sei. Daher sei nicht klar, was in Deutschland in puncto Vorratsdatenspeicherung nun folgen werde.

Humanistische Union fordert Recht auf "Privatheit im Internet"

Die Vorsitzende der Humanistischen Union sprach sich klar gegen die Speicherung aus: Das Internet dürfe nicht dazu benutzt werden, den Einzelnen anlasslos und lückenlos auszuspähen. Vielmehr sei das Internet zur Realisierung von Grundrechten - etwa dem Recht auf Informationsfreiheit oder dem Recht auf freie Meinungsäußerung - da. Der Bürger müsse ein Recht auf die anonyme Nutzung des Internets haben, so Rosemarie Will. Hier müssten die Verschlüsselungsmöglichkeiten gestärkt werden, eine "Privatheit im Internet" müsse möglich sei. Dies gelte im übrigen nicht für den Staat, sondern richte sich auch an die Industrie, die die Daten der User für ihre Zwecke unter Umständen verwerte.

Justizministerium: Wollen keine pauschale Vorratsdatenspeicherung

Die Staatssekretärin des Bundesjustizministeriums, Dr. Birgit Grundmann, schloss sich der Forderung in puncto Internet-Sperren an: "Wir treten dafür ein, nicht 80 Millionen Deutsche als potenziell Verdächtige anzusehen und Vorratsdaten anlasslos für sechs Monate zu speichern." Das Bundesverfassungsgericht habe die Speicherung zu Recht für unzulässig erklärt, so Grundmann. Die Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten werde nun auch auf EU-Ebene geprüft, so dass Änderungen auch in der EU-Richtlinie, aufgrund derer das Thema in Deutschland erst umgesetzt wurde, absehbar seien.

Das Bundesjustizministerium unter Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) setze sich dafür ein, dass eine Speicherung von Verbindungsdaten nur bei konkretem Verdacht beziehungsweise bei Personen, die mit einem konkret Verdächtigen in Kontakt stehen, möglich sein solle. Hier denkt das Ministerium an die sogenannte Quick-Freeze-Methode.

Internet-Sperren: Verursachen "freiheitsgefährdende Nebenwirkungen"

Grundmann griff auch die Problematik der Internet-Sperren auf, über die seit Monaten - vor allem in Hinsicht auf kinderpornografische Angebote - gerungen wird. Die Staatssekretärin hält wie ihre Ministerin Internet-Sperren aber für den falschen Weg gegen Kinderpornographie: Diese könnten "sekundenschnell umgangen" werden, die Anleitung dazu finde sich auf YouTube. Zudem verursachte diese Methode auch "freiheitsgefährdende Nebenwirkungen" wie das "Overblocking", also das Mitsperren eigentlich unproblematischer Inhalte. Dadurch würde das Vertrauen der Bürger in die Politik untergraben, sagte Grundmann. Vielmehr solle man daher "intensive Löschanstrengungen" unternehmen.

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