BGH-Grundsatz-Urteil: wenigermiete.de & Co. sind zulässig
Rechtsdienstleister wie Wenigermiete dürfen tätig werden, entschied der Bundesgerichtshof. Fachleute möchten gerne die Gesetzeslage klarer fassen, die Anwaltskammer hat Bedenken.
Grafik: Picture Alliance / dpa
Den Streit um eine Mieterhöhung überlassen manche Mieter gerne einem
Internet-Dienstleister wie wenigermiete.de. Aber sind solche Angebote rechtlich
überhaupt zulässig? Darüber hat heute der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Der Streit um wenigermiete.de
Rechtsdienstleister wie Wenigermiete dürfen tätig werden, entschied der Bundesgerichtshof. Fachleute möchten gerne die Gesetzeslage klarer fassen, die Anwaltskammer hat Bedenken.
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Es ging um die wichtige Frage, ob Mieter im Streit mit Vermietern künftig weiter auf Internet-Dienstleister wie wenigermiete.de zurückgreifen können. Dazu wurde ein Grundsatzurteil zu diesem Geschäftsmodell gefällt.
Der Kernpunkt: Solche Portale haben keine Rechtsanwaltslizenz, sondern setzen als Inkassounternehmen für ihre Nutzer die Verbraucherrechte durch. Kosten entstehen für den Mieter nur bei Erfolg.
BGH: Angebote sind zulässig
Diese Angebote sind zulässig, stellten die Richter in Karlsruhe heute fest. Die im verhandelten Fall zwischen Mieter und Wenigermiete.de vereinbarte Abtretung ist wirksam, entschied der VIII. Zivilsenat und verwies den Fall an das Landgericht Berlin zurück.
Wie funktioniert wenigermiete.de?
Wenigermiete.de ist ein Angebot der Berliner Firma Lexfox und hat sich auf Streitigkeiten um Schönheitsreparaturen, Mietminderung oder zu hohe Mieten spezialisiert. Die Vorprüfung läuft über einen Online-Rechner auf der Homepage. Per Mausklick tritt der Nutzer seine Ansprüche gegen den Vermieter an den Dienstleister ab. Wenigermiete.de bemüht sich zunächst um eine außergerichtliche Einigung. Klappt das nicht, reicht ein Vertragsanwalt anstelle des Mieters Klage ein.
Portale haben oft keine Rechtsanwaltslizenz
Im konkreten Fall versuchte Wenigermiete.de, für einen Berliner Mieter eine zu hoch angesetzte Miete zu drücken. Die Richter am Landgericht Berlin hatten die Klage abgewiesen, weil sie Lexfox nicht für klagebefugt hielten (Az. VIII ZR 285/18). Die Firma leiste unerlaubterweise Rechtsberatung. Die ist aber Anwälten vorbehalten.
Eine andere Kammer des Landgerichtes hatte zuvor anders entschieden.
Spannende Diskussion in Fachkreisen
Die FDP-Fraktion im Bundestag schlägt eine Reform des Rechtsdienstleistungsgesetzes vor, den die Bundesrechtsanwaltskammer (wen wundert es) zutiefst ablehnt. Eine Länderarbeitsgruppe sieht das Thema „Legal Tech“ als Herausforderung für die Justiz. Der Startup-Verband hält fest, dass viele Verbraucher „Bammel“ vor dem Gang zum Anwalt hätten und damit auf ihr Recht verzichten, von daher wären Legal-Techs sehr hilfreich. Denn: Die Legal-Tech Unternehmen würden den Anwälten keine Arbeit wegnehmen, sondern ihnen neue Aufträge verschaffen, um beispielsweise in Fällen, die vorher nie aufgegriffen worden wären, klagend tätig zu werden.
Auswirkungen erwartet
Das Urteil wird große Auswirkungen auf die sogenannten Legal-Tech-Unternehmen in Deutschland haben, die mit Hilfe von Algorithmen die Chancen auf Durchsetzung von Ansprüche kalkulieren und die dann einfordern.
Bitkom fordert gesetzliche Regelung für Legal-Tech
Aus Sicht des Branchenverbandes Bitkom "ist der Gesetzgeber gefordert, Legal-Tech-Angeboten grundsätzlich einen Bereich zulässiger Rechtsdienstleistungen zuzuweisen. Die Unternehmen bieten vor allem für jene Fälle Lösungen an, die aufgrund des geringen Streitwerts für Rechtsanwälte ohnehin nicht attraktiv sind. Das Anwaltsmonopol wäre auch bei einer Zulassung von Legal-Tech-Angeboten also nicht gefährdet. Aus Sicht der Verbraucher schließen Legal-Tech-Angebote die Lücke zwischen ‚Recht haben‘ und ‚Recht bekommen‘, etwa bei ungerechtfertigt hoher Miete, bei der Durchsetzung von Ansprüchen im Fall von Flugverspätungen, beim Widerspruch gegen Strafzettel oder bei der Erstellung einfacher juristischer Schreiben oder Dokumente.“