Themenspezial: Verbraucher & Service Banken und Sparkassen

"Finanztest": Immer weniger kostenlose Girokonten

Kostenlos war einmal: Das gilt nach Erfah­rungen von Stif­tung Waren­test auch zuneh­mend für die Giro­card. Zugleich werden güns­tige Giro­konten seltener.
Von dpa /

Banken und Spar­kassen ziehen die Gebüh­ren­schraube weiter an. "Ganz oft wird inzwi­schen die Giro­card bepreist", sagte "Finanz­test"-Expertin Heike Nicodemus der Deut­schen Presse-Agentur. Die Zahl der kosten­losen oder güns­tigen Giro­konten ist nach einer Auswer­tung der Zeit­schrift "Finanz­test" der Stif­tung Waren­test weiter gesunken.

Anzei­chen für eine baldige Renais­sance des kosten­losen Giro­kontos, mit dem Insti­tute in Zeiten hoher Zinsen um Einlagen der Kunden warben, sieht Nicodemus trotz stei­gender Zinsen im Euro­raum derzeit nicht. "Der Trend geht momentan eher in die andere Rich­tung."

Bei einer Auswer­tung von 432 Modellen von 165 Banken und Spar­kassen fanden die Tester gerade einmal 12 Gehalts- oder Renten­konten, die ohne Bedin­gungen für Online-Kunden kostenlos sind. Vor einem Jahr waren es noch 14.

Nicht mehr als 60 Euro im Jahr seien in Ordnung

Die aktuelle Finanztest-Ausgabe hat die Nummer (9/2022) Die aktuelle Finanztest-Ausgabe hat die Nummer (9/2022)
Bild: picture alliance / dpa | Tim Brakemeier
Solange ein Giro­konto übers Jahr gesehen nicht mehr als 60 Euro kostet ist das aus Sicht von Stif­tung Waren­test in Ordnung. Die Bank wickele schließ­lich Buchungen ab und stelle Geld­auto­maten sowie sichere Technik für das Online-Banking zur Verfü­gung. Die Gesamt­zahl der kosten­losen und güns­tigen Giro­konten sank der Auswer­tung zufolge von 91 im vergan­genen Jahr auf noch 79. Die teuerste ausge­wer­tete Konto­füh­rung kostet 360 Euro im Jahr.

Verbes­serungs­bedarf sieht Nicodemus bei den vorge­schrie­benen Entgelt­infor­mationen für Kunden. "Die Infor­mationen sind auf der Home­page oft sehr schwer zu finden und häufig nicht aktuell."

Als kostenlos defi­niert die Stif­tung Waren­test: keine Grund­gebühr, keine Gebühr für Konto­auszug, Buchungen, Giro­card und beim Geld­abheben am Auto­maten im eigenen Banken­pool sowie keine Bedin­gungen wie regel­mäßiger Geld- und Gehalts­ein­gang in einer bestimmten Höhe. Zugrun­dege­legt für die Auswer­tung in der aktu­ellen "Finanz­test"-Ausgabe (9/2022) wurde eine Modell­person. Sie bekommt ein regel­mäßiges Gehalt, führt das Konto online und nutzt es durch­schnitt­lich.

BGH-Urteil zu Gebüh­ren­erhö­hungen

Gebüh­ren­erhö­hungen hatte der Bundes­gerichtshof (BGH) im vergan­genen Jahr inso­fern Grenzen gesetzt, als Kredit­insti­tute bei Ände­rungen von Allge­meinen Geschäfts­bedin­gungen (AGB) die Zustim­mung ihrer Kunden einholen müssen. Geld­häuser mussten daher nach­träg­lich um Zustim­mung zu aktu­ellen Gebühren bitten. Zudem können Bank­kunden Gebühren zurück­for­dern, die Insti­tute ohne expli­zite Einwil­ligung erhoben haben, hatte das Gericht am 27. April 2021 entschieden.

Bei der Umset­zung des Urteils gibt es aller­dings weiterhin Ärger. So gingen bei der Finanz­auf­sicht Bafin im zweiten Quartal des laufenden Jahres rund 200 Beschwerden von Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher im Zusam­men­hang mit der BGH-Entschei­dung ein, wie die Behörde auf Anfrage mitteilte. Es ging dabei insbe­son­dere um Frage der Erstat­tung von Gebühren. In den ersten drei Monaten zählte die Bafin 750 Beschwerden.

Großer Mehr­auf­wand für Banken

Nicodemus zufolge bedeutet das Urteil einen großen Mehr­auf­wand für Banken und Spar­kassen. "Jeder Kunde muss einzeln ange­schrieben werden. Es ist aller­dings nicht auszu­schließen, das Insti­tute dabei die Gele­gen­heit nutzen und weiter an der Gebüh­ren­schraube drehen." Stimmen Kunden den Ände­rungen der Allge­meinen Geschäfts­bedin­gungen nicht zu, können die Kredit­insti­tute ihnen kündigen. "Auf diese Weise werden sie mögli­cher­weise auch Kunden los, die im Umgang eher schwierig sind", vermutet die Expertin.

Trotz stei­gender Zinsen im Euro­raum geht Nicodemus vorerst nicht davon aus, dass Banken und Spar­kassen bald wieder verstärkt mit kosten­losen Giro­konten um Kunden für Geld­anlagen werben könnten. "Ange­sichts gene­rell stei­gender Kosten erwarte ich keine Umkehr in den nächsten zwei bis drei Jahren." Anders sehe es bei Jugend­konten für Schüler, Auszu­bil­denden oder Studenten aus, die bereits heute mehr­heit­lich kostenlos seien. "Hier geht es darum, diese Kunden zu binden, bis sie eigenes Geld verdienen."

Giro­konten verglei­chen

Die Stif­tung Waren­test, die in staat­lichem Auftrag derzeit eine kosten­lose Webseite zum Giro­kon­ten­ver­gleich betreibt, wertete die Kondi­tionen von Gehalts- und Renten­konten mit Gültig­keit bis 31. August aus. Unter­sucht wurden alle bundes­weiten Insti­tute sowie Direkt- und Kirchen­banken, alle Sparda- und PSD-Banken sowie die größten Spar­kassen sowie Volks- und Raiff­eisen­banken je Bundes­land. Sie decken gemessen an der Bilanz­summe den Angaben zufolge etwa 70 Prozent des Marktes ab.

Der Verbrau­cher­portal Biallo kommt auf 31 kosten­lose Giro­konten (Stand: 12. August). Unter­sucht wurden den Angaben zufolge Preis- und Leis­tungs­ver­zeich­nisse und Websites von mehr als 1200 Banken und Spar­kassen.

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