BGH verhandelt über anonyme Bewertungen im Internet
Der BGH verhandelt über anonyme Bewertungen im Internet.
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Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat
über die Grenzen der Anonymität im Internet beraten. In dem Fall (Aktenzeichen BGH VI ZR 345/13) vor
dem VI. Zivilsenat wehrt sich das Bewertungsportal Sanego gegen ein
Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, Namen und Anschrift eines
Nutzers zu nennen, der falsche Tatsachen über einen Arzt aus
Schwäbisch-Gmünd verbreitet hat. Bei solchen Bewertungsportalen
können Patienten anonyme Beiträge veröffentlichen, die anderen bei
der Arztwahl helfen sollen. Eine Entscheidung wird am 1. Juli
verkündet.
Der Mediziner sieht sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. "Es darf nicht sein, dass jemand derartige Vorwürfe erhebt, ohne seine Identität preiszugeben", sagte der niedergelassene Mediziner der Nachrichtenagentur dpa. Die strittige Bewertung habe "unwahre und damit im Grundsatz unzulässige Tatsachenbehauptungen" enthalten, sagte der Vorsitzende Richter Gregor Galke - etwa, dass der Patient drei Stunden im Wartezimmer gesessen habe und dass Patientenakten in Wäschekörben aufbewahrt worden seien. Der Richter stellte die Frage: Greift der Schutz der Anonymität auch dann, wenn der Nutzer das Portal verwendet, "um in Grundrechte anderer einzugreifen"?
Internet-Nutzer habe den Internet-Dienst missbraucht
Der BGH verhandelt über anonyme Bewertungen im Internet.
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Der Arzt leitet seinen Anspruch auf Auskunft vor allem aus dem
Bürgerlichen Gesetzbuch ab, wie Rechtsanwalt Matthias Siegmann
ausführte. Mit der Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen habe
der Nutzer den Internet-Dienst missbraucht. Dies dürfe nicht unter
den im Telemediengesetz verankerten Schutz der Anonymität fallen.
Dieses Gesetz aus dem Jahr 2007 sieht vor, dass Internet-Dienste wie
Bewertungsportale oder auch Diskussionsforen eine Nutzung mit
Pseudonym oder ganz anonym ermöglichen müssen.
"Der Betroffene ist nicht schutzlos", sagte allerdings Richterin Vera von Pentz während der Verhandlung. "An den Täter kommt er dadurch heran, dass er Strafanzeige stellt." Im Kern des Streits geht es somit vor allem darum, ob es auch einen einfachen zivilrechtlichen Anspruch auf Auskunft gibt, auch ohne eine Strafanzeige.
In den beiden Stuttgarter Vorinstanzen hatte der Arzt weitgehend Recht bekommen. Daraufhin legte Sanego in der Frage des Auskunftsanspruchs Revision ein.
Für Sanego sagte Rechtsanwalt Thomas von Plehwe, der Auskunftsanspruch sei nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe mit dem Telemediengesetz eine eindeutige Norm geschaffen und Ausnahmen eng abgesteckt. Die Anonymität im Netz sei von hoher politischer Bedeutung, sagte der Mainzer Rechtsanwalt Jens Gmerek, der Sanego bei den Verfahren in Stuttgart vertreten hatte. "Wenn wir anfangen, diese aufzuweichen, dann entfernen wir uns vom Rechtsstaat."
Zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gibt es derzeit nicht
Das anonyme Kommentieren im Internet nimmt mitunter unschöne Formen an. Doch die Anonymität im Internet hat Grenzen. Von Seitenbetreibern die Identität der Verfasser beleidigender Kommentare offengelegt zu bekommen, ist allerdings nicht einfach. "Nach aktuellem Stand gibt es derzeit keinen geschriebenen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch", sagt Ansgar Koreng, Rechtsanwalt in Berlin. Ob es dabei bleibt, berät derzeit der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dort geht es um die Frage, ob ein Arzt herausfinden darf, wer anonym negative Kommentare über ihn im Internet veröffentlicht.
Machen sich Kommentatoren mit ihren Beiträgen allerdings strafbar, gibt es bereits klare Regeln. Das ist etwa der Fall, wenn die im Netz veröffentlichten Kommentare Beleidigungen oder Verleumdungen sind und aus Gründen der Terror- oder Gefahrenabwehr. "Strafverfolgungsbehörden können dann die Herausgabe von persönlichen Daten verlangen", sagt Anwalt Koreng. Dann könnte zum Beispiel anhand der IP-Adresse die Identität eines Kommentators ermittelt werden. Diese wird nämlich auch übertragen, wenn ein Nutzer unregistriert unter Pseudonym etwa einen Blogeintrag kommentiert.