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Internet-Forum: Geschriebenes Wort oder Gesprochenes Wort?


01.07.2014 11:31 - Gestartet von IMHO
einmal geändert am 01.07.2014 11:38
Natürlich werden die Foren mit geschriebenen Buchstaben gefüllt. :)
Aber vielleicht dient es der Gelassenheit, ein Forum wie den Protokollmitschnitt eines Marktplatzes zu begreifen:
Anonyme Beiträge, mehr Lügen als in der Bildzeitung (egal ob absichtliche und auch unabsichtliche) und keinerlei selbst-beweisende Deckung mit der Realität.

Und obwohl es einen Erschrecken kann, wie viel Blödsinn vor einem Jahr zu irgendeinem Thema geschrieben wurde, gehört es wirklich zur Demokratie, wenn nicht an jeder Ecke Zensoren stehen.
Wir (und auch der klagende Arzt) werden uns daran gewöhnen müssen, dass in Blogs Blödsinn vom Niveau "die Schwerkraft kommt heute von rechts-oben" stehen kann. Sprichwörter wie, dass man nicht auf jedes Gerücht was geben soll sind älter als das Internet. Die Sensationsneugier und die Neigung zu Klatsch und Tratsch ist uns leider in die Wiege gelegt.
Im Grunde sind Blogs Niederschriften gesprochener Worte und nicht Beweiskräftiger als der Tratsch beim Bäcker an der Ecke.

Aber wir haben auch genug Verstand in die Wiege bekommen, einen Arzt wegen eines miesen Blogeintrags nicht gleich zu schneiden. Wer aus dem Fenster springt, weil die Bildzeitung schreibt, dass die Luft heute begehbar ist, ist vor allem selbst Schuld. Demokratie und Gerechtigkeit waren noch nie Gottgegeben, sondern müssen immer mit Courage zurückerobert werden.
Das ist leider so und hat immer etwas unvermeidbar Ungerechtes in sich, weil nicht jeder in die Lage geschubst wird, sich verteidigen zu müssen. Zu versuchen die Menschen vor ihrer eigenen Dummheit mittels Gesetzen zu schützen, führt aber nur zu Bedienungsanleitungen, wie sie in den USA möglich sind (Keine Katze in die Mikrowelle; Keinen Kaffee aus dem Drive-in im Papierbecher auf dem Fahrersitz zwischen den Oberschenkeln einklemmen usw.)

Im Übrigen sind Rufmordkampagnen auch ohne Internet möglich. Mit zeitlichem Abstand erscheint sogar die Reaktion des Mobs auf Christian Wulff übertrieben, und da war es eher das Fernsehen und die Boulevardzeitung als die Blogs, die ihn "gehängt" haben.

Zur Demokratiefähigkeit gehört auch "Selber-Denken", das kann einem niemand abnehmen. Daher begrüße ich eine Entscheidung gegen Zensur.

Persönlichkeitsrechte einklagen ist für den Durchschnittsverdiener eh zu teuer. Das Risiko mit so einer Klage zu scheitern ist für ihn bedeutsam hoch. Ein Arzt kann sich so eine Klage leisten, auch wenn er sie verliert. Die Kosten mögen auch ihm weh tun, aber sie werden ihn nicht ruinieren. Ein ökonomischer Umstand der den Juristengrundsatz "Alle sind vor den Buchstaben des Gesetzes gleich" sowieso schon ganz schnell relativiert. Man muss sich die Klage zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit erstmal leisten können. Und nicht immer sind die Fälle so eindeutig, dass man Prozesskostenhilfe bekommt, wenn man glaubt im Recht zu sein.
Schön dass man jetzt nicht auch noch die Erlaubnis zur Veröffentlichung seiner Meinung einklagen muss. Das wäre ein zusätzlicher Schritt, dahin dass sich die Verletzungen der Persönlichkeitsrechte nur die Reichen leisten können:

http://www.heise.de/foto/meldung/Verboten-ja-Entschaedigung-nein-Zufaelliges-Bikinifoto-haette-nicht-gedruckt-werden-duerfen-2193959.html