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Akademische Diskussion


21.12.2020 15:02 - Gestartet von wolfbln
3x geändert, zuletzt am 21.12.2020 15:12
Ich schätze Herrn Prof. Gerpott sehr als Experten. Hier geht er aber sehr von seiner persönlichen Lebenssituation aus. Als Lehrstuhlinhaber in Duisburg-Essen wird er wohl im gut versorgten Ruhrgebiet leben und das wohl bis zu seiner Pensionierung.

Die Erfordernisse der Wirtschaft an Arbeitskräfte gerade in jüngeren Jahren ist aber eine andere: maximale Flexibilität und Mobilität. Dies spiegelt das starre Vertragswesen überhaupt nicht wieder. Hier soll man sich auf 2 Jahre binden mit Fitnessstudio oder Mobilfunkvertrag. Kfz-Versicherungen sind dagegen jährlich kündbar. Einen Sinn macht das nicht:

- Was macht z.B. der Nachwuchs von Herrn Professor, wenn sie vom Ruhrgebiet wegen Job oder Liebe in die Uckermark umsiedeln und einen o2-Vertrag haben (d.h. 50 GB und nur EDGE). Das ist ein krasses Beispiel aber solche Löcher sind auch lokal möglich. In Dorf 1 geht der eine Anbieter, in Dorf 2 ein anderer und ich kann mir danach nicht Job oder Wohnung aussuchen, muss es aber für 2 Jahre wissen oder 2 Jahre im Voraus.

- dann tut ja (außerhalb von Pandemiezeiten) auch ein oder zwei Auslandssemester für die Karriere gut oder ein Sabbat-Jahr in einem Entwicklungsland. Auch da fängt ja über 3 Monaten auch innerhalb der EU laut Telkos der "Missbrauch" mit permanenten Roaming an, außerhalb der EU ist der deutsche Vertrag völlig nutzlos.

- und dann ist noch Corona, das Kurzzeit- und Lebenspläne völlig durcheinander gewirbelt hat. Für viele in Wartepositionen in Branchen die danieder liegen ist es eben unklar, wo sie in 6 oder 12, geschweige denn 24 Monaten sein werden.

OK. 2-Jahres-Verträge machen Sinn in bestimmten gesettelten Lebenssituationen wie z.B. Beamter oder Hochschullehrer. Aber für viele am Anfang der Karriere stehen sie im scharfen Gegensatz zu der maximalen Flexibität, die von ihnen als Arbeitskraft erwartet wird.

Es besteht effektiv nur die Hardwaresubvention als Grundursache für die 2 Jahres-Verträge. Hier müssen wir weg von den 1€ Handys und den Verbrauchern klar machen, dass sie das Gerät auf Kredit kaufen und durch hohe Tarife abbezahlen. Falls das Geld vorhanden ist, könnten sie das Gerät auch privat finanzieren und einen "normalen" Vertrag wählen. Falls nicht, ist ein Verbraucherkredit zu guten Konditionen auch oft günstiger.

Die Betreiber versprechen uns Freiheit und überall gute Netze. Warum haben sie dann solche Angst vor Kündigung? Wenn sie so gut sind, wie behauptet, gäbe es ja keinen Grund bis auf die quasi geleaste Hardware.

Mobilfunkfirmen sollen primär Kommunikation ermöglichen und nicht Kredite für Hardware herausgeben. Daher läge die Zukunft für mich, beides in Zukunft getrennt zu berechnen. Das bedeutet: keine Bindung an einen bestimmten Vertrag, sondern vielmehr an ein Gerät, das in einer Zeitspanne beim Betreiber abbezahlt werden muss, mit der Option es ggf. auch früher auszulösen, wenn man den Anbieter wechselt. Dadurch könnte immer noch genügend Druck aufgebaut werden, sich den Wechsel genau zu überlegen.
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[1] helloworld_de antwortet auf wolfbln
21.12.2020 15:20
ich muss dem Professor aber zustimmen. JEDER kann sich heute von Magenta über RED, Billig Premium, Maxi, Aldi, Rewe, Lidl, Drillisch, Rot, Grün blau Gelb, Prepaid, Postpaid, ohne Laufzeit 12, 24 Monate abschließen.
Dazu kann jeder sich sein Telefon für ne Finanzierung im MediaMarkt kaufen oder Vertrag mit 24 Monaten usw. - es gibt wirklich genug Auswahl. Dass man hier nicht eingreifen muss seh ich auch so. Und ja, die 12 Monatsvarianten gibts auch schon lange. Nur weil der Bürger zu faul ist sich zu informieren und die Politik offensichtlich genauso faul war zu informieren was es alles gibt, muss hier noch lange nicht eingegriffen werden. Keine Branche wird so gegängelt mit Regulierungen wie die Telekommunikation - unfassbar

Warum fängt denn nicht die Politik mal an zb. Privaten Krankenversicherungen zu verbieten Vorerkrankungen auszuschließen oder Aufschläge zu nehmen. Warum wird die PKV Teurer je älter man ist beim Einstieg? Warum zahlen Leute im Hochwassergebiet mehr für ihre Wohngebäudeversicherung, Warum werden Fahranfänger dafür bestraft und müssen mehr für die Autoversicherung zahlen? Warum dürfen Autohersteller noch Aufpreis für ein Autoradio mit DAB nehmen? Warum darf die Bahn Geld für ne Sitzplatzresevierung nehmen? Überall kann man eingreifen. Mit welchem Recht greift man in die Vertragsfreiheit der Telkobranche ein und hat hier eine derartige Regulierungswut?

Benutzer wolfbln schrieb:
Ich schätze Herrn Prof. Gerpott sehr als Experten. Hier geht er aber sehr von seiner persönlichen Lebenssituation aus. Als Lehrstuhlinhaber in Duisburg-Essen wird er wohl im gut versorgten Ruhrgebiet leben und das wohl bis zu seiner Pensionierung.

Die Erfordernisse der Wirtschaft an Arbeitskräfte gerade in jüngeren Jahren ist aber eine andere: Flexibilität und Mobilität. Dies spiegelt das Vertragswesen überhaupt nicht wieder. Hier soll man sich auf 2 Jahre binden mit Fitnessstudio oder Mobilfunkvertrag. Kfz-Versicherungen sind dagegen jährlich kündbar. Einen Sinn macht das nicht:

- was macht z.B. der Nachwuchs von Herrn Professor, wenn sie vom Ruhrgebiet wegen Job oder Liebe in die Uckermark umsiedeln und einen o2-Vertrag haben. Das ist ein krasses Beispiel aber solche Löcher sind auch lokal möglich. In Dorf 1 geht der eine Anbieter, in Dorf 2 ein anderer und ich kann mir danach nicht Job oder Wohnung aussuchen, muss es aber für 2 Jahre wissen.

- dann tut ja (außerhalb von Pandemiezeiten) auch ein oder zwei Auslandssemester gut oder ein Sabbat-Jahr in einem Entwicklungsland. Auch da fängt ja über 3 Monaten auch innerhalb der EU laut Telkos der "Missbrauch" mit permanenten Roaming an, außerhalb der EU ist der deutsche Vertrag völlig nutzlos.

- und dann ist noch Corona, dass die Kurzzeit- und Lebenspläne völlig durcheinander gewirbelt hat. Für viele in Wartepositionen in Branchen die danieder liegen ist es eben unklar, wo sie in 6 oder 12, geschweige denn 24 Monaten sein werden.

OK. 2-Jahres-Verträge machen Sinn in bestimmten gesettelten Lebenssituationen wie z.B. Beamter oder Hochschullehrer. Aber für viele am Anfang der Karriere stehen sie im scharfen Gegensatz zu der maximalen Flexibität, die von ihnen als Arbeitskraft erwartet wird.


Es besteht effektiv nur die Hardwaresubvention als Grundursache für die 2 Jahres-Verträge. Hier müssen wir weg von den 1€ Handys und den Verbrauchern klar machen, dass sie das Gerät auf Kredit kaufen und durch hohe Tarife abbezahlen. Falls das Geld vorhanden ist, könnten sie das Gerät auch privat finanzieren und einen "normalen" Vertrag wählen. Falls nicht, ist ein Verbraucherkredit zu guten Konditionen auch oft günstiger.

Mobilfunkfirmen sollen Kommunikation ermöglichen, nicht Kredite für Hardware rausgeben. Daher läge die Zukunft für mich, beides in Zukunft getrennt zu berechnen. Das bedeutet: keine Bindung an einen Vertrag, sondern an ein Gerät, das abbezahlt werden
muss, mit der Option es auch früher auszulösen.
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[1.1] wolfbln antwortet auf helloworld_de
21.12.2020 17:42

5x geändert, zuletzt am 21.12.2020 18:10
Benutzer helloworld_de schrieb:
ich muss dem Professor aber zustimmen. JEDER kann sich heute von Magenta über RED, Billig Premium, Maxi, Aldi, Rewe, Lidl, Drillisch, Rot, Grün blau Gelb, Prepaid, Postpaid, ohne Laufzeit 12, 24 Monate abschließen.

Das ist eine Scheinvielfalt, denn wesentliche Bestandteile des deutschen Tarifportfolios gibt es nur in 24-Monats-Verträgen.

Zwei Beispiele:
1.) Ich möchte eine unbegrenzte Datenflat im Vodafone Netz. Was gibt's ohne 24-Monatsbindung? Nichts, denn es gibt nur den RED XL. In Italien verkauft VF Infinito und in England Unlimited als Prepaid auch.

2.) Ich möchte eine Streaming-Flatrate wie Telekom StreamOn oder die Vodafone Pässe ohne Bindung. Auch das gibt's nicht im Prepaid wie in England, Spanien oder Italien von Vodafone und auch nur als 24-Monatsvertrag bei Telekom oder Vodafone.

Welche Option ohne Bindung würdest du also den Kunden, der so etwas nachfragt empfehlen, wenn es nicht das o2-Netz sein darf? Diese Liste könnte ich beliebig lang fortsetzen. Du wirst auch kaum Beratung zu bindungslosen Verträgen bekommen, weil die Shops von den Provisionen für die Knebelverträge leben.

Kunden, die Prepaid oder Postpaid ohne lange Bindung abschließen müssen dabei Preisaufschläge in Kauf nehmen. Dabei sollte es doch genau andersrum sein. Es gibt einen guten Grund für 24-Monatsverträge. Sie subventionieren ja die teure Hardware für "1€". Wenn ich einen völlig bindungslosen Vertrag wähle, wie FUNK, Fraenk oder ähnliches gibt's keine Hardware. Warum also in diesen Fall die Leute noch knebeln?

Kurz: Diese Wahlfreiheit frei im gesamten Portfolio zu wählen zwischen gleichen Optionen mit und ohne Bindung gibt's einfach nicht (außer bei o2 und Drillisch). Große Teile des Tarifangebots gibt's nicht ohne Bindung auf 2 Jahre und wenn dann aber zu Aufpreisen. Weil diese bindungslosen Verträge oft ohne entsprechende Hardwaresubvention auskommen sind Aufpreise auch preislich nicht zu rechtfertigen.


Zu deiner zweiten Frage. Warum bei Telekommunikationsverträgen und Fitnessstudio eingreifen und nicht Krankenversicherungen, DAB-Radios oder Gebäudeversicherungen. Ein Fitnessstudio entlässt mich aus dem Vertrag, wenn ich in eine andere Stadt ziehe, wo es das nicht gibt, der Telko nicht, auch wenn ich dort im Funkloch bin. Ein Gebäude aus einer Wohngebäudeversicherung (da ist auch Laufzeit auf 1 Jahr begrenzt) zieht auch nicht plötzlich um und DAB-Radios sind ab Januar Pflicht in Neuwagen und dürfen (zu UKW) keinen Aufpreis mehr kosten. Drum ziehen deine Beispiele nicht.

Der zweite Grund ist ein statistischer. Neben Schwarzfahren ist die Zahlungsunfähigkeit bei Verträgen der Hauptgrund warum Jugendliche in den Knast wandern, nicht Drogen oder Straftaten. Sie schließen teure Verträge ab, können dann aber die Raten nicht begleichen. Ganz oben stehen die Telekommunikationsunternehmen vor allen anderen Branchen, die auch gleich Inkasso beauftragen. Wenn sie dann in diesen Verträgen drin hängen kommen sie 24 Monate nicht mehr raus wie ein Junkie auf Droge.