Vorratsdatenspeicherung

Justizminister: "Missbrauchsrisiko" bei Speicherung von Bürger-Daten ohne Anlass

Der neue Bundesjustizminister Heiko Maas sieht bei der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ein erhebliches "Missbrauchsrisiko" und legt das Instrument bis zu einer endgültigen EU-Entscheidung auf Eis. Damit verstößt er klar gegen den eigenen Koalitionsvertrag.
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Bundesjustizminister Maas mit Amtsvorgängerin Leutheusser-Schnarrenberger Bundesjustizminister Heiko Maas mit Amtsvorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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Bundesjustizminister Heiko Maas arbeitet beim Thema Vorratsdatenspeicherung gegen die offiziellen Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag der Großen Koalition. In einem Interview mit dem Magazin "Der Spiegel" schließt er sich dem Lager der Kritiker an und kündigt an, das Gesetzgebungsverfahren erst einmal nicht weiterzuverfolgen. Aufgrund des laufenden EU-Verfahrens stehen die Chancen gut, dass er beim Thema Vorratsdatenspeicherung auch gar nicht mehr tätig werden muss.

Ende November war während den Verhandlungen zur Großen Koalition bekannt geworden, dass CDU/CSU und SPD die umstrittene EU-Richtlinie im deutschen Recht verankern wollen. "Die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten werden wir umsetzen", hieß es damals wörtlich. Seit Jahren tobt in der deutschen Politik ein erbitterter Kampf um Sinn oder Unsinn der Vorratsdatenspeicherung: Nachdem das Bundesverfassungsgericht die ursprünglichen Pläne gestoppt hatte, wollte die schwarz-gelbe Koalition die Speicherung wieder umsetzen, was am Widerstand der FDP scheiterte. Die Union sprach daraufhin etwas abgeschwächt von "Mindestdatenspeicherung". Im Dezember äußerte dann ein EU-Generalanwalt die Rechtsauffassung, dass die anlasslose Speicherung ein Verstoß gegen das Grundrecht zum Schutz der Privatsphäre sei. Ob die EU-Richtlinie gegen die EU-Charta der Grundrechte verstößt, wird in den kommenden Monaten entschieden.

Minister: Staatlich angeordnete Massenspeicherung ist riskant

Bundesjustizminister Maas mit Amtsvorgängerin Leutheusser-Schnarrenberger Bundesjustizminister Heiko Maas mit Amtsvorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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Im Interview sagte Bundes­justiz­minister Heiko Maas zur Vor­rats­daten­speicherung: "Das Instrument liegt für mich auf Eis." Maas hält es für möglich, dass die Richter die Richtlinie vollständig ablehnen. "Damit wäre die 'Ge­schäfts­grund­lage' für den Koalitions­ver­trag komplett entfallen. Dann müssten wir über die Vor­rats­daten­speicherung ganz neu reden", äußerte der Minister gegenüber dem Magazin.

Offenbar sollen die Bürgerrechte "zu einem Schwerpunkt seiner Tätigkeit" werden: "Ich bin sehr skeptisch bei der Vorstellung, dass eine Flut von Daten der Bürger ohne Anlass gespeichert wird und so vielen Stellen zugänglich ist", sagte Maas im Interview. Bei einer solchen staatlich angeordneten Massenspeicherung privater Daten bestehe ein erhebliches "Missbrauchsrisiko".

Verglichen mit dem Streit in der schwarz-gelben Koalition will der neue Minister aber die Schärfe aus der Diskussion nehmen. " [...] Wir werden einen sachlicheren und konstruktiveren Dialog führen als in der vergangenen Legislaturperiode", äußerte er im Interview. Er geht aber davon aus, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière anderer Meinung sein könnte. "Wahrscheinlich hat der Innenminister beim Thema Sicherheit etwas andere Vorstellungen als ich", sagte Maas.

Im Hinblick auf die vermuteten Zugriffsmöglichkeiten der NSA hatten sich unlängst deutsche Anwälte gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Über die Vorteile und Risiken der Massendatenhaltung haben wir ebenfalls in unserem Editorial Die NSA und die Vorratsdaten diskutiert.

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