Editorial: Die NSA und die Vorratsdaten
Editorial: Die NSA und die Vorratsdaten
Bild: Marleen Frontzeck / teltarif.de
Es war zu erwarten gewesen: Nachdem die FDP aus dem Parlament
geflogen ist, hat die Große Koalition eine Neuauflage der
Vorratsdatenspeicherung
auf ihre Agenda gesetzt. Entsprechend
bleibt zu hoffen, dass sie damit erneut vor dem Bundesverfassungsgericht
scheitert.
Wie kritisch Vorratsdaten zu werten sind, kann jeder anhand der NSA-Affäre sehen. Dieser Woche macht die Meldung die Runde, dass die NSA laufend die Handy-Ortungsdaten hunderter Millionen Handy-Nutzer abgreift. Das sind genau die Daten, die auch als Vorratsdaten so beliebt sind. Wer nun glaubt, wir könnten hierzulande fleißig Vorratsdaten sammeln, ohne, dass diese über kurz oder lang der NSA in die Hände fallen, ist bestenfalls naiv und schlimmstenfalls ein Spitzel oder Zuarbeiter der NSA.
Hinzu kommt: Was die NSA kann, das kann auch die Internet-Mafia, die mit Spam-Mails, Phishing-Trojanern und Schutzgelderpressung von legitimen Server-Betreibern ("Geld her oder es hagelt DDOS!") bereits heute Milliarden umsetzt. Je mehr Daten diesen Kriminellen in die Hände fallen, desto perfider können diese die Nutzer abzocken.
Aber selbst bei den staatlichen Spähern wie NSA oder BND muss die Frage erlaubt sein, ob diese so uneingeschränkt zu den "Guten" gehören, wie Politiker oder die Dienste selber das immer wieder behaupten. Nicht erst, seitdem öffentlich bekannt ist, dass der Verfassungsschutz-Mitarbeiter Andreas T. im Hinterzimmer eines Internetcafes saß, während die NSU vorne Halit Yozgat ermordete, er aber dennoch von der schrecklichen Tat nichts mitbekommen haben will, sind Zweifel bezüglich der Integrität der Dienste angebracht. Denn schon die Geschichte des "Kalten Kriegs" ist voll von enttarnten Doppelagenten oder Geheimdienstmitarbeitern, die nebenher den einen oder anderen "Job auf eigene Rechnung" durchführten.
Natürlich vereinfachen Vorratsdaten die Arbeit der Ermittler, wenn ein Mörder so dumm ist, das Handy mit zum Tatort zu nehmen. Anderseits besteht auch die Gefahr, dass ein besonders gewiefter Täter genau solche Daten fälscht, um den "perfekten Mord" zu begehen: Er verschafft sich ein scheinbar zweifelfreies Alibi (z.B. ein langes Telefonat, durchgeführt weit abseits des Tatorts), während er die Tat durch weitere Datenmanipulationen zugleich einem unliebsamen Dritten anhängt. Da letzterer die Tat, die er nicht begangen hat, auch nicht gestehen wird, und auch die Gefängnispsychologen zum Schluss kommen, dass er die Tat besonders gut verdrängt hat, droht ihm eine besonders empfindliche Strafe.
Vorratsdaten können somit nicht gute Ermittlungsarbeit ersetzen, sie können diese allenfalls unterstützen. Sie bergen aber immer auch die Gefahr des Missbrauchs, ob durch Datenmanipulation oder Datendiebstahl.
Ehrliche und ernsthafte Datenschutzdiskussion
Editorial: Die NSA und die Vorratsdaten
Bild: Marleen Frontzeck / teltarif.de
Aktuell macht die Meldung über eine beliebte Taschenlampen-App,
die auch den Aufenthaltsort der Nutzer an Werbenetzwerke weiterleitete,
die Runde. Das Problem hier: Da Nutzer kaum
bereit sind, für solche einfachen Utility-Apps Geld auszugeben, bleibt
den Entwicklern praktisch nur die Möglichkeit der Werbefinanzierung. Und
da es dutzende, wenn nicht hunderte, praktisch gleich guter
Taschenlampen-Apps gibt, macht am Ende der Entwickler mit der
besten Werbeeinbindung das Rennen, denn er kann sich auch das teuerste
Marketing für seine App leisten. Standortdaten sind dabei für die
Auslieferung regionaler Werbung sehr nützlich. Aber auch hier stellt
sich die Frage, was mit den Standortdaten noch passiert, außer, dass
Werbung vom Café um die Ecke auf's Display gestreamt wird.
Ein besserer Schutz des Verbrauchers und klare Richtlinien, was Werbenetzwerke dürfen, und was nicht mehr, wäre dringend vonnöten. Leider verfällt die Datenschutzdiskussion hierzulande vor allem in Extreme. Die einen empfinden schon Facebook-Buttons als Teufelszeug, die anderen befürworten gar das Treiben der Dienste mit Hinweis auf die "innere Sicherheit". Dazwischen liegen Welten. Ob des Streits verlieren am Ende alle: die Verbraucher, weil sich keine vernünftigen Datenschutzregeln durchsetzen. Die Hardware-Hersteller, weil sie an datenschutzsensible Verbraucher weniger Geräte verkaufen. Und legitime Datennutzer, weil sie zwischen den Extremstandpunkten keinerlei Rechtssicherheit haben.