Urheberrecht

Uploadfilter: Streit um 15 Sekunden Video

Vor Jahren gingen Tausende junge Leute auf die Straße und protes­tierten gegen befürch­tete "Upload­filter" im Internet. Die Proteste sind abge­ebbt. Die Urhe­ber­rechts­reform tritt in Deutsch­land in eine entschei­dende Phase ein.
Von dpa /

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD)
Bild: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Schutz der Urheber von Musik, Schrift und Film in der neuen digi­talen Welt: Die von der EU ange­sto­ßene Reform des Urhe­ber­rechts tritt in Deutsch­land in eine entschei­dende Phase ein. Heute behan­delte der Bundestag in erster Lesung die neuen Regeln.

Kern der lange ausge­han­delten Über­arbei­tung des Urhe­ber­rechts: Wenn Bilder, Texte oder Videos im Internet von Platt­form-Nutzern hoch­geladen werden, soll mehr Klar­heit darüber herr­schen, wer bei Verstößen verant­wort­lich ist. Inter­net­platt­formen werden stärker in die Haftung genommen. Mit Lizenz­modellen sollen Urheber finan­ziell profi­tieren und an der Wert­schöp­fung von Platt­formen betei­ligt werden.

Große Heraus­for­derung

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD)
Bild: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Bundes­jus­tiz­minis­terin Chris­tine Lambrecht (SPD) sprach im Bundestag von einer großen Heraus­for­derung: Frei­heit der Kommu­nika­tion im Netz zu erhalten etwa bei Zitaten sowie Parodien und gleich­zeitig Krea­tive wie Krea­tiv­wirt­schaft besser an der Wert­schöp­fung im digi­talen Raum zu inte­grieren.

"Große Upload-Platt­formen wie YouTube und Face­book sind künftig für alle Inhalte verant­wort­lich urhe­ber­recht­lich, die sie zugäng­lich machen." Lambrecht sagte zudem mit Blick auf die Nutzer: Neue Pflichten der Platt­formen dürften zugleich nicht dazu führen, dass auch erlaubte Inhalte blockiert werden.

"Extra­wurst" Deutsch­land

Verbände ärgern sich darüber, dass Deutsch­land über die "Digital Single Market-Richt­line" (DSM-RL) der EU hinaus Regeln an einigen Stellen näher defi­niert und ergänzt. Der Vorwurf aus der Musik-, Film- und Medi­enbranche: Das schaffe mehr Verwir­rung, weil es dadurch Unter­schiede zu Nach­bar­län­dern wie Frank­reich gebe. Unter­nehmen fürchten Wett­bewerbs­nach­teile. Die Forde­rung: Eine 1:1-Umset­zung der EU-Richt­linie.

Genau das wollen auch die Zeitungs- und Zeit­schrif­ten­ver­leger mit Blick auf das Leis­tungs­schutz­recht für jour­nalis­tische Inhalte in der Reform. Vom Bundes­ver­band Digi­tal­publisher und Zeitungs­ver­leger (BDZV) und dem Verband Deut­scher Zeit­schrif­ten­ver­leger (VDZ) heißt es: Keines­falls dürfe das Gesetz Rege­lungen enthalten oder ausbauen, die eine unli­zen­zierte Entnahme rele­vanter Teile aus Pres­sepro­dukten und deren Darstel­lung durch Gate­keeper-Platt­formen erlauben.

Das entschei­dende Tor

Beson­ders laut ist die Kritik zu einem Passus einer Baga­tell­rege­lung - Kritiker sehen hier einen solchen Sonderweg. Darum geht es: Um die Inter­essen von Nutzern, Urhe­bern und Platt­formen zu wahren, aber dennoch eine alltags­taug­liche Gebrauchs­regel aufzu­stellen, soll das Hoch­laden sehr kurzer Ausschnitte von geschützten Werken grund­sätz­lich erlaubt sein: bis zu 15 Sekunden eines Film­werks oder Lauf­bilds, bis zu 15 Sekunden Tonspur, bis zu 160 Zeichen eines Textes und bis zu 125 Kilo­byte je eines Licht­bild­werkes, Licht­bildes oder einer Grafik. Die Zahlen schraubte der Bund nach massiver Kritik bereits nach unten.

Der Verband Privater Medien (Vaunet) erläu­tert: Top-Szenen zum Beispiel eines Fußball­spiels oder spek­taku­läre Momente in TV-Shows seien zusam­men­geschnitten häufig nicht länger als diese Baga­tell­grenze. "Das ist, gerade wenn man selber dabei ist, eigene Modelle für Platt­formen aufzu­bauen, wo man die Leute gerne auch auf seinen Webseiten haben möchte, total schwierig", kriti­siert der stell­ver­tre­tende Vaunet-Vorstands­vor­sit­zende und Bereichs­leiter Medi­enpo­litik bei der Medi­engruppe RTL Deutsch­land, Claus Grewenig.

Roter Knopf

Bei Verstößen soll es für Betrof­fene möglich sein, schnell mit einer Roter-Knopf-Funk­tion hoch­gela­dene Inhalte wieder sperren zu lassen. Den Vorschlag kann man auch als ein Ergebnis der zahl­rei­chen Proteste auf den Straßen vor Jahren gegen auto­mati­sierte Upload­filter, bei denen bestimmte Inhalte vor dem Hoch­laden heraus­gefischt werden, verstehen. Es gab die Sorge, dass Meinungs­frei­heit im Netz einge­schränkt werden könnte.

Die Bundes­regie­rung hatte damals bei der EU-Richt­linie in einer nicht bindenden Proto­koll­erklä­rung betont: "Ziel muss es sein, das Instru­ment "Upload­filter" weit­gehend unnötig zu machen." Verbände fragen sich aber, wie der Rote Knopf konkret und ziel­füh­rend ausge­staltet werden soll.

Kritiker - etwa Stimmen aus der Oppo­sition - sagen außerdem, dass Filter­sys­teme trotzdem einge­setzt werden. Der FDP-Bundes­tags­abge­ord­nete Roman Müller-Böhm sagte, eine ausdrück­liche Verpflich­tung für Platt­formen, Upload­filter zu verwenden, sei im Gesetz­ent­wurf zwar nicht enthalten. Aller­dings sei es "schwer vorstellbar", wie Upload­filter nach der vorge­legten Konstruk­tion umgangen werden sollen.

Rech­teinhaber sollen etwa einer Platt­form im Vorhinein etwa anzeigen können, wenn sie nicht wollen, dass ihre Werke hoch­geladen werden. Dann muss der Anbieter das Hoch­laden der Inhalte verhin­dern.

Rolle der Verwer­tungs­gesell­schaften

Musik-Rech­teinhaber befürchten, dass vorge­sehene Lizenz­ver­hand­lungen der Verwer­tungs­gesell­schaften mit Platt­formen ihre eigene Verhand­lungs­posi­tion schwä­chen könnten. "Um auf Augen­höhe zu verhan­deln, muss man bei einem schlechten Angebot schlimms­ten­falls auch mal Nein sagen können", sagt Mark Chung vom Verband Unab­hän­giger Musik­unter­nehmer.

Für Rech­teinhaber sei das einfa­cher als für Verwer­tungs­gesell­schaften. Ein weiterer Punkt, den auch der Bundes­ver­band Musik­indus­trie betont: Der bereits bestehende Lizenz­markt wird durch die neuen Regeln durch­ein­ander­gewir­belt. Er spricht von "Zwangs­kol­lek­tivie­rung".

Einem Urteil zufolge muss bei ille­galen Down­loads nach­geforscht werden. Mehr zu dem Thema lesen Sie in einer weiteren Meldung.

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