Illegales Streamen: Erstmals seit Jahren wieder Zunahme
Die Zeiten, in denen Schwarzseher gehackte Pay-TV-Smartcards nebst ebenso manipulierter Set-Top-Box benötigten, sind vorbei. Wer heute illegal urheberrechtlich geschützte Werke sehen will, der streamt. Streaming ist die populärste Methode für den Zugriff auf illegal verbreitete Inhalte, wie eine aktuelle Studie des European Union Intellectual Property Office (EUIPO) herausfand.
58 Prozent der Digitalpiraterie fußt auf Streaming und nur noch 32 Prozent auf Downloads. „Viele dieser Nutzer scheinen gewohnheitsmäßig piratierte Inhalte zu nutzen, da der Zugriff hauptsächlich direkt über die entsprechende Piraterie-Website erfolgt, nur ein Viertel der Zugriffe über Suchmaschinen“, heißt es in der Studie für die 27 Mitgliedsstaaten der EU und Großbritannien. Im Durchschnitt besucht eine Person zehnmal im Monat eine Webseite, die illegal Inhalte bereitstellt. Deutschland liegt mit 7,5 Besuchen am Ende der Rangliste.
Das Angebot an Sport und Fernsehinhalten ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Nun nehmen auch die Zugriffe auf illegal verbreitete Inhalte wieder zu - vor allem über Streaming.
Foto: Sky Deutschland
Laut EUIPO stieg 2022 die Digitalpiraterie im Jahresvergleich um 3,3 Prozent an. Bis 2021 nahm die Zahl der monatlichen Zugriffe auf illegal verbreitete Inhalte in der EU und Großbritannien ab. Der Hauptgrund für diese Trendwende ist das Wachstum der TV-Piraterie um 15 Prozent. Knapp die Hälfte aller Zugriffe auf illegalen Content entfielen im vergangenen Jahr auf Fernsehinhalte (48 Prozent). In nahezu allen Fällen erfolgt der Zugriff auf piratierte Fernsehinhalte über Streaming (95 Prozent). Hauptsächlich werden Fernsehsendungen, Serien und on-demand-Filme illegal konsumiert, aber auch Anime-Produktionen sowie Sportsender und Livestreams von Sportveranstaltungen.
Filmpiraterie nimmt ab, illegale Zugriffe auf Live-Sport wachsen
Vor allem der illegale Konsum von Live-Sportveranstaltungen nahm zu. Von 2021 bis 2022 wuchs er in der EU und Großbritannien um 30 Prozent. Da im April sowie im September und Oktober sehr viele Zugriffe auf illegale Streams verzeichnet werden und im Juni und Juli eher wenige, gehen die Autoren der Studie davon aus, dass es Schwarzseher vor allem auf die europäischen Fußballligen abgesehen haben, die sich im April dem Saisonabschluss also der Entscheidung um Meisterschaft und Abstieg nähern, und im Sommer pausieren.
Der Verteilung der Zugriffe mit hohen Werten für April, September und Oktober sowie niedrigen für Juni und Juli lässt darauf schließen, dass es Schwarzseher vor allem auf Fußball abgesehen haben
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Zwar erklärt die Studie Zusammenhänge zwischen Digitalpiraterie und sozioökonomischen Faktoren, aber Gründe für den erneuten Anstieg der Piraterie, vor allem in den Bereichen Fernsehen und Live-Sport, werden nicht genannt. Der Anstieg des illegalen Konsums könnte schlicht daran liegen, dass auch die Zahl an Video-on-Demand-Angeboten und TV-Sendern in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Während der Corona-Pandemie nahm die Filmpiraterie laut EUIPO-Studie ab und erreicht bislang auch nicht die Vor-Corona-Zugriffszahlen. In dieser Zeit legten hingegen Streaming-Anbieter wie Netflix oder Amazon Prime Video an Abonnenten zu. Das könnte sich auch auf das illegale Streamen abgefärbt haben.
Mit Blick auf die besondere Rolle des Fußballs kann nur vermutet werden, dass immer weniger Fans bereit sind, die steigenden Preise für Angebote wie DAZN oder Sky zu bezahlen und deshalb nach anderen Wegen suchen, um Fußball live sehen zu können. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass sie weder Marktpreise noch den Einfluss gesetzlicher Maßnahmen zum Schutz des Urheberrechts in den einzelnen Staaten untersucht haben.
„Urheberrechtsverletzungen im digitalen Zeitalter sind nach wie vor ein sehr ernstes Problem und eine direkte Bedrohung für die Kreativwirtschaft in Europa“, sagt EUIPO-Exekutivdirektor Christian Archambeau. „Die neue Studie zeigt, dass es noch viel zu tun gibt, um die Piraterie zu bekämpfen.“
Wer als Fußball-Fan alle wichtigen Spiele sehen möchte, braucht mittlerweile fünf TV- und Streaming-Abos. Und dabei können Kosten von bis zu 80 Euro pro Monat entstehen.