Themenspezial: Verbraucher & Service Gastbeitrag

Gastbeitrag: Wem sollen Daten vernetzter Produkte gehören?

In seinem Gast­bei­trag zeigt Prof. Torsten J. Gerpott auf, dass im Vorschlag für ein EU-Daten­gesetz bei etli­chen Normen zum Teilen von Daten vernetzter Produkte erheb­licher Nach­bes­serungs­bedarf besteht.
Von Torsten J. Gerpott

Am 23. Februar 2022 präsen­tierte die Euro­päi­sche Kommis­sion ihren Vorschlag für ein neues Daten­gesetz. Das Gesetz will u.a. die Ausschöp­fung des wirt­schaft­lichen Wertes von Daten voran­treiben, die beim Einsatz vernetzter Produkte entstehen. Hierzu enthält es Grund­regeln dazu, wem, wie und unter welchen Bedin­gungen Hersteller solcher Produkte Einsatz­daten zugäng­lich zu machen haben. Der Beitrag zeigt, dass bei etli­chen Normen erheb­licher Nach­bes­serungs­bedarf besteht.

Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott Foto: Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott Das Angebot von Produkten, die durch ihren Einsatz erzeugte Daten zumeist über das Internet elek­tro­nisch an den Hersteller oder Dritte über­tragen, also zum „Internet of Things“ extern „connected“ sind, hat in den letzten Jahren rasant zuge­nommen. Verbrau­cher können vernetzte Haus­halts- und Gebäu­detech­nik­geräte, Autos, Fahr­räder, Armband­uhren, Fitness­trainer, Spiel­zeuge oder sprach­gesteu­erte persön­liche Assis­tenz­sys­teme wie Amazon Alexa oder Google Home erwerben. Selbst Zahn- und Haar­bürsten mit Inter­net­anbin­dung [Link entfernt] zur Unter­stüt­zung bei der indi­vidua­lisiert opti­mierten Produkt­nut­zung sind inzwi­schen verfügbar. Ähnlich ist unter dem Schlag­wort „Indus­trie 4.0“ die externe Vernet­zung von tech­nischen Systemen und Werk­zeugen z.B. in Funk­tionen wie Ferti­gung, Wartung und Logistik oder in Sektoren wie der Verkehrs-, Energie-, Versi­che­rungs-, Land- und Gesund­heits­wirt­schaft merk­lich voran­geschritten. Bis zum Jahr 2030 soll der wirt­schaft­liche Wert, der von mit Aktoren und Sensoren ausge­stat­teten vernetzten Produkten welt­weit erzeugt wird, nach einer Schät­zung des McKinsey Global Insti­tute auf 5,5 bis 12,6 Billionen US-Dollar von 0,7 bis 1,6 Billionen US-Dollar im Jahr 2020 zunehmen.

Wer verfügt über welche Nutzungs­rechte?

Ange­sichts dieser Entwick­lungen hat die Klärung der Frage, wer über welche Nutzungs­rechte für Daten, die bei der Verwen­dung vernetzter Produkte aufge­zeichnet werden, verfügen sollte, enorm an prak­tischer Bedeu­tung gewonnen. In Betracht kommen neben Herstel­lern solcher Produkte deren Nutzer und von Letz­teren beauf­tragte spezia­lisierte Dritt­par­teien, die auf Basis von Einsatz­daten verbes­serte eigene Leis­tungen (z.B. Express­repa­raturen, fahr­stil­abhän­gige Pkw-Versi­che­rungs­tarife) kommer­zia­lisieren. Bisher behin­dert die Sorge, durch eine Gewäh­rung von Daten­zugang ohne eindeu­tige Nutzungs­grenzen für die Empfänger Wett­bewerbs­nach­teile zu erleiden, gegen Daten­schutz­rechte der Nutzer oder gegen Rechte anderer Daten­geber zu verstoßen, die Entste­hung einer prospe­rie­renden Daten­wirt­schaft in Deutsch­land und der EU. Um euro­paweit harmo­nisiert diese recht­lichen Unsi­cher­heiten zu besei­tigen, veröf­fent­lichte die Euro­päi­sche Kommis­sion am 23. Februar den Entwurf eines Daten­gesetzes (Data Act, (DA-E)). Das Gesetz, das nach Zustim­mung durch das Euro­päi­sche Parla­ment und den Euro­päi­schen Rat ein Jahr nach seinem Inkraft­treten ohne Anpas­sungen auf natio­naler Ebene in allen EU-Staaten ange­wendet werden soll, enthält in seinen Abschnitten II bis IV elf Artikel, die Grund­regeln dazu aufstellen, wem und wie Hersteller vernetzter Produkte und damit verbun­dener Services Nutzungs­daten zugäng­lich zu machen haben.

Regeln zur Steue­rung von Daten­zugang und -nutzung

Der DA-E sieht in Art. 3 Abs. 2 in Verbin­dung mit Art. 7 Abs. 1 vor, dass Hersteller vernetzter Produkte, die mindes­tens 50 Mitar­beiter und einen Jahres­umsatz oder eine Jahres­bilanz­summe von mehr als 10 Mio. Euro haben, poten­zielle Nutzer ihrer Ange­bote schon bei Abschluss eines Kauf-, Miet- oder Leasing­ver­trags umfas­send über die geplante Einsatz­daten­erhe­bung einschließ­lich der Wege, um die von ihnen erzeugten Daten Dritten zur Verfü­gung zu stellen, infor­mieren müssen. Außerdem haben gemäß Art. 4 Abs. 1 Hersteller gespei­cherte Produkt­ver­wen­dungs­daten (z.B. Reifen­abnut­zungs­grad eines Pkw) Nutzern auf deren Anfrage unver­züg­lich und unent­gelt­lich elek­tro­nisch zugäng­lich zu machen. Nutzer dürfen Hersteller dazu anhalten, ihre Einsatz­daten direkt an Dritte zur Weiter­ver­arbei­tung zu trans­ferieren (Art. 5 Abs. 1). Daten­emp­fan­gende Dritte sollen mit pflicht­unter­wor­fenen Herstel­lern Zugangs­ver­träge zu „fairen, ange­mes­senen und nicht diskri­minie­renden Bedin­gungen“ (Art. 8 Abs. 1) schließen. Sofern es sich bei dem Daten­emp­fänger nicht um ein Groß­unter­nehmen handelt, schützt der DAE ihn gegen einseitig vom Daten­besitzer aufer­legte Vertrags­bedin­gungen dadurch, dass er in Art. 13 Abs. 3 und 4 eine Liste von Klau­seln angibt (z.B. Begren­zung der Haftung des Daten­besit­zers bei bewusstem oder fahr­läs­sigem Fehl­ver­halten), die stets oder mögli­cher­weise verboten sind.

Als Groß­unter­nehmen klas­sifi­ziert der DA-E Unter­nehmen mit mindes­tens 250 Beschäf­tigten und einem Jahres­umsatz von mehr als 50 Mio. Euro oder einer Jahres­bilanz­summe von mehr als 43 Mio. Euro (Art. 13 Abs. 1). Daten­abge­bende Hersteller dürfen mit Dritten gemäß Art. 9 ein ange­mes­senes Entgelt für den Zugang vertrag­lich verein­baren. Bei der Wahl von Dritten schränkt Art. 5 Abs. 2 Nutzer aller­dings inso­fern ein, als dass Betreiber sehr großer Online-Platt­formen (= gemäß Art. 3 des Digital Markets Act Entwurfs der Kommis­sion vom 15.12.2020 als Gate­keeper einge­stufte Unter­nehmen wie Google, Amazon, Face­book oder Apple), nicht mit Einsatz­daten von Produkten anderer Hersteller versorgt werden dürfen. Die Kommis­sion erhebt den Anspruch mit den skiz­zierten Zugangs­inter­ven­tionen Fair­ness bei der Vertei­lung des wirt­schaft­lichen Wertes von Einsatz­daten vernetzter Produkte sicher­zustellen und so einen bedeut­samen Beitrag zur Entwick­lung einer euro­päi­schen Daten­wirt­schaft zu leisten. Dieses Selbstlob ist über­zogen, da der Geset­zes­vor­schlag nicht nur Schwä­chen im Detail, sondern funda­men­tale Defi­zite auf mindes­tens fünf Feldern aufweist.

Lücke bei digi­talen Produkten

Erstens werden durch den DA-E rein digi­tale Produkte nicht erfasst (vgl. Art. 2 Nr. 2–4). Das Gesetz greift nur für mate­rielle Waren mit digi­talen Kompo­nenten, unab­hängig davon, ob die Kompo­nenten für die Funk­tions­erfül­lung der Produkte unver­zichtbar sind (vgl. als rele­vante deut­sche Vorschrift § 327a Abs. 3 S. 1 BGB, sowie mit ihnen verbun­dene Dienste (z.B. vernetzter Kaffee­automat mit Nach­bestel­lungs­ser­vice).

Nicht einge­schlossen sind Daten­zugang und -nutzung bei digi­talen Inhalten oder Dienst­leis­tungen, die keine Hard­ware beinhalten (vgl. als rele­vante deut­sche Norm § 327 Abs. 1–2 BGB). Hierzu gehören etwa Musik- und Video­strea­ming/-down­loads, Infor­mati­ons­dienste in den Berei­chen Finanzen, Verkehr, Gesund­heit und Ener­gie­ver­brauch sowie cloud­basierte Soft­ware. Beispiels­weise müsste Deezer seinen Abon­nenten oder von ihnen ermäch­tigten Dritten keine Daten zu Verfü­gung stellen, die über Musik­vor­lieben der Nutzer erhoben wurden. Diese Einschrän­kung des Geltungs­umfangs im DA-E sollte aufge­geben werden.

Keine Verbes­serung der Rechts­sicher­heit

Zwei­tens wird der DA-E allen­falls zu einer margi­nalen Stei­gerung der Rechts­sicher­heit beim Zugang führen, weil das Regel­werk an vielen Stellen mit abstrakten, nicht eindeutig zu inter­pre­tie­renden Rechts­begriffen arbeitet. Beispiels­weise bleibt in Art. 3 Abs. 1 unklar, wann ein Produkt so designt ist, dass eine „leichte Zugäng­lich­keit“ von Einsatz­daten für Produkt­nutzer gegeben ist. Ähnlich unscharf gibt Art. 4 Abs. 3 vor, dass Hersteller Geschäfts­geheim­nisse Nutzern durch Daten­zugang nur zu offen­baren haben, wenn Letz­tere „sämt­liche spezi­fischen Maßnahmen“ zu deren Schutz insbe­son­dere gegen­über Dritten getroffen haben. Hier lässt sich treff­lich debat­tieren, ob im konkreten Fall diese Auflage erfüllt ist.

Art. 9 bleibt prak­tisch brauch­bare Hilfe­stel­lungen für die Kalku­lation kosten­ori­entierter Entgelte, die Hersteller von Dritten für den Daten­zugang fordern können (s.u.), schuldig. Ebenso vage verweist Art. 11 Abs. 2 auf die miss­bräuch­liche Ausnut­zung offen­sicht­licher Lücken in der tech­nischen Infra­struktur, die Hersteller zum Schutz von Nutzungs­daten errichtet haben, durch Dritte zum Zweck der Daten­erlan­gung ohne auf konkrete tech­nische Spezi­fika­tionen zurück­zugreifen.

Weiter muss der Versuch mit Art. 13 Abs. 2–4, Rechts­sicher­heit durch eine auf Daten empfan­gende kleine und mittel­große Unter­nehmen anzu­wen­dende „black list“ bzw. „grey list“ von Zugangs­ver­trags­bedin­gungen, die immer bzw. vermut­lich als unfair und deswegen verboten einzu­stufen sind, als geschei­tert gewertet werden. Diese Listen sind zu allge­mein und ausle­gungs­bedürftig, als dass sie als stabile Leit­planken dienen könnten. Die Aufzäh­lung der inhalts­armen Gene­ral­klau­seln im DA-E kann man leicht auf eine drei­stel­lige Zahl von Posi­tionen erwei­tern. Solche Vorschriften besei­tigen recht­liche Unsi­cher­heiten nicht, weil sie zu gericht­lichen Ausein­ander­set­zungen gera­dezu einladen. Deshalb sollte der DA-E so über­arbeitet werden, dass er wesent­lich präziser (tech­nische) Bedin­gungen des Daten­zugangs und der Daten­nut­zung vorgibt.

In glei­cher Weise ist es wichtig, in das Gesetz Empfeh­lungen zu Muster­klau­seln für entspre­chende Verträge aufzu­nehmen, die Daten­gebern und -nehmern helfen, eine faire Vertei­lung von Rechten und Pflichten zu verein­baren, anstatt mit Art. 34 solche Proto­typen außer­halb des Gesetzes in das Gutdünken der Kommis­sion zu stellen.

Zu wenig Anreize

Drit­tens schafft der DA-E keine ausrei­chenden Anreize für Hersteller, ihre Produkte zu vernetzen, und für Nutzer, ihre Einsatz­daten an Dritte weiter­zugeben. Art. 9 Abs. 2 in Verbin­dung mit den Erwä­gungs­gründen 42, 44 und 45 zwingt Hersteller vernetzter Produkte Nutzungs­daten an Dritte, die kein Groß­unter­nehmen (s.o.) sind, zu einem Preis abzu­geben, der die direkten Zugangs­kosten nicht über­schreiten darf. Bei diesen Empfän­gern können Hersteller keine Gewinne aus dem Daten­zugang erzielen. Da 99,4 Prozent der Unter­nehmen in Deutsch­land keine Groß­unter­nehmen sind, macht es der nicht an weitere Bedin­gungen geknüpfte Preis­deckel für Hersteller weniger attraktiv, vernetzte Produkte zu entwi­ckeln.

Für die Forcie­rung digi­taler Geschäfts­felder hilf­rei­cher wäre es, wenn der DA nicht nur Preis­ober­grenzen erzwingen, sondern außerdem sämt­liche gewerbs­mäßig tätigen Daten­emp­fänger unab­hängig von ihrer Größe dazu verpflichten würde, Hersteller an den Gewinnen teil­haben zu lassen, die von Ersteren aufgrund der Einsatz­daten erzielt werden. Ebenso fehlt es im DA-E an Kompen­sati­ons­rechten für Nutzer vernetzter Produkte. Man setzt darauf, dass Nutzer von ihnen erzeugte Daten weit­gehend selbstlos spenden, damit Dritte bessere Ange­bote vermarkten können. Zwar ist nicht ausge­schlossen, dass Nutzer von diesen Verbes­serungen über nied­rigere Preise und höhere Qualität der Produkte und Dienste der Weiter­ver­werter von Daten auch Vorteile haben. Es darf stark bezwei­felt werden, dass allein dies als Anreiz zur wesent­lich inten­siveren Wahr­neh­mung eigener Zugangs­rechte ausreicht. Folg­lich sollte der DA Daten­wei­ter­ver­werter dazu anhalten, Nutzer analog zu Herstel­lern finan­ziell ange­messen an ihren Zusatz­gewinnen aus dem Daten­zugang zu betei­ligen.

Jenseits finan­zieller Vorteile lassen sich Hersteller- bzw. Nutzer­anreize zum Angebot bzw. zur Nach­frage vernetzter Produkte dadurch zu stei­gern, dass Gate­keeper nicht ohne jegliche Möglich­keit zur Einzel­fall­prü­fung der Situa­tion auf dem Markt für bestimmte Einsatz­daten apodik­tisch als Empfänger der Daten ausge­schlossen werden. Dieses pauschale Vorgehen in Art. 5 Abs. 2 lässt außer Acht, dass es Situa­tionen auf Daten­märkten geben kann, in denen ein Daten­zugang für Gate­keeper die einzige Option ist, dass Hersteller und Nutzer von der Daten­wei­ter­ver­wer­tung durch einen Dritten profi­tieren können, weil keine hinrei­chend leis­tungs­fähigen alter­nativen Dritt­par­teien für zusätz­liche Verwer­tungen vorhanden sind. Deshalb sollte der DA – ähnlich wie deut­sche Kartell­rechts­vor­schriften (§19, §19a und §20 GWB) – es den zustän­digen Aufsichts­behörden ermög­lichen, auf sach­lichen begrün­deten Antrag von Gate­kee­pern hin Letz­teren Ausnahmen vom Daten­zugangs­verbot zu geneh­migen.

Schein­trans­parenz

Vier­tens baut der DA-E für Nutzer vernetzter Produkte die Trans­parenz bezüg­lich der gesam­melten Einsatz­daten durch vorver­trag­liche Infor­mati­ons­auf­lagen für Hersteller in Art. 3 Abs. 2 de facto nicht genü­gend aus, weil sie – wie schon die Daten­schutz­richt­linie für die elek­tro­nische Kommu­nika­tion und die Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung – dazu führen, dass durch­schnitt­liche Nutzer aufgrund der Fülle der Angaben sie nicht mehr kritisch durch­dringen.

Deswegen sollte der DA-E durch Vorschriften zur Einfüh­rung von Zerti­fikaten, die sich Hersteller frei­willig im Hinblick auf die Konfor­mität von bei der Produkt­nut­zung gesam­melten Daten mit den Inter­essen der Nutzer erteilen lassen können, oder zu vergleich­baren soft­ware­gestützten Verfahren, die von vertrau­ens­wür­digen Instanzen zur Verfü­gung gestellt werden können, erwei­tert werden. Die Kommis­sion kann sich dies­bezüg­lich prin­zipiell an § 26 des deut­schen Tele­kom­muni­kation- Tele­medien-Daten­schutz-Gesetzes ein Beispiel nehmen.

Unzu­rei­chende Wege zur Rechts­durch­set­zung

Fünf­tens fehlt es dem DA-E an Durch­schlags­kraft, weil er nur stief­müt­ter­lich Möglich­keiten für Nutzer, Hersteller und Dritte schafft, mit dem Gesetz einge­räumte Rechte, rasch und mit nied­rigen Kosten prak­tisch durch­zusetzen. Zwar sieht der DA-E in Art. 10 hierfür staat­lich geprüfte außer­gericht­liche Insti­tutionen zur Streit­bei­legung als vermeint­lich „einfache, schnelle und nied­rige Kosten verur­sachende Lösung“ (Erwä­gungs­grund 48) vor, die Entschei­dungen inner­halb von 90 Tagen treffen und von mindes­tens einer Behörde in den Mitglieds­staaten der EU über­wacht werden sollen. Es fehlen aber ausrei­chend konkrete Normen, die eine entspre­chende Ressour­cen­aus­stat­tung dieser Insti­tutionen und Behörden auf natio­naler Ebene sicher­stellen.

Weiter sagt der Entwurf mit Ausnahme des Diskri­minie­rungs­ver­bots bei Zugangs­ver­trägen (Art. 8 Abs. 3) und des Fair­ness­tests für Vertrags­klau­seln, die jeweils für kleine und mittel­große Daten­emp­fänger gelten sollen (Art. 13 Abs. 5), nichts dazu, ob derje­nige, der eine Rechts­ver­let­zung behauptet oder derje­nige, der sich mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das Gesetz konfron­tiert sieht, im Streit­fall die Beweis­last tragen soll. Solche Beweis­last­regeln (z.B. bei poten­ziellen Verlet­zungen von Geschäfts­geheim­nissen) haben aber große Bedeu­tung für die prak­tische Rechts­durch­set­zung. Es ist deshalb notwendig, sie auszu­weiten.

Resümee

Alles in allem beruht der DA-E auf der Annahme, dass es sinn­voll ist, bran­chen­über­grei­fende Grund­regeln für den Zugang und die Nutzung von Daten zu schaffen, die von Besit­zern vernetzter Produkte bei deren Verwen­dung mehr oder minder bewusst erzeugt werden. Deshalb muss er natur­gemäß an vielen Stellen inhaltsarm bleiben. Es ist deshalb unwahr­schein­lich, dass eine hori­zon­tale Regu­lie­rungs­stra­tegie der beste Weg zur Forcie­rung der Daten­wirt­schaft in der EU sein könnte. Viel spricht dafür, dass statt­dessen bran­chen­bezo­gene, verti­kale Zugangs- und Nutzungs­rechte, -pflichten und -anreize, wie es sie beispiels­weise schon in der Auto­mobil­indus­trie gibt, wirk­samer sein dürften. Es ist aber unrea­lis­tisch davon auszu­gehen, dass auf EU-Ebene Parla­ment und Rat die DA-Initia­tive der Kommis­sion versanden lassen werden.

Umso unver­ständ­licher ist es, dass die derzei­tigen Regie­rungs­par­teien in ihrem Koali­tions­ver­trag vom 24.11.2021 auf Seite 17 noch voll­mundig ein natio­nales Daten­gesetz für Deutsch­land in Aussicht stellen. Für ein solches Gesetz lässt der DA-E keinen Raum. Viel wich­tiger ist es, dass sich die Vertreter Deutsch­lands zumin­dest die aufge­zeigten funda­men­talen Schwä­chen des Kommis­sions­vor­schlags zu redu­zieren. Hierfür besteht ange­sichts dessen, dass der bevor­ste­hende legis­lative Prozess, der aufgrund der Komple­xität und des Streit­poten­zials der Materie nicht vor 2025 in eine Geset­zes­anwen­dung in der EU münden dürfte, hinrei­chend Zeit. Man darf gespannt sein, inwie­fern deut­sche Poli­tiker diese Chance nutzen wollen und können.

Zur Person

Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott leitet den Lehr­stuhl für Unter­neh­mens- und Tech­nolo­gie­pla­nung an der Mercator School of Manage­ment Duis­burg der Univer­sität Duis­burg-Essen.

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