Patentstreit: Aktuell kaum Nokia-Handys lieferbar
Wer sich ein Handy der Marke "Nokia" kaufen möchte, könnte sich über leere Regale oder den Hinweis "vergriffen" oder "nicht lieferbar" besonders bei älteren Modellen wundern. Wie das Online-Portal heise.de herausfand, musste der finnische Hersteller HMD Global Oy, der die Namensrechte für Nokia-Mobiltelefone besitzt, den Verkauf der meisten Modelle einstellen. Hintergrund ist eine Patentklage.
Im deutschen Nokia-Web-Shop ist derzeit nur noch das aktuelle Modell Nokia G21 verfügbar, es ist seit Mitte Februar auf dem Markt. Das gleichzeitig erschienene G11 ist zwar noch gelistet, gilt aber aktuell als "ausverkauft".
Streit mit "VoiceAgeEVS"
Wegen eines Patent-Rechtsstreits ist das Nokia 1.4 bei HMD derzeit nicht verfügbar
Foto: HMD/Nokia
Die älteren Modelle kann HMD Global wegen eines Patentstreits mit der Firma "VoiceAgeEVS LLC" aktuell nicht anbieten, teilte das Unternehmen heise online mit. HMD wurde von der Firma "VoiceAgeEVS LLC" (kurz VAEVS) verklagt. Man ist "enttäuscht über den Beschluss in dem VoiceAge-Vollstreckungsverfahren in Deutschland im Dezember", man habe dagegen Beschwerde eingelegt.
HMD sorgte dafür, dass keines der in Deutschland angebotenen und vertriebenen Geräte mehr die verbesserte Sprachübertragung "EVS" unterstützt.
EVS ist die Abkürzung für "Enhanced Voice Services", einem verbesserten Audiocodec zur Sprachübertragung. Sie ist Teil des weltweit gültigen 3GPP Standards und somit in vielen Handys integriert. Teile des Codes wurden von der Firma VoiceAge (Kanada) entwickelt. Das Unternehmen wiederum hat seine Patente an die Firma VoiceAgeEVS ausgelagert.
VoiceAgeEVS und Fortress
Die Patentagentur "VoiceAgeEVS" verwertet diese Patente seit etwa 2018 gemeinsam mit einer Investment-Gruppe namens Fortress. Seitdem hat VoiceAgeEVS mehrere Handy-Hersteller verklagt, darunter neben HMD Global auch Konzerne wie Apple, TCL und Lenovo.
Apple soll sich laut dem Patentrechte-Magazin "Fosspatents" außergerichtlich mit VoiceAgeEVS geeinigt haben, offenbar gilt das auch für TCL und Lenovo. Insgesamt soll es 27 Klagen gegen fünf Hersteller gegeben haben.
HMD Global wählte den Weg vor Gericht. Solche Klagen landen gern beim Landgericht in Mannheim. In der ersten Runde stellte das Landgericht Mannheim unter dem Az.: 7 O 116/19 fest, dass HMD gegen das Patent EP 2707 687 verstößt.
Versammelte Patent-Trolle
Der Patentverwerter "Fortress" steht mit weiteren "Non-practicing Entities" (NPE, auch "Patent-Trolle" genannt) in Verbindung. Sie verwalten und klagen Patente ein, nur um Umsätze zu generieren. Fortress unterstützt nicht nur VoiceAgeEVS, sondern auch Uniloc, die mit Klagen gegen Microsoft und Electronic Arts Aufsehen erregten.
In Deutschland, so hat es Heise herausgefunden, firmiert VoiceAgeEVS als "VoiceAge EVS Verwaltungs GmbH" mit Sitz in Ratingen. Geschäftsführer des deutschen Unternehmenszweigs sind zwei Personen, die an der gleichen Adresse in Ratingen ebenfalls die Geschäfte der Uniloc Deutschland GmbH führen. Die Homepage von Uniloc steht nur "Members" zur Verfügung und enthält offenbar kein leicht auffindbares Impressum.
Deutschland und weitere Märkte betroffen
HMD Global teilte mit, dass neben Deutschland auch weitere Märkte betroffen seien. So sind ältere Nokia-Smartphones auch auf den französischen und schweizerischen Webseiten des Herstellers nicht mehr zu finden. In Österreich, Italien, dem Vereinigten Königreich und den USA gibt es die älteren Modelle aber immer noch.
Interessenten können auch bei Händlern wie Amazon oder MediaMarkt bestellen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Wie schon erwähnt, sind Patente eine sinnvolle Sache. Es bekommt aber ein Geschmäckle, wenn Unternehmen speziell nur dafür gegründet werden, um mit Patentklagen viel Geld zu verdienen.
Der Hersteller Apple konnte es sich wohl leisten, diese Trolle außergerichtlich zufrieden zustellen, auch TCL und Lenovo scheinen sich geeinigt zu haben. Für HMD erschien das wohl eine Spur zu teuer oder sie sahen sich vielleicht im Recht.
Nun kommen ohnehin pausenlos neue Modelle auf den Markt, bleibt die Frage, ob die Patent-Trolle am Ende damit gewinnen können. Leidtragender ist vielleicht der Hersteller. Der Kunde wird sich für ein anderes lieferbares Modell eines anderen Herstellers entscheiden.
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