Nr. 5

Editorial: Der Standard siegt!

Flash-Aus für mobile Plattformen macht das Web etwas kompatibler
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Die Abkündigung des mobilen Flash-Players durch Adobe ist nicht unumgänglich. Ausdrücklich erlaubt Adobe Partnern mit einer Quellcode-Lizenz den mobilen Flash-Player weiterzuentwickeln. Letztendlich sagt also Adobe nicht: "Wir wollen keinen mobilen Flash-Player mehr", sondern nur: "Wir wollen nicht mehr die Kosten für die Weiterentwicklung des mobilen Flash-Players übernehmen. Wenn die Mobilfunk-Industrie diesen dennoch will, dann soll sie auch die Kosten für die Portierung der jeweils neuen Flash-Features auf die mobile Plattform übernehmen".

Angesichts dessen, dass Adobe mit dem Flash-Player kein Geld verdient, ist die vorgenannte Kostensparmaßnahme verständlich. Zwar verdient Adobe gutes Geld mit Entwicklungsumgebungen für Flash-Animationen. Doch da die damit erstellten Filme nicht auf Apples mobilen Produkten wiedergegeben werden können, sind Website-Entwickler heute eh gezwungen, für mobile Browser eine alternative, Flash-freie Version bereitzustellen. Diese wird dann meist für alle mobilen Endgeräte ausgeliefert, auch die, die Flash könnten. Der Zusatznutzen für Adobe, auf einem Teil der Handys und Tablets doch Flash abspielen zu können, ist also gering, so dass die Kosten für die Flash-Portierung in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen.

Mobile Betriebssysteme: Flash als Unterscheidungsmerkmal

Für mobile Betriebssystemhersteller mag die Rechnung anders aussehen: Für sie ist die Fähigkeit, auch nicht auf mobile Endgeräte optimierte Webseiten vollumfänglich inklusive Flash-Filmen anzeigen zu können, ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu Apple. Jedoch ist der Aufwand zur Erreichung dieses Vorteils erheblich, denn der Flash-Player lässt sich nicht in ein paar Stunden auf mobile Plattformen anpassen. Für die ganzen kleineren mobilen Betriebssysteme wie Bada von Samsung oder RIM OS dürfte der Aufwand zu hoch sein, zumal viele der kleineren Systemhersteller schon damit kämpfen, überhaupt die Basis-Features in angemessener Zeit zu implementieren.

Google hätte sicher die Ressourcen, den Flash-Player für Android weiterzuentwickeln. Aber Googles Haupteinnahmequelle ist weiterhin die Suchmaschine, nicht Android. Und die Suchmaschine kommt nunmal mit dem strukturierten HTML 5 viel besser klar als mit Flash. Also sollte es nicht Googles Interesse sein, Flash im mobilen Internet am Leben zu halten.

Bleibt Microsoft: Für den ganz großen Wurf, eine native und damit zumindest im Vergleich zum aktuellen Flash-Player effizientere und sicherere Implementation von Flash sowohl im Desktop- wie im Mobil-Internet-Explorer, hätten diese mit Sicherheit ausreichend Ressourcen. Jedoch dürfte die dazu nötige intensive und exklusive Partnerschaft zwischen Microsoft und Adobe und der daraus resultierende Wettbewerbsvorteil für den IE die Kartellbehörden erneut auf den Plan rufen. Die fanden vor einigen Jahren ja schon die tiefe Verankerung des IE in Windows alles andere als lustig. Zudem investiert Microsoft mit Bing ebenfalls ins Suchmaschinengeschäft. Microsofts Interesse, Abspieler für mit anderen Tools erzeugte Inhalte zu entwickeln, ist ebenfalls beschränkt, auch wenn sie es dort, wo es nötig ist, sehr wohl tun (etwa Internet Explorer oder der Windows Media Player).

Aber selbst, wenn Microsoft sich des mobilen Flash-Players annimmt, wird dieser mit ziemlicher Sicherheit nur unter Windows Phone laufen, nicht auf anderen Plattformen. Angesichts dessen geringen Marktanteils, der auch angesichts Nokias Einstieg nicht über Nacht nach oben schießen wird, bedeutet das für Entwickler mobiler Webseiten: auf jeden Fall ohne Flash!

Baustelle HTML 5

Ist am Ende also alles gut? Mitnichten! HTML 5 und das zugehörige CSS 3 ist weniger ein Standard denn vielmehr eine Baustelle. Manches ist doppelt implementiert, so erlaubt HTML 5 die einfache Einbettung von 2D-Vektor-Grafiken nach dem Standard SVG ("scalable vector graphics") in HTML-Dokumente. Gleichzeitig wurde das Canvas-Tag ergänzt, das ebenfalls 2D-Vektor-Grafiken ermöglicht, aber mit einem anderen Satz an Grafik-Bausteinen.

CSS 3 wiederum enthält ein ganzes Sammelsurium an tollen Vorschlägen, wie Style Sheets künftig noch mehr Details des Aussehens einer Webseite beeinflussen können. Das Hauptproblem wird hier - neben der Umsetzung der ganzen Vorschläge - die Klärung der ganzen Zweifelsfragen sein, die entstehen, wenn mehrere CSS-Stile zusammenkommen. Als Beispiel sei der bekannte Box-Modell-Fehler des IE genannt, dessen ältere Versionen die Größenangaben "width" und "height" auf ein Element inklusive des Rahmens um das Element beziehen, während die meisten anderen Browser und der CSS-2-Standard diese Größenangaben auf den Inhalt des Elements exklusive des Rahmens beziehen. Mit der Explosion der Zahl der Stilelemente in CSS 3 ist auch eine Explosion der Zahl solcher unterschiedlicher Interpretationen zu erwarten.

Aber auch ohne Überschneidung von Features aus unterschiedlichen Teilbereichen der HTML-5-Weiterentwicklung kommt es zu Browser-Inkompatibilitäten. Zwar werden alle aktuellen Browser als SVG-kompatibel bezeichnet, doch implementieren viele nur eine Teilmenge der SVG-Features. Die Webkit-Engine (Safari, Chrome und diverse Mobil-Browser) macht beispielsweise gestrichelte Linien zu durchgezogenen.

Entwickler werden so frustriert, weil ihre plattformübergreifend und standardkonform entwickelten Inhalte am Ende doch wieder in jedem Browser anders aussehen. Die Abkündigung von mobilem Flash macht das Leben für Web-Entwickler dennoch etwas einfacher als bisher, weil eine Variante künftig wegfällt. "Einfach" wird es aber noch lange nicht.

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