Handelsblatt

Obermann zieht Bilanz: "Bulldozer" mag keine Leisetreterei

René Obermann offenbart im Interview mit dem Handelsblatt seine dunkelsten Momente sowie schönsten Augenblicke während seiner Zeit als Telekom-Chef, kritisiert die Bundes­regierung sowie EU-Kommission und zieht Bilanz.
Von Paulina Heinze

René Obermann René Obermann im Interview mit dem Handelsblatt.
Bild: dpa
Nach 16 Jahren Deutsche Telekom, davon sieben Jahre als Vorstands-Chef, verab­schiedet sich René Obermann und übergibt sein Amt zum Ende des Jahres an Timotheus Höttges. Im Interview mit dem Handels­blatt verrät der 50-jährige seine dunkelsten sowie schönsten Augen­blicke während seiner Amts­zeit, zieht Bilanz und rechnet mit seinem bald ehema­ligen Arbeit­geber ab.

Die Betriebs­räte bezeichneten den Telekom-Chef schonmal als "Bulldozer" oder "Dobermann". Obermann waren diese Spitz­namen damals peinlich. "Zu erfolgreichem Management gehört gelegentlich, sich unbeliebt zu machen." Die Aufgaben des Telekom-Vorstands­chefs hat Obermann zwar nicht unterschätzt, dafür jedoch die öffentliche Wahrnehmung, die ein entscheidender Faktor für sein Leben wurde. In den ersten Jahren war er stark mit der Bewältigung vergangener Streiks und Krisen sowie Datenschutz- und Datensicherheits­problemen beschäftigt. Zu den dunkelsten Momenten äußerte sich Obermann: "Die Liste reichte von der besagten Bespitzelungs­affäre bis zu den Doping-Enthüllungen um das alte Team Telekom." Als die Telekom die Markt­führerschaft in Deutschland zurück­erlangte und den Konkur­renten Vodafone hinter sich ließ, gehört zu Obermanns schönsten Augen­blicken. Das Ereignis, als das US-Geschäft ins Kunden­wachstum drehte, beschreibt Obermann mit der Emotion: "das war ein Gefühl, als ob man fliegt."

"Ich verstehe die Leisetreterei nicht"

René Obermann René Obermann im Interview mit dem Handelsblatt.
Bild: dpa
Im Interview kritisiert Obermann die Bundes­regierung und die EU-Kommission wegen der schleppenden Aufklärung der NSA-Abhör­affäre. "Die Spitzeleien haben das Vertrauen in zwei Grundpfeiler unserer Gesellschaft, die freie Kommunikation und die Privat­sphäre, erschüttert", sagt Obermann dem Handelsblatt. Er hält die Spio­nage­aktivitäten des US-Geheim­dienstes lang­fristig sogar als "demokratie­gefährdend". Vor allem die Untätigkeit der in Berlin und Brüssel Verantwortlichen sei nicht hinnehmbar. "Ich verstehe die Leise­treterei nicht", so Obermann. "Wenn Unternehmen aus den USA oder jedem anderen Land hier in Europa Geschäfte machen wollen, dann haben sie sich an unsere Standards zu halten." Obermann ist der Meinung, dass dies auch die Wirtschafts­spionage erschwere. "Europa könnte ruhig mal selbstbewusst die gemeinsamen Regeln nach außen tragen", erklärt Obermann.

Vor dem Hintergrund fordert Obermann eine schnelle Harmoni­sierung der europäischen Daten­schutz­gesetze. Alle EU-Bürger sollen künftig die Möglichkeit haben, im Notfall ihren Anspruch auf eine geschützte Privatsphäre einklagen zu können. Bis Ende des Jahres führt die Deutsche Telekom eine neue Verschlüs­selungs-Technik ein, die zu mehr Sicherheit beim Telefonieren per Handy führen soll (wir berichteten).

Was bleibt: Erfahrung und Freundschaften, aber auch Handy und Tablet

Was René Obermann von der Telekom mitnimmt, sind Erfahrung und viele Freund­schaften. Aber auch sein Handy und Tablet darf der ehemalige Telekom-Chef behalten, lediglich die Kosten für die Verträge muss er künftig selbst tragen. Viele Helfer, sein Fahrer und ein schickes Büro, wird er hinter sich lassen. Auch sein Gehalt wird im neuen Job kleiner ausfallen, so Obermann. Seine Entscheidung für den Abschied sei nicht mit einer großen Ursache verbunden. "Ich wollte wieder anders arbeiten, weniger portfolio­orientiert, sondern operativer."

Trotz des Wechsels zum nieder­ländischen Kabel­netzbe­treiber Ziggo würde sich Obermann nicht auf einen unmittelbaren Wettbewebs­konflikt mit der Telekom einlassen.

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