Machtwechsel bei Nokia: Partnerschaft mit Ericsson geplant?
Nokia - connecting people - das war einst der Claim des ursprünglich rein finnischen Unternehmens, was sich in seiner langen Geschichte mehrfach "frisch erfinden" musste. Nokia Gummistiefel sind heute kultige Sammelobjekte und Nokian-Reifen (mit "n" am Ende, die mit Nokia (ohne n) nichts mehr zu tun haben) gibt es weiterhin im günstigen Preissegment. Dem Nokia-Kommunikations-Konzern geht es aktuell nicht wirklich gut.
Trends richtig erkannt
Nokia ist in argen Nöten: Die Zahlen stimmen nicht. Kunden warten auf passende Baugruppen für 4G und 5G-Netze
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Nokia setzte früh auf Mobiltelefone, als klar war, dass mit Nokia TV- und Computermonitoren nicht viel Staat zu machen war. Damals wurde Nokia belächelt.
Nokias Stärke war das kultige finnische Design, das emotional bewegte und keinen Kunden kalt ließ. Neben Handys beschäftigte sich Nokia früh mit der Netztechnik, sprich Sendestationen, Antennen und Netzwerktechnik, Software und Sicherheit.
Die deutsche Siemens AG hatte ebenfalls früh Handys und Netztechnik für Mobilfunknetze im Programm. Das analoge Mobilfunknetz C wurde von Siemens entwickelt und aufgebaut. Da aber Siemens immer als "Bank mit angeschlossener Elektrowerkstatt" galt und mit Geld mehr Geld als mit seinen eigenen Produkten zu verdienen schien, wurden nach und nach die einst wertvollen Teile verkauft oder aufgegeben.
Kreative Ideen - nicht gefragt
Siemens Ingenieure hatten kreative Ideen, die sie nicht umsetzen durften, weil sie in der Siemens-Bürokratie aufgerieben wurden. Siemens war der Haus- und Hoflieferant der Deutschen Bundespost. Siemens Netztechnik galt als sehr stabil, langlebig und vielleicht nicht immer der allerneueste Schrei. Mit der Liberalisierung des Marktes kam auf einmal Konkurrenz, beispielsweise Alcatel. Das System S12 sorgte für Aufregung, aber auch für Probleme.
Siemens war zu schwerfällig geworden, die Handysparte (in Bocholt) wurde an das Unternehmen BenQ verkauft, das sofort krachend scheiterte. Handys "Made in Germany" sind wieder im Kommen, wie das Unternehmen Gigaset zeigt.
Siemens gab seine Netzwerksparte auf und verkaufte sie an Nokia, daraus wurde Nokia Siemens Networks (NSN). Viel Festnetz-Technik wurde aus Kostengründen weiterverkauft oder aufgegeben, viele Arbeitsplätze vernichtet.
Es dauerte seine Zeit, bis klar war, welche Produkte Nokia behalten wolle, die von Original Siemens oder die von Original Nokia? Solche Konsolidierungsphasen lähmen ein Unternehmen. Kunden und Lieferanten sind verunsichert. Zuständigkeiten ändern sich andauernd oder Ansprechpartner und ihr wertvolles Know-How gehen rettungslos verloren.
Fusionen kosten Kraft
NSN blieb nicht lange alleine. Auf einmal kam Alcatel-Lucent ins Spiel, das ein Zusammenschluss eines US- und eines französischen Unternehmens gewesen war. In seiner DNA finden wir auch noch "Reste" von PKI (Philips Kommunikationsindustrie) mit Sitz in Nürnberg. Philips hatte zu Beginn der GSM-Ära Original-Nokia-Telefone unter eigenem Namen (OEM) verkauft. Die Integration von Alcatel-Lucent in den Nokia-Konzern lähmte das Unternehmen erneut.
Weil man mit sich selbst beschäftigt war, konnten dringend gewünschte Baugruppen und Komponenten von der neuen Nokia nicht rechtzeitig geliefert werden. Die Deutsche Telekom zog die Reißleine und strich Nokia zunächst von ihrer Einkaufsliste. Zum Zuge kam der schwedische Konzern Ericsson, auch seit vielen Jahren im Geschäft. Auch hier drücken die Preise, welche chinesische Anbieter, allen voran Huawei ihren Kunden machen können.
Bei Huawei kommt noch hochentwickelte Ingenieurskunst dazu. Allgemein geht man davon aus, dass Huawei (übersetzt: "China kann das") beispielsweise bei 5G-Komponenten etwa ein bis zwei Jahre seinen Konkurrenten voraus ist.
Neuer Streit um Konzepte und Kompetenzen
Und anstatt sich auf seine Kernkompetenzen zu besinnen, ist bei Nokia wieder interner Streit über die richtigen Konzepte ausgebrochen. Nokia Handysparte ging den Abhang hinunter, weil sie Smartphones mit Touchscreen "verschlafen" hatten und die kreativen Ingenieure nicht mehr nach oben durchkamen, wo sich das Führungspersonal gegenseitig blockierte. Nokia-Chef Olli Pekka Kallasvuo ("OPK") hatte wenig Ahnung vom Geschäft und übergab an Stephen Elop. Nokia-Phones landete bei Microsoft, doch bis die Welt "verstanden" hatte, was Windows Mobile hätte bedeuten können, war es schon wieder vorbei.
Die Wiedergeburt der Marke Nokia
Mut kultigen Telefonen wurde Nokia (jetzt von HMD) berühmt
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Ein richtiger Schachzug war es, die Marke Nokia wieder für Telefone zu verwenden. Das Unternehmen HMD knüpft an die "guten alten Zeiten" an und macht vieles richtig, aber nicht alles.
Für die Mutter Nokia Oyj (Networks) sieht es aber im Moment nicht gut aus. Der amerikanische Nachrichtendienst Bloomberg, dessen Gründer sich anschickt, der nächste Präsident der USA zu werden, meldet, das Nokia "strategische Optionen" prüfe, weil der Wettbewerb zu hart und die Zahlen zu schlecht seien.
Geprüft werden allerlei Szenarien, die von potenziellen Verkäufen bestimmter Unternehmensteile bis hin zu Fusionen mit anderen Unternehmen reichen, berichten "mit den Vorgängen vertraute Personen", die natürlich namentlich nicht genannt werden wollten. Durchgespielt würden auch buchhaltungstechnische Tricks wie die "Verlagerung von Investitionen" oder "Bilanzkorrekturen".
Was dabei am Ende herauskommt, weiß derzeit niemand. Vertreter des finnischen Unternehmens Nokia in Espoo bei Helsinki habe eine Stellungnahme abgelehnt, ein in solchen Situationen übliches Verfahren.
Die Börsen reagieren auf solche Gerüchte immer sehr nervös. Nokia-Aktien hätten schon im letzten Jahr rund ein Drittel ihres Wertes verloren, nachdem erste Gerüchte laut wurden. Inzwischen stieg die Aktie wieder um rund drei Prozent.
Das Unternehmen hatte seine Prognosen zurückgefahren und die Dividende im Oktober ausgesetzt, da es erst im Jahr 2021 mit einer größeren Gewinn-Erholung rechnet. Das kommt an der Börse gar nicht gut an.
Bloomberg spekuliert, ob Nokia sich mit seinem Mitbewerber Ericsson AB zusammenschließen könnte oder wenigstens in bestimmten Geschäftsbereichen eine engere Zusammenarbeit anstreben sollte. Das dürfte aber bei der Politik auf wenig Gegenliebe stoßen, denn dabei bleiben immer wieder Arbeitsplätze auf der Strecke und die Kartellämter prüfen sehr genau. Auch bei Ericsson war keine Stellungnahme zu bekommen.
Intensiver Wettbewerb und Machtwechsel
Im Dezember war angekündigt worden, dass der Nokia-Vorstand Risto Siilasmaa von seinem Amt zurücktreten werde. Das setzte sofort Spekulationen frei. Nokia befindet sich in intensivem Wettbewerb mit Ericsson und der chinesischen Huawei Technologies Co. Alle drei Unternehmen möchten am kommenden Markt mit 5G-Technologie teilhaben.
Der amerikanische Generalstaatsanwalt William Barr schlug vor, dass sich USA direkt bei Nokia oder Ericsson beteiligen sollten. Larry Kudlow, der wichtigste Wirtschaftsberater von Präsident Donald Trump, betonte später, dass die US-Regierung sich nicht mit dem Kauf von Unternehmen beschäftige. Bestätigt wurden aber Pläne des Weißen Hauses, alle Huawei-Wettbewerber an einen Tisch zu bekommen, um die Entwicklung von erschwinglichen Konkurrenzprodukten zu beschleunigen.
Der scheidende Nokia Chef Rajeev Suri (seit 2015 im Amt) hatte eine Warnung abgegeben, dass die erreichbaren Märkte (außerhalb von China) im Vergleich zum Vorjahr wahrscheinlich stagnieren könnten. Heute Morgen gab Nokia offiziell bekannt, dass Pekka Lundmark auf dem Vorstandssessel Platz nehmen werde. Lundmark war schon früher in verschiedenen Positionen bei Nokia tätig.
Vielleicht sollte sich der neue Chef schleunigst auf die DNA von Nokia, deren Kernkompetenzen und den Bedarf der Kunden konzentrieren?