Betriebsergebnis

Nokia dementiert Berichte über Bochumer Betriebsgewinne

Vertreter der IG Metall enttäuscht von Krisentreffen in Brüssel
Von dpa / AFP / Björn Brodersen

Der finnische Nokia-Konzern hat heute deutsche Medienangaben über sehr hohe Betriebsgewinne in dem vor der Stilllegung stehenden Werk Bochum als "irreführend" zurückgewiesen. Unternehmenssprecherin Arja Suominen sagte in Helsinki über einen Bericht des Wirtschaftsmagazins Capital, wonach 2007 in Bochum mit 2300 fest angestellten Beschäftigten 134 Millionen Euro Betriebsgewinn vor Zinsen erwirtschaftet wurden: "Das gibt nicht die dortige Profitabilität unter Marktgesichtspunkten wieder." Nokia hatte die Mitte Januar bekannt gegebene Verlagerung der Produktion aus Deutschland in das neue rumänische Werk Cluj (Siebenbürgen) mit dort deutlich niedrigeren Kosten begründet. Suominen meinte zu den von Capital verbreiteten Gewinnzahlen für Nokia in Bochum: "Sollten es wirklich die Zahlen aus dem Geschäftsbericht der deutschen Nokia GmbH sein, geht es dabei nur um die Gewinnberechnung für steuerliche Zwecke." Außerdem seien diese Zahlen aber auch ein "Indiz für die generelle Profitabilität von Nokias globalen Aktivitäten". Bei der konkreten Beurteilung der Ertragslage in Bochum "unter Marktgesichtspunkten" würden die dort sehr hohen Kosten ins Gewicht fallen. Auf die Frage nach eigenen Zahlen, die ein nach Konzernmeinung realistischeres Bild der Gewinnlage in Bochum geben könnten, meinte Suominen: "Ich werde nicht mit Zahlen kommen."

Capital: "90 000 Euro Gewinn je Mitarbeiter"

Capital berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, dass jeder der 1 500 Mitarbeiter in der Bochumer Produktion einen Gewinn von 90 000 Euro erwirtschafte. Wie Capital unter Bezug auf vertrauliche Dokumente weiter meldet, schaffte die deutsche Nokia GmbH mit den Standorten in Bochum, Ulm, Düsseldorf, München und Frankfurt sogar ein Betriebsergebnis nach Zinsen von 246 Millionen Euro. Der vom Land Nordrhein-Westfalen subventionierte Standort Bochum habe "zudem eine gewaltige Summe auf der hohen Kante", schreibt das Wirtschaftsmagazin. Sie sorgte für ein Zinsergebnis, das sich in der Bilanz der Nokia GmbH mit plus 70 Millionen Euro niederschlage.

Die Bochumer Werksleitung habe zudem ein Konzept entwickelt, um mit Hilfe von Investitionen in Höhe von 14 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2008 das Werk so lukrativ und effizient zu machen wie eine Nokia- Fabrik in Ungarn und das, obwohl in Deutschland je Arbeitsstunde rund 28,70 Euro anfallen, in Ungarn hingegen nur 6,90 Euro. Diese Zahlen nennt Nokia in einem zehnseitigen internen "Memorandum" über die "Betriebliche Restrukturierung der Nokia GmbH". Das Vorhaben ist auch in einem Betriebsratsprotokoll von Juli 2007 vermerkt, das dpa vorliegt.

Um die ursprünglich geplante Werksoptimierung vorzubereiten, fuhren die Manager laut Capital in Bochum die Investitionen im zweiten Halbjahr 2007 schon von 5,5 auf 3,3 Millionen Euro zurück. Dann seien sie plötzlich vom geplanten Kahlschlag informiert worden. Zuvor habe die Belegschaft mit Hilfe von Überstunden und Wochenendarbeit die Produktion kräftig erhöht: Statt der ursprünglich geplanten 16,3 Millionen Geräte seien von Juli bis Dezember 18,7 Millionen Handys produziert worden.

IG Metall verlässt Krisentreffen in Brüssel

Über die Schließung des Bochumer Nokia-Werks ist zudem ein Streit zwischen den europäischen Gewerkschaften entbrannt. Bei dem Krisentreffen heute in Brüssel zeigten sich Vertreter der IG Metall "enttäuscht" über die mangelnde Solidarität ihrer finnischen Kollegen, wie die Betriebsratsvorsitzende von Nokia Bochum, Gisela Achenbach, berichtete. Die deutschen Gewerkschafter verließen aus Protest den Raum. Die Finnen hätten nicht ausreichend Unterstützung signalisiert, bemängelte Achenbach.

Der Europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB) hatte Arbeitnehmervertreter und Betriebsräte von den Nokia-Standorten nach Brüssel eingeladen, um über europaweite Protestaktionen zu beraten. Die Gewerkschafter einigten sich aber lediglich auf eine außerordentliche Sitzung der Betriebsräte vor der nächsten Nokia-Aufsichtsratssitzung am 28. Februar. Geplant sind zudem Gespräche mit dem Management des Konzerns.

Weitere Artikel zur geplanten Schließung von Nokia Bochum